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Es geht "nur" um seinen Job

Es geht

Das Champions-League-Viertelfinal-Rückspiel zwischen dem FC Chelsea und Benfica Lissabon wird für den Coach der Engländer ein Endspiel.

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Schon wieder.

Seit Roberto Di Matteo das Traineramt der „Blues“ übernommen hat, ist er auf Bewährung. Er ist zum Siegen verdammt, wenn er seinen Job über die Saison hinaus behalten will. Die Rückkehr ins zweite Glied wäre ein plötzliches Aus am Höhepunkt.

Parallelen zu seiner Spielerkarriere sind nicht von der Hand zu weisen.

Anfänge in der Schweiz

Der Sohn italienischer Eltern wächst in der Schweiz auf. Er startet seine Profilaufbahn in Schaffhausen und landet über Zürich in Aarau. Dort wird er gleich in seiner ersten Saison Meister und zieht durch starke Leistungen die Aufmerksamkeit der Schweizer Nationalmannschaft und Lazio Rom auf sich.

Dem Wechsel zu den Römern stimmt er zu, das Angebot der Eidgenossen schlägt er aus. Der junge Mittelfeldstratege ist sich sicher, gut genug für die Auswahl der Italiener zu sein.

Von Italien nach England

Und er sollte Recht behalten. Bei den Hauptstädtern reift er zum Teamspieler und steht auch im Kader der Italiener bei der EM 1996 und der WM 1998. Insgesamt streift er das Trikot der „Squadra Azzurra“ 34 Mal über.

Nachdem er sich mit dem damaligen Lazio-Trainer Zdenek Zeman überwirft, wechselt er 1996 zum FC Chelsea. Dort verbringt er seine erfolgreichste Zeit.

Di Matteo wird in England zum Star
Der Mittelfeldspieler erzielt in 162 Spielen für die „Blues“ 24 Tore und bereitet zahlreiche vor. Er gewinnt zweimal den FA-Cup und je einmal den Liga Cup, den Pokal der Pokalsieger und den europäischen Supercup.

In beiden FA-Cup-Finalspielen gelingt ihm ein Tor. Er avanciert zum absoluten Publikumsliebling an der Stamford Bridge. Di Matteo ist am Höhepunkt seiner Karriere.

Unfreiwilliges Karriereende

Doch dann kommt der 28. September 2000. Der Tag, den der Familienvater laut eigenen Angaben „nie vergessen“ wird. Im Rückspiel der ersten UEFA-Cup Runde gegen den FC St. Gallen stößt Di Matteo im Zweikampf unglücklich mit seinem Gegenspieler Daniel Imhof zusammen.

Dabei zieht er sich einen dreifachen Schien-und Wadenbeinbruch zu, bei dem auch Nerven in Bein und Fuß durchtrennt werden. 18 Monate arbeitet der Mittelfeldmotor an seinem Comeback, bestreitet aber kein Spiel mehr.

Im Februar 2002 muss er im Alter von nur 31 Jahren seine Karriere beenden. „Es ging alles so schnell“, sagt Di Matteo Jahre später der englischen Presse und meint zugleich den Zusammenstoß mit Imhof und das Ende seiner aktiven Karriere.

Er erleidet eine Depression, will vom Fußball nichts mehr wissen und braucht Jahre, um dieses Trauma zu verarbeiten.

Vier Jahre Coaching-Erfahrung

Erst 2008 wagt er als Trainer des Drittligisten Milton Keynes Dons den Weg zurück ins aktive Fußballgeschäft.

Nach einer erfolgreichen Spielzeit, die beinahe mit dem Aufstieg in die zweithöchste Spielklasse endet, unterschreibt er bei West Bromwich Albion, und führt die „Baggies“ gleich in seiner ersten Saison zurück in die Premier League.

Dort geht er am ersten Spieltag ausgerechnet gegen Chelsea mit 0:6 baden. Auf diesen Nackenschlag folgt jedoch der beste Start aller Zeiten von West Brom in der höchsten englischen Spielklasse.

Im September 2010 wird Di Matteo sogar zum „Manager des Monats“ gekürt. Zwischen Dezember 2010 und Jänner 2011 setzt es allerdings eine Serie von zehn Niederlagen in elf Spielen. Die Verantwortlichen ziehen die Reißleine, obwohl die Fans weiter hinter ihrem Trainer stehen.

