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Golden Paul

Golden Paul

„The best player in the world* (*in 2018)“, titelte das englische Fußball-Magazin „FourFourTwo“ in seiner Februar-Ausgabe.

Nun neigen Medien natürlich gerne mal zu Übertreibungen. Doch diese Einschätzung von Paul Pogbas Zukunft deckt sich mit jenen von überaus namhaften Spieler-Kollegen und Trainern.

Lionel Messi ist 27 Jahre alt, Cristiano Ronaldo hat seinen 30. Geburtstag eben erst hinter sich gebracht. Es mag aktuell zwar noch unwahrscheinlich wirken, doch die beiden Schwergewichte werden nicht für immer und ewig die unumstrittenen Dominatoren des Weltfußballs bleiben.

Wenn es um einen potenziellen Nachfolger der beiden geht, wird Pogba stets als einer der ersten Namen genannt.

Kein Ronaldo oder Messi, aber „perfekt“

Wenngleich festzuhalten ist, dass der Franzose nie ein neuer Ronaldo oder Messi werden wird. Dafür unterscheidet sich die Spielweise des Juve-Profis zu sehr von jener der beiden mehrfachen Weltfußballer. Der 21-Jährige ist weder eine Tormaschine, noch ein Dribblanksi, der mit x-fachen Übersteigern gegnerische Knöchel gefährdet. Das liegt in erster Linie daran, dass Pogba keine klassische Offensivkraft, sondern ein Box-to-Box-Spieler ist. Selten unspektakulär, oft unheimlich effizient.

Paul Pogba als Nachwuchsspieler von Manchester United

Wenn Pogba über die Zeit rund um den Sommer 2012, als er Manchester United nach nur drei Premier-League-Einsätzen im Streit in Richtung Turin verlassen hatte, spricht, hat man ein wenig mehr Verständnis für seine damalige Entscheidung: „Ich habe Ferguson gesagt, er solle mich spielen lassen und ich würde ihm zeigen, dass ich bereit bin. Dann hat er gegen Blackburn Rafael zu Ji-Sung Park ins Mittelfeld gestellt. Das war der Moment, an dem ich aufgegeben habe.“

Dass sein Manager Mino Raiola mit seiner exzentrischen, großmäuligen Art nicht unbedingt zur Beruhigung der damaligen Situation beigetragen hat, liegt auf der Hand.

„Sind die blind in Manchester?“

37 Pflichtspiele (2.263 Minuten) in seiner ersten Saison bei Juventus belegen auch, dass Pogba tatsächlich bereit war. Keeper Gianluigi Buffon erinnert sich an die ersten Tage des Neuzugangs: „Er ist einer dieser Spieler, bei denen du sprachlos bist. Wir haben ihn nicht gekannt, als er zu uns gekommen ist, aber nach drei, vier Trainings waren wir von seinen enormen Qualitäten beeindruckt. Meine Kollegen und ich haben uns angesehen, als ob wir sagen wollten: ‚Sind die blind in Manchester?‘“

Rio Ferdinand sagt über den jungen Pogba bei Manchester: „Ich erinnere mich daran, dass ihm Paul Scholes in jedem einzelnen Training die Lichter ausgetreten hat. Aber er hat unseren Respekt gewonnen, weil er sich nie beschwert hat. Er wollte immer nur den Ball. Diese Einstellung hat ihm geholfen, sich weiterzuentwickeln.“

Die ganz großen Franzosen

In der Obhut der „alten Dame“ wurde aus dem bis dahin ziemlich unbekannten Franzosen „Il Polpo Paul“ („die Krake Paul“) – wegen seiner langen Extremitäten und dem Anschein, auf dem gesamten Feld Zugriff auf Gegner und Ball zu haben.

„Fußballerisch hat er alles. Es ist schwierig, bei ihm eine Schwäche auszumachen. Er hat das Potenzial, um den Ballon d’Or zu gewinnen“, sagt Arsenal-Coach Arsene Wenger über den 22-fachen Internationalen.

Zinedine Zidane stößt ins selbe Horn: „Was er in seinem Alter macht, ist ganz groß! Wenn er sich weiter so entwickelt, kann er einer der besten Spieler aller Zeiten werden.“ Auch Andrea Pirlo kommt ins Schwärmen: „Er hat alles: Physis, Technik und ein Auge für das Tor. Er ist perfekt. Er kann eine Ära markieren.“

Der Teenager, der als undankbar galt

Das Bild des Jungen aus Lagny-sur-Marne in der Nähe von Paris hat sich im Laufe der vergangenen Jahre geändert. Am Beginn seiner Profi-Karriere wurde er in Öffentlichkeit als undankbarer und arroganter Teenager wahrgenommen. Das Talent, das dem großen Sir Alex Ferguson einen Korb gegeben hatte, weil es dem schottischen Trainer-Guru nicht vertraute.

