news

Die Gründe für Juves Weg zurück an die Spitze

Die Gründe für Juves Weg zurück an die Spitze

Vor zwölf Jahren stand Juventus Turin zuletzt im Halbfinale der Champions League.

Zwölf Jahre, in denen der Verein viel mitgemacht hat: Vom Tiefpunkt der Klub-Geschichte, dem Manipulationsskandal 2006, bis zur Rückkehr zum italienischen Vorzeige-Verein in den vergangenen Jahren.

Vier Meistertitel in Folge sind kein Zufall. Sie basieren auf professionellen Strukturen, einer klugen Transferpolitik und kontinuierlicher Aufbau-Arbeit.

Vor dem Halbfinal-Duell mit Real Madrid beleuchtet LAOLA1 die fünf Bausteine des Erfolgs der „Alten Dame“:

  • CALCIOPOLI

Eine Krise bietet immer auch die Chance für einen Neuanfang. Im Jahr 2006 erlebte Juventus den schwersten Rückschlag in der Geschichte des Klubs. Nachdem aufgeflogen war, dass General Manager Luciano Moggi über ein korruptes Netzwerk jahrelang Einfluss auf die Schiedsrichterwahl bei Juve-Spielen genommen hatte, wurden der „Alten Dame“ die Meistertitel der Jahre 2004 und 2005 aberkannt. Zudem mussten die Turiner als einziger vom Manipulationsskandal betroffener Verein den Gang in die Serie B antreten. Was folgte, war ein Exodus der großen Stars – unter anderem verließen Zlatan Ibrahimovic, Weltfußballer Fabio Cannavaro und Meister-Trainer Fabio Capello den Verein.

Gleichzeitig bot sich dadurch die Möglichkeit der Geburt von etwas Neuem. Mit Gianluigi Buffon, Giorgio Chiellini und Claudio Marchisio stehen heute noch drei absolute Führungsspieler im Kader von Juventus, die schon in der zweiten Liga mit dabei waren. Auch Alessandro del Piero und Pavel Nedved hielten dem Verein in der Serie B die Treue und spielten später eine wichtige Rolle: Der Eine als Rekordtorschütze, der andere als aktueller Team-Manager. Zudem gab es auch an der Vereinsspitze wichtige Veränderungen. Mit Jean-Claude Blanc kam jener Mann nach Turin, der ab 2007 den Bau des neuen Stadions vorantrieb. Calciopoli war eine Katastrophe für Juventus, aber auch ein Reinigungsprozess.

  • DER PRÄSIDENT

Nach dem Wiederaufstieg geriet die Restaurierung des Klubs ins Stocken. Auf die Endplatzierungen drei und zwei folgte ein enttäuschender sechster Rang in der Saison 2009/10. Daraufhin übernahm ein Mann den Präsidentschaftsposten, der den Verein nachhaltig verändern sollte: Andrea Agnelli. Sportlich steckte die „Alte Dame“ unter dem von ihm verpflichteten Trainer Luigi Delneri zwar weiter in der Krise (Platz sieben am Saisonende), wirtschaftlich reformierte der junge Unternehmer den Klub aber von Grund auf. „Ich habe das gesamte Management ausgetauscht. Nur Kompetenz zählt. Fußball ist ein besonderes Geschäft. Unser Produkt sind Tore, keine Schrauben, das macht einen Unterschied“, erzählt der studierte Ökonom in der „Zeit“.

Der Erfolgs-Präsident: Andrea Agnelli

Andrea ist das vierte Mitglied des mächtigen Agnelli-Clans, das an der Spitze von Juventus steht. Bereits sein Großvater, sein Onkel und sein Vater waren Präsidenten des italienischen Rekordmeisters. Seit 1923 steht Juventus im Mehrheits-Besitz der Fiat-Familie, die den Klub für die ArbeiterInnen ihrer Auto-Fabrik kaufte. „Als wir uns 2010 in der Familie zusammengesetzt haben, um über die Zukunft von Juventus zu beraten, fiel die Wahl deshalb auf mich, weil ich Erfahrungen im Sportmanagement vorweisen konnte“, erklärt Agnelli, der vor seiner Juve-Zeit bei Ferrari arbeitete.

Unter der Führung des 39-Jährigen steigerte sich der Jahresumsatz von 205 Mio. Euro nach der Saison 2009/10 auf 279,4 Mio. Euro nach der Spielzeit 2013/14. Damit erwirtschaftet die „Alte Dame“ innerhalb der Serie A mit Abstand das meiste Geld. Diese Professionalisierung fordert Agnelli im Sinne von Juventus für die gesamte Liga: „Meiner Ansicht nach müsste die Serie A wie die Premier League geführt werden, von Leuten, die die ganze Liga als Produkt voranbringen. Mit einem Businessplan für die Entwicklung und den Export unseres Fußballs.“

  • DAS STADION

Juves wirtschaftliche Vorherrschaft innerhalb der Serie A fußt auf dem Bau des neuen Stadions. Eröffnet im September 2011 beherbergt die moderne Arena, der auch ein Shopping-Center angeschlossen ist, Platz für 41.000 ZuschauerInnen, darunter 3.600 Premium-Sitzplätze und 64 Sky-Boxen. „Wir haben alle 28.000 Dauerkarten verkauft und letztes Jahr insgesamt 45 Millionen Euro eingenommen. Fast vier Mal so viel wie in unserem alten Stadion“, erklärt Präsident Agnelli nicht ohne Stolz. „Ein eigenes Stadion bedeutet nachhaltiges Wirtschaften. Allein unser Museum dort haben in den zweieinhalb Jahren seines Bestehens mehr als 400.000 Besucher besichtigt.“

In einer Liga, deren meiste Spiele in Beton-Schüsseln aus den 1980er-Jahren stattfinden, bietet eine solche Arena einen enormen Wettbewerbsvorteil. Die „Bianconeri“ sind (noch) der einzige italienische Spitzenklub, der im Besitz seines Stadions ist. Fast alle anderen Heimstätten der Serie A gehören den Gemeinden und wurden zuletzt zur WM 1990 modernisiert. Zudem spielt auch der Sicherheitsaspekt eine Rolle. Das Juventus-Stadion ist mit den modernsten Überwachungskameras ausgestattet. Krawallmacher können ohne Probleme ausgeforscht werden. „Wir wollen die Familien zu uns holen, denn die gehen auch ins Stadion-Restaurant, ins Café oder ins Museum. Wer Krawall sucht, nutzt keine Serviceangebote und vertreibt mir dazu noch die guten Kunden“, erklärt Agnelli seine Betriebs-Philosophie.

  • DIE TRANSFERPOLITIK

Andrea Pirlo und Paul Pogba ohne Ablöse, Arturo Vidal und Carlos Tevez zum Schnäppchenpreis. General Manager Giuseppe Marotta, den Agnelli 2010 von Sampdoria loseiste, bewies in den vergangenen Jahren am Transfermarkt immer wieder ein gutes Händchen. Nach seiner ersten Transferzeit, als er mit Milos Krasic (15 Mio. Euro) und Jorge Martinez (12 Mio. Euro) zwei klassische Transfer-Flops landete, sah sich der 59-Jährige noch mit heftiger Kritik konfrontiert. Seitdem überzeugte der ehemalige Atalanta-Manager, der von Vereins-Legende Nedved unterstützt wird, mit cleveren Einkäufen. Neben Pirlo oder Pogba machte sich vor allem der Wechsel von Tevez bezahlt – in 91 Spielen für Juve hält der 31-Jährige bei 49 Toren und 18 Assists.

Auffällig an der Transferpolitik: Mit Tevez, Pirlo, Patrice Evra oder auch Fernando Llorente verpflichteten die Turiner auffällig viele Spitzenspieler, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters für andere Top-Vereine nicht interessant erscheinen und dementsprechend wenig kosten. Auf der anderen Seite hat diese zur Folge, dass die Stammelf der Norditaliener einen Altersschnitt von knapp 30 Jahren aufweist. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss in den nächsten Jahren also ein Umbruch erfolgen. Umso wichtiger wäre ein Verbleib des heftig umworbenen Superstars Pogba. PSG soll angeblich ein 80-Millionen-Euro-Angebot für den 22-Jährigen, dessen Vertrag bis 2019 läuft, abgegeben haben.
Name Position bei Juve seit gekommen von Transfersumme (in €)
Gianluigi Buffon Tor 2001 Parma 52,88 Mio.
Stephan Lichtsteiner RV 2011 Lazio Rom 10 Mio.
Leonardo Bonucci IV 2010 Bari 15,5 Mio.
Giorgio Chiellini IV 2005 Fiorentina 7,5 Mio.
Patrice Evra LV 2014 Manchester United 1,5 Mio.
Andrea Pirlo DM 2011 Milan -
Arturo Vidal ZM 2011 Leverkusen 12,5 Mio.
Paul Pogba ZM 2012 ManUnited -
Claudio Marchisio ZM - Juve-Nachwuchs -
Carlos Tevez ST 2013 Manchester City 9 Mio.
Fernando Llorente ST 2013 Athletic Bilbao -

  • DAS ERFOLGSDUO

Es war der Beginn einer sportlichen Erfolgsstory. Als Antonio Conte im Sommer 2011 neuer Juventus-Trainer wurde, suchte er nach einem Spieler, um den er seine Mannschaft aufbauen konnte. Er fand Andrea Pirlo. Fast ganz Italien hatte den alternden Milan-Star schon abgeschrieben, doch bei Juventus erhielt der damals 32-Jährige einen Dreijahres-Vertrag. Der als harter Hund geltende Conte (O-Ton Pirlo: „Wenn Conte spricht, dann verletzen dich seine Wörter“) wusste seinen Neuzugang perfekt einzusetzen. Abgeschirmt von zwei anderen zentralen Mittelfeldspielern ließ er den Maestro aus dem Raum vor der Abwehr das Spiel dirigieren. Eine Erfolgsformel, mit der Juventus die Serie-A-Saison 2011/12 ohne eine einzige Niederlage beendete.

Mittlerweile zählt Pirlo schon fast 36 Lenze. Aufgrund anhaltender Verletzungsprobleme steht der Oldie nicht mehr ganz so im Fokus wie noch vor ein, zwei Jahren. An seiner Stellte rückte Pogba immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Grundsätzlich funktioniert das Juve-System aber auch unter Conte-Nachfolger Massimiliano Allegri so, wie es der aktuelle italienische Teamchef eingeführt hat: Mit einer sicheren, tief stehenden Abwehr, einer geballten Ladung Power in der Zentrale sowie eiskalten Stürmern. Der Stamm der Mannschaft hat sich in den vergangenen Jahren nicht verändert. Diese Kontinuität zeichnet Juve auch unter Allegri aus. Sie soll gegen Real ebenfalls zum Erfolg führen.

 

Jakob Faber