Noch klatscht Roman Abramovich
Rückkehr zu Chelsea

Im Sommer 2011 kehrt der verlorene Sohn schließlich zu seiner alten Liebe Chelsea zurück. Er wird Co-Trainer von Andre Villas Boas, der ihn wegen seiner Erfahrung als Spieler haben will.

Und als der Portugiese am 3. März 2012 – ausgerechnet nach einer 0:1-Niederlage gegen West Bromwich - vor die Tür gesetzt wird, steigt Di Matteo interimistisch zum Head Coach auf.

Gelungener Einstand

Die Mission „langfristiger Head-Coach-Vertrag“ beginnt denkbar gut für den Italiener. Er startet mit vier Siegen in Serie, darunter das vielumjubelte 4:1 nach Verlängerung gegen Napoli, das den Aufstieg ins Viertelfinale der Champions League bedeutet.

Nach einem Zwei-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel ist dieses Kunststück erst vier Mannschaften in der Königsklasse gelungen. Die Fans liegen ihm zu Füßen, und auch Klub Eigentümer Roman Abramovich ist zufrieden.

Di Matteo hat sich innerhalb von vier Jahren von der dritten Liga bis ins Champions-League-Viertelfinale gecoacht. Gut Zehn Jahre nach seiner schweren Verletzung steht er wieder am Höhepunkt, diesmal als Coach.

Erster Gegenwind

Doch nach der 1:2-Niederlage gegen Titelanwärter Manchester City und dem 0:0 gegen Tottenham, dem direkten Konkurrenten um den vierten Platz in der Premier League, sägt die „Sun“ schon an Di Matteos Trainerstuhl.

Das Boulevardblatt wirft ihm vor unnahbar, kühl und arrogant zu sein. Er käme mit den Leithammeln Frank Lampard, John Terry und Didier Drogba genauso wenig aus, wie sein Vorgänger.

„Alles Quatsch“, meint sein ehemaliger Coach und Mentor Rolf Fringer. „Ich glaube, die Spieler haben ihn sehr gern. Roberto ist clever und psychologisch sehr geschickt. Er dachte schon als 20-Jähriger wie ein Trainer. Er war mein verlängerter Arm auf dem Platz.“

Unter dem neuen Trainer Di Matteo jubelt Fernando Torres wieder

Torres trifft wieder

Und auch von Seiten der Spieler hört man kein Wort der Kritik. Im Gegenteil, Di Matteo genießt das Vertrauen der Stars, und er gibt es ihnen zurück.

Fernando Torres, der unter Villas Boas die wohl schwächste Phase seiner Karriere erlebt, scheint nicht zuletzt dank des 41-Jährigen wieder in Form zu kommen.

In den letzten fünf Spielen erzielt er drei Treffer und bereitet fünf vor.  Und im Viertelfinal-Hinspiel gegen Benfica markiert Salomon Kalou, der unter Villas Boas keine Rolle gespielt hat, den 1:0-Siegtreffer.

Startrainer nicht interessiert

Di Matteo gilt trotzdem nur als Übergangslösung. Abramovich, will einen Trainer mit einem großen Namen.

Bis dato hagelt es jedoch nur Absagen. Die Wunschkandidaten Jose Mourinho und Jürgen Klopp haben bereits freundlich aber bestimmt abgesagt, Pep Guardiola lässt seine Zukunft weiter offen, und gegen den ehemaligen Liverpool-Coach Raphael Benitez laufen die Anhänger sturm.

Von Seiten der Startrainer droht dem Interimscoach also noch keine Gefahr. Abramovich lässt sich aber wohl nur durch Siege, besser noch durch Titel, überzeugen, den Liebling der Fans weiter im Amt zu lassen.

Der Aufstieg ins Halbfinale der Königsklasse würde Di Matteos Position jedenfalls weiter festigen. Und Angesichts der Ausgangposition aus dem Viertelfinal-Hinspiel darf er weiter hoffen, dass seine Trainerkarriere ähnlich seiner Laufbahn als Spieler nicht am Höhepunkt vorerst ein jähes Ende nimmt.

 

Fabian Santner