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Möller: "Alaba ist noch lange nicht am Höhepunkt"

Möller:

Galionsfigur, Idol, Star oder Legende.

Diese Synonyme spuckt der Duden aus, wenn man nach Ikone sucht.

Begriffe, die allesamt auf Andreas Möller zutreffen. Der 45-Jährige hat in seiner Profikarriere alles gewonnen, was es im internationalen Fußball zu gewinnen gibt.

Alles abgeräumt

EM- und WM-Titel mit Deutschland, den UEFA-Cup mit Juventus Turin sowie den Weltpokal und die Champions League mit Borussia Dortmund.

Im Rahmen des "talk@eichenheim" in Kitzbühel hatte LAOLA1 die Möglichkeit, ausführlich mit Andreas Möller über "seine" Borussia und das bevorstehende Champions-League-Finale zwischen dem BVB und dem FC Bayern zu sprechen.

Zudem äußerte er sich über den umstrittenen Wechsel von Mario Götze und zeigt sich begeistert von David Alaba.

LAOLA1: Herr Möller, der deutsche Fußball ist derzeit in aller Munde. Mit Borussia Dortmund und dem FC Bayern bestreiten zwei Bundesligisten das Champions-League-Finale. Eine Tendenz, die absehbar war?

Andreas Möller: Absolut, das konnte man fast schon vorhersehen. Bayern München war hierbei ganz klar federführend. Der Verein ist über Jahre hinweg in Europa vorne vertreten und ganz sicher das Aushängeschild des deutschen Fußballs. Borussia Dortmund hat zudem in einem unglaublichen Tempo in den letzten Jahren aufgeholt, das hätte auch niemand für möglich gehalten. Da sieht man, wie gut dort gearbeitet wurde. In der Tat muss man sagen, wenn man die Auftritte der A-Nationalmannschaft sieht oder wie ich viele Jugend-Länderspiele beobachtet, dass man sich keine Gedanken um den deutschen Fußball machen muss. Vor allem, wenn man sieht, was noch nachkommt.

LAOLA1: Spanien hat in den letzten Jahren den internationalen Fußball dominiert. Erleben wir eine Wachablösung?

Möller: Wir haben nicht nur aufgeholt, wenn man uns mit Spanien als Nonplusultra der letzten Jahre vergleicht. Wir sind fast schon vorbei gezogen. Die letzten Ergebnisse haben das eindeutig unterstrichen, die Bundesliga ist enorm stark.

LAOLA1: Am Samstag kommt es im Wembley-Stadion zum ultimativen Duell. Wer ist ihr Favorit im Finale?

Möller: Ein Endspiel hat seine eigenen Gesetze, das bedeutet eigentlich 50:50. Natürlich ist immer die Tagesform entscheidend, dennoch sehe ich Bayern München in der leichten Favoritenrolle. Nichtsdestotrotz ist Borussia Dortmund in der Lage, die Bayern zu schlagen. Ich freue mich sehr, dass diese beiden Mannschaften das Finale bestreiten. Die Art und Weise, wie Dortmund diese Champions-League-Saison absolviert hat, war sehr beeindruckend. Real Madrid im Grunde genommen zweimal hinter sich gelassen – das muss man auch erst einmal bewerkstelligen. Bayern ist andererseits die Mannschaft, die derzeit hemmungslos alle anderen hinter sich lässt. Das Spiel ist eines auf Augenhöhe.

Andreas Möller sieht in Bastian Schweinsteiger einen echten Leader

Möller: Nein, nicht unbedingt. Auch die aktuelle Generation kann große Titel holen. Natürlich wünscht man sich im einen oder anderen Moment einen Spieler wie Jürgen Kohler oder Lothar Matthäus, die dann, wenn es nicht so lief, ein Zeichen setzten. Das kann aber ein Schweinsteiger auch. Bei der EURO war er im letzten Jahr nicht fit, aber er hat jetzt Bayern zu zwei Siegen über Barcelona geführt. Er ist auch in der Lage, das im Nationalteam zu zeigen.