"Ich denke, dass es eine Menge Spieler gibt, die besser als ich sind"

Pogba weiter: „Ich denke, dass es eine Menge Spieler gibt, die besser als ich sind. Ich bin erst am Anfang, aber das einzige Hindernis, dass mich stoppen kann, bin ich selbst. Ich muss mich weiter entwickeln und immer mehr wollen. Mein Ziel ist es, der beste Spieler der Welt zu werden.“

Der Arbeitsethos eines schlechten Verlierers

Dass sich der Franzose mit nicht weniger als dem Maximum zufrieden gibt, war schon im Alter von sechs Jahren zu sehen. Sein damaliger Trainer bei US Roissy-en-Brie, Mamadou Papis Magassa erzählt: „Der große Unterschied zu den anderen Spielern – abgesehen von seinem Talent – war seine Arbeitseinstellung. An einem Montag habe ich ihnen mal gesagt, dass sie den Ball 50 Mal mit dem rechten Fuß, 50 Mal mit dem linken Fuß und 50 Mal mit dem Kopf jonglieren sollen. Paul hat es nicht geschafft. Doch er hat die ganzen nächsten zwei Tage damit verbracht, zu üben und am Mittwoch konnte er es. Er war immer schon ein schlechter Verlierer.“

Auch in den Jahren darauf scheint der Erfolg dem 21-Jährigen nie zu Kopf gestiegen zu sein. Pierre Mankowski, früher U21-Teamchef der Franzosen, sagt: „Als er in der U17 zu mir gekommen ist, war er 15 Jahre alt und hat schon gespielt wie ein Kapitän. Es gab weitaus weniger talentierte Jungen in seiner Altersklasse, die sich benommen haben wie sie wollten. Doch Paul hat nie Probleme gemacht, er wusste genau, wo er hin wollte und ist seinen Weg gegangen.“

Mittlerweile ist Pogba als Stammspieler auf dem Weg zu seinem dritten Meistertitel. In Frankreich stockt ihnen ob dieser Erfolge der Atem. Wenn Pogba in seiner Heimat mit den ganz großen Franzosen des Spiels verglichen wird, fällt das Ergebnis so aus: Michel Platini spielte in diesem Alter noch für Nancy, Zidane war in seiner ersten vollen Saison mit Bordeaux und Franck Ribery kickte in Brest.

Patrick Vieira, mit dem der Juve-Star oft verglichen wird, stellt den Youngster auf eine höhere Stufe als sich selbst: „Er ist sicher talentierter als ich – auch auf einem technischen Level. Ich habe defensiver gedacht, er achtet mehr auf die Offensive, kann in jeder Saison zehn bis 15 Tore schießen.“

Fabio Capello: „Es gibt keine anderen Mittelfeldspieler, die diese Rhythmuswechsel mit seiner Technik vereinen. Er hilft der Abwehr, presst Gegenspieler und kann schießen. Pogba ist der einzige Spieler, der im Fußball wirklich alles kann.“

Der letzte Schliff fehlt

Bisher hat der Mittelfeldspieler in 118 Pflichtspielen für Juve 22 Treffer erzielt und 21 Assists geliefert. Er hat definitiv noch Luft nach oben. Doch genau dieser Umstand lässt so viele vermuten, dass Pogba einmal der beste Spieler der Welt werden kann – ein Ende seiner Entwicklung ist nicht absehbar. Der Rohdiamant funkelt zwar schon ein wenig, der letzte Schliff fehlt aber noch.

„Sein Fortschritt im ersten Jahr bei Juve war unglaublich“, sagt sein Ex-Trainer, der nunmehrige Italien-Teamchef Antonio Conte. Sein aktueller Coach, Massimiliano Allegri erklärt: „Er hat seine Qualitäten noch nicht einmal alle erkannt. Er ist dazu bestimmt, zu wachsen und der Beste der Welt zu werden.“

„Ich bin immer noch ein Niemand“

„Der Beste der Welt.“ Diese vier Worte hört und liest der 21-Jährige fast täglich über sich selbst. Seine größte Herausforderung dieser Tage dürfte sein, es nicht zu glauben. Tatsächlich versichert er stets, am Boden zu bleiben. „Ich bin immer noch ein Niemand. Was habe ich in meiner Karriere schon erreicht? Nichts! Ich sehe mich hier bei Juve um, sehe Pirlo und Buffon – ich lerne von diesen wahren Champions“, sagt er.

Der alles entscheidende Schritt

Dass der Weg zum besten Fußballer der Welt aber vermutlich nicht als Juventus-Spieler beschritten werden kann, ist offenbar auch Pogba und seinem Berater klar. Dass sein Vertrag in Turin erst im Herbst bis 2019 verlängert wurde, sollte diesbezüglich nicht überbewertet werden.

Raiola sagt: „Den Vertrag zu verlängern, war eine einfache Entscheidung. Wenn wir nicht unterschrieben hätten, wäre Pauls Position geschwächt gewesen. Ich möchte, dass der Klub, der ihn kauft, fest an ihn glaubt und bereit ist, für ihn zu bezahlen. Wenn Paul Juventus verlässt, dann für einen Spitzenpreis. Wenn es nicht in diesem Jahr geschieht, dann passiert es im nächsten Jahr.“

Es koste mindestens 100 Millionen Euro, um den Jungstar von der „alten Dame“ loszueisen. Dass von Real Madrid über den FC Barcelona bis hin zum FC Bayern – auch Paris St. Germain, Chelsea und Manchester City sollten nicht unerwähnt bleiben – alle ganz großen Klubs Interesse haben, ist klar.

Ebenso klar ist, dass der nächste Wechsel für den Franzosen entscheidend sein wird. Denn nur wenn alles perfekt passt, wenn Pogba unumstrittener Stammspieler ist und jede Menge Titel holt, kann er das werden, was so viele von ihm erwarten – der beste Spieler der Welt.

Harald Prantl