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"Trainer-Job ist ganz anderer Beruf als Fußballer"

Damir Canadi ist 41 Jahre alt.

Als Trainer gehört der Wiener hierzulande damit zu jenen der jüngeren Sorte im Profi-Bereich. Der 19-fache Bundesliga-Spieler (Austria, Mödling) hat dafür schon elf Jahre Erfahrung auf dem Buckel.

Nach einer Hüftoperation rutschte der Mittelfeldspieler in den Beruf des Trainers, wie er selbst sagt.

„Ich bin keiner, der Arbeit oder Energien scheut“, beschreibt Canadi seinen bisherigen Weg, der ihn in erster Linie zu Amateur-Klubs wie dem FAC oder zuletzt dem 1. Simmeringer SC führte.

Zwischendurch werkte der akribische Arbeiter aber auch auf professionellem Niveau. Rashid Rachimov holte Canadi 2008 nach Moskau und machte ihn zu seinem Co-Trainer bei Lok.

Im zwölften Jahr seiner zweiten Karriere bekommt Canadi nun erstmals die Chance, sich als Cheftrainer im Profi-Bereich zu zeigen.

Und das, obwohl der Firmenbesitzer seit 2008 im Besitz der UEFA Pro Lizenz ist, also der höchstmöglichen staatlichen Trainer-Ausbildung.

Seine erste Station im bezahlten Fußball heißt nun FC Lustenau, seines Zeichens Schlusslicht der Ersten Liga.

„Wir sind überzeugt, mit ihm den Klassenerhalt zu schaffen. Er ist ein Trainer, der auf Analyse und Taktik Wert legt sowie sehr gut mit jungen Spieler umgehen kann“, begründet Manager Wolfgang Hartter.

Bei LAOLA1 kommt der Neo-Coach ausführlich zu Wort.

LAOLA1: Wie hat sich ihre Bestellung ergeben?

Damir Canadi: Am Donnerstag voriger Woche hat mich Manager Wolfgang Hartter kontaktiert und gefragt, ob Interesse meinerseits besteht. Ich bin für Gespräche immer bereit. Wir haben uns dann auch kurz getroffen und die sportlichen Aspekte abgesteckt. Am Freitag habe ich dann mit Präsident Dieter Sperger ein langes, intensives Gespräch geführt und da sind wir zur Überzeugung gekommen, dass das gut zusammenpassen würde. Am Samstag ist die Entscheidung gefallen.

LAOLA1: Mussten Sie lange überlegen, als ihr erster Profi-Job als Chef-Trainer winkte?

Canadi: Natürlich musste ich überlegen, weil ich eine Familie und eine kleine Firma in Wien habe. Das ist alles nicht so leicht zu handhaben. Ich denke aber, dass ich hier sportliche Dinge bewegen kann. Das haben wir in diesem vierstündigen Gespräch auch besprochen. Zum einen schenkt mir der Verein sehr viel Vertrauen, in dem er mir die Mannschaft in so einer Situation übergibt. Zum anderen lässt er mich in Zukunft etwas mit jungen Spielern aufbauen, so dass wir uns nicht jedes Jahr gegen den Abstieg wehren müssen, sondern vielleicht auch im mittleren oder oberen Drittel wiederfinden. Spieler, die irgendwann den Sprung in die Bundesliga schaffen, waren ebenso ein Thema. Das alles hat mich gereizt.

LAOLA1: Sie sind mit 41 Jahren einer der am besten ausgebildeten Trainer Österreichs. Warum hat es so lange gedauert, ehe Sie ihre erste Profi-Station übernehmen durften?

Canadi: Da müssten die Vereine befragt werden, die mir diese Chance noch nicht gegeben haben. Der FC Lustenau hat es getan und das freut mich. Ich will das natürlich zurückzahlen.

LAOLA1: Hat es zuvor überhaupt konkret mit anderen Vereinen Verhandlungen gegeben?

Canadi: Es gab schon ein paar Klubs, auch jetzt zuletzt mehr. Es war aber bislang nie so konkret wie dieses Angebot. Es waren immer mehr lose Gespräche, die ich nicht so als Angebote gesehen habe. Es zählt für mich auch nicht, wenn ich wo unter den letzten zwei Kandidaten war.

LAOLA1: Beschreiben Sie sich als Trainer. Analytik und Taktik scheinen für Sie Priorität zu haben.

Canadi: Ich versuche, meine Stärken einzusetzen und dem Team gruppen- sowie mannschaftstaktische Dinge mitzugeben, so dass es sich am Platz richtig verhält. Natürlich ist es ein Steckenpferd von mir, aber das sind auch andere Dinge: Ich versuche, eine gewisse Balance zwischen Defensive und Offensive zu finden. Diese muss auch einfach passen. Wir dürfen hinten nicht nur gut stehen, sondern müssen auch versuchen, vorne Akzente zu setzen. Dafür muss man eine gewisse taktische Ausbildung haben. Das versuche ich, der Mannschaft mitzugeben: Hohes Tempo spielen zu lassen und über das Passspiel sehr viele Möglichkeiten herauszuarbeiten. Der Ball macht das Tempo, nicht der Spieler an sich. Wenn wir es schaffen, das Tempo hoch zu halten, dann wird es für den Gegner sehr schwer, gegen uns zu verteidigen.

LAOLA1: Ihnen wird nachgesagt, unter anderem mit Aussagen zu arbeiten, hinter denen Kalkül steckt. Machen Sie als Trainer manche Dinge unkonventioneller als andere?

Canadi: Ich spreche viele Dinge ehrlich und direkt an. Ich denke, ich besitze ein großes Potenzial an Ehrlichkeit. Ich habe Respekt vor jedem anderen Menschen, aber ich stehe zu einer Meinung, die ich habe. Von der gehe ich auch nicht ab. Das schmeckt immer jemanden nicht. Ich spreche es aber an, ohne jemanden zu beleidigen. Ich will auch niemanden wehtun oder verletzen. Aber es ist eben so, wenn man etwas anspricht und dazu steht, dann ist das in Österreich nicht immer das Beste – gerade als junger Trainer.

LAOLA1: Sie sind mit 41 Jahren ein junger Trainer, sind aber auch schon seit Jahren im Geschäft. Haben Sie den Beruf wie einen „normalen“ außerhalb des Fußballs von der Pike auf gelernt?

Canadi: Ich musste mit 30 Jahren nach einer Hüftoperation meine aktive Karriere beenden. Ich wollte eigentlich nie Trainer werden, sondern Physiotherapeut. In der Folge bin ich in den Trainerberuf irgendwie reingerutscht und ab dann habe ich gearbeitet. Ich denke, dass mir die vergangenen Jahre geholfen haben. Ich habe viele Mannschaften bei kleineren Vereinen trainiert, wo Umfeld, Infrastruktur und Spielermaterial vielleicht nicht so perfekt waren. Ich habe mir immer alles erarbeiten müssen und wollen. Ich bin keiner, der Arbeit oder Energien scheut. Meine Frau sagt oft, ich würde den Job auch umsonst machen, weil ich so leidenschaftlich dabei bin. Diese Entwicklung, die ich durchgemacht habe, hat mir sicherlich nicht geschadet. Es gibt in anderen Ländern Trainer, die mit 33 Jahren oder jünger erfolgreich sind. In Österreich, und das muss ich schon betonen, braucht man ein gewisses Alter, um für die Bundesliga erfahren genug zu sein. Ich denke aber, dass sich die Trainer-Landschaft ein wenig ändert. Didi Kühbauer ist dahingehend etwa ein positives Beispiel für junge Trainer. Dadurch werden bei den Vereinen auch andere Ansichten entstehen und dieser Job wird anders betrachtet. Es gibt auch genügend junge gute Trainer, dafür muss man nicht immer ein Profi-Spieler gewesen sein.

LAOLA1: Eine große Diskussion entstand nach der Bestellung von ÖFB-Teamchef Marcel Koller. Der Schweizer gilt wie Sie als Taktiker und Analytiker. Ein richtiger Schritt des ÖFB?

Canadi: Ich gehöre zu jenen, die diese Bestellung nicht negativ bewerten. Ich glaube, er ist ein guter Mann für den Job. Man sollte ihn jetzt einmal arbeiten lassen. Dann kann man die Arbeit auch beurteilen. Leider wird die Entscheidung im Vorfeld aber schon wieder von vielen Herren sehr kritisiert. Das finde ich einfach nicht in Ordnung. Ich denke, die Schweiz hat auch eine hervorragende Trainerausbildung. Er hat ja nicht umsonst beim 1. FC Köln und beim VfL Bochum gearbeitet und ist zuvor in der Schweiz Meister geworden. Das hat er ja nicht irgendwie geschafft, sondern eine gewisse Karriere hingelegt. Diese Erfahrung, die er mittlerweile hat, sollte man respektieren. Er kann ein guter Mann für das österreichische Nationalteam werden.

LAOLA1: Wie sehen Sie die Trainer-Ausbildung in Österreich?

Canadi: Ich denke, wir haben in Österreich auch eine sehr gute Trainer-Ausbildung. Bei mir persönlich war es so, dass ich mit 30 Jahren damit begonnen habe und vom Wissensstand im Nirgendwo war. Trainer zu sein, ist ganz anderer Beruf, als Fußballer zu sein. Das kann man in keiner Weise vergleichen. Trainer zu sein, ist ein richtiger Job, früher war es mehr ein Hobby. Das hat sich geändert. In meiner Zeit bei Lok Moskau hatte Rashid Rachimov einen 18-Stunden-Tag. Bei so einem Verein ist man für eine komplette Organisation zuständig, muss etwa nicht nur die Mannschaft trainieren, sondern auch den Betreuerstab coachen und viele andere Dinge erledigen. Es ist ja nicht so, dass man heute eine Stunde am Platz geht und trainieren lässt. Das muss man sich vor Augen führen.

LAOLA1: Wie blicken Sie auf Ihre Zeit in Moskau zurück?

Canadi: In meiner Entwicklung war es ein wichtiger Teil. Ich war damals im Profi-Bereich tätig und das bei einem Verein mit 150 Millionen Euro Budget. Das habe ich in Österreich nie erleben dürfen. Dort gingen Transfers zwischen sechs und zehn Millionen Euro über die Bühne – so viel Budget haben die meisten Vereine in Österreich nicht einmal. Ich habe aber eben mit solchen Spielern arbeiten dürfen und habe gesehen, dass diese genauso Kommandos wie etwa jene in unserer Landesliga brauchen. Bei Chelsea habe ich zum Beispiel mitbekommen, dass Luiz Felipe Scolari zu Michael Ballack reingeschrien und ihm gesagt hat, er solle den und den Raum zumachen. Solche Spieler machen taktische Dinge auch nicht von alleine. Ein Arsene Wenger arbeitet ebenso Aspekte nach einem Spiel heraus, analysiert sie mit Video und versucht, im taktischen Bereich Dinge besser zu machen. Das sind für mich entscheidende Dinge, und das muss der Mannschaft mitgegeben werden.

 

Das Gespräch führte Bernhard Kastler