LAOLA1: Bei den Bayern gibt es seit einigen Wochen Aufruhr aufgrund der Steueraffäre um Uli Hoeneß, das Thema ist in den Medien omnipräsent. Am Präsidenten scheiden sich die Geister - wie betrachten Sie den Fall?

Möller: Das ist ein ganz schwieriges Thema. Die Fußball-Familie – und dazu zähle ich alle, die mit ihm zu tun haben – hofft natürlich, dass er da gut rauskommt. Auch ich gehöre zu denjenigen. Wir können allerdings nur das aufnehmen, was uns die Medien liefern. Beitragen können wir ja nichts. Natürlich wünsche ich ihm aber, dass die Geschichte gut für ihn ausgeht.

LAOLA1: Abschließend muss ich Sie natürlich um einen Ergebnistipp bitten. Wie geht's am Samstag aus?

Möller: Das soll kein Herzenstipp sein, auch wenn mir die Borussia sehr nahe liegt und ich dem Verein viel zu verdanken habe. Ich würde mich aber über einen Champions-League-Sieg Dortmunds freuen und werde meine Daumen dafür drücken.

LAOLA1: Den Tipp sind Sie mir jetzt aber noch schuldig.

Möller: (lacht) Gut, mein Tipp ist ein 2:1 für die Borussia nach regulärer Spielzeit.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Christoph Nister

LAOLA1: Wenn Sie die beiden Kontrahenten betrachten: Was spricht für den BVB?

Möller: Der Vorteil für Dortmund liegt darin, dass die Mannschaft schwer auszurechnen ist. Gerade im Offensivbereich sind viele Spieler flexibel einsetzbar. Es wäre schade, sollte Mario Götze aufgrund seiner Verletzung nicht zum Einsatz kommen. Mit ihm wäre das Spiel der Dortmunder noch viel variabler. Insgesamt ist das eine selbstbewusste Mannschaft mit einem Trainer, der ein echter Motivationskünstler ist. Es ist einfach unangenehm, gegen Dortmund zu spielen.

LAOLA1: Worin liegt der Vorteil der Bayern?

Möller: Bayern hat große individuelle Klasse und trotzdem eine hohe mannschaftliche Geschlossenheit, die besonders in dieser Saison zum Vorschein gekommen ist. Das war auch die große Stärke, um so erfolgreich zu sein. Genau das hat in den letzten ein, zwei Jahren noch gefehlt. Insgesamt sind es zwei Mannschaften, die unglaubliche Qualität auf den Platz bringen.

LAOLA1: Mario Götzes Transfer vom BVB zum FC Bayern hat für Wirbel gesorgt. Sie haben sich vor 13 Jahren ebenfalls dazu entschieden, zu einem Erzrivalen (Schalke 04, Anm.) zu wechseln. Kann man die Situation vergleichen?

Möller: Da kann man keine Parallelen ziehen. Mario Götze ist ein 20-jähriger Fußballer, der ein tolles Angebot bekam und deshalb zum FC Bayern wechselt. Auf mich umwandeln kann man das aber nicht. Ich war bei meinem Wechsel zu Schalke ein gestandener Profi und in einem gesetzten Alter (33 Jahre, Anm.). Ich habe noch einmal eine neue Herausforderung gesucht. Schalke 04 war natürlich der Erzrivale, das ist schon richtig. Ansonsten gibt es aber kaum Parallelen.

LAOLA1: Haben Sie Verständnis für Götzes Entscheidung?

Möller: Eigentlich nicht. Er hatte bei Borussia Dortmund fantastische Voraussetzungen, die auch für seine Weiterentwicklung gut waren. Er hatte eine fantastische Mannschaft, einen tollen Trainer und ein Umfeld, das ihn liebte. Daher erscheint mir der Wechsel nicht ganz logisch. Ich war auch sehr überrascht und hätte ihn gerne weiter in Dortmund gesehen.

LAOLA1: Sie waren ein Held in Dortmund, haben mit dem Klub die Champions League gewonnen. Warum haben Sie ihren Status aufs Spiel gesetzt?

Möller: Man muss sich das so vorstellen, dass ich natürlich auch mit Dortmund über einen neuen Vertrag gesprochen habe. Dabei habe ich erkannt, dass es dort nicht mehr in der Form weiter geht, wie ich mir das vorgestellt hatte. Die Anerkennung war nicht mehr so gegeben wie zuvor. Irgendwann standen die Zeichen auf Abschied. Dass es Schalke wurde, lag auf der einen Seite an der unglaublichen Überredungskunst des Rudi Assauer, der es tatsächlich geschafft hat, mich zu diesem Schritt zu überreden, andererseits war ich noch voll im Saft und wollte einige Jahre auf hohem Niveau spielen.

LAOLA1: Das fehlende Vertrauen hat sie zum Wechsel veranlasst?

Möller: Ja, ich habe gemerkt, dass die Verantwortlichen nicht mehr zu 100 Prozent hinter mir standen. Es ist aber wichtig für einen Fußballer zu spüren, dass einen die handelnden Personen wirklich wollen. Es war sicher kein einfacher Schritt, aber ich hatte bis dahin schon viele Drucksituationen zu überstehen. So war es für mich sicher einfacher zu verarbeiten als jetzt für Mario Götze, der in jungen Jahren – und vor allem in dieser Dimension – bei einem Erzrivalen anheuert.

LAOLA1: Götzes Wechsel hat eine Stildebatte ausgelöst. Die Dortmunder haben sich über die Vorgangsweise der Münchner beschwert. Wie beurteilen Sie den Fall?

Möller: Bayern München ist ein Verein, der den Markt gut kennt und sehr genau beobachtet. Der Klub achtet darauf, wie er sich aufstellen muss, um möglichst viele Titel zu feiern. Dass Dortmund die Bayern in den letzten Jahren mehr als nur geärgert hat, ist nicht wegzudiskutieren. Dass Protagonisten dieser Borussia-Mannschaft sehr begehrt sind – nicht nur bei Bayern, sondern in ganz Europa – steht auch außer Frage. So gesehen glaube ich, dass es legitim ist, sich um Klassespieler zu bemühen. Ein gewisser Beigeschmack bleibt aber doch. Da hat man sicher im Hinterkopf, Borussia Dortmund nicht stärker zu machen als notwendig.

LAOLA1: Ist der Verlust dieses Supertalents für den BVB zu verkraften?

Möller: Der Wechsel tut der Borussia sicher weh. Andererseits glaube ich aber auch, dass Dortmund durchaus in der Lage ist, den einen oder anderen großen Transfer aus dem Hut zu zaubern. Ich mache mir da keine großen Sorgen. Die Borussia wird auch in den nächsten Jahren in großer Konkurrenz zu Bayern München stehen.

LAOLA1: Was Götze für Deutschland darstellt, verkörpert David Alaba in Österreich. Wie beurteilen Sie seinen Werdegang?

Möller: Er hat eine fantastische Entwicklung hingelegt. Der Junge ist rotzfrech. Er ist ja schon einige Jahre in München, hat die Jugendmannschaften miterlebt und kennt das Umfeld. Alaba hatte zur richtigen Zeit den richtigen Trainer und immer hart an sich gearbeitet. Er hat sich stetig weiterentwickelt und nie nachgelassen. Sich als junger Spieler bei den Bayern durchzusetzen, ist wirklich nicht einfach. Da sieht man, dass er eine großartige Zukunft hat, zumal er noch lange nicht am Höhepunkt seiner fußballerischen Laufbahn angekommen ist. Er ist ein fantastischer und unglaublich sympathischer Spieler, der mit Athletik und Spielintelligenz besticht. Die österreichische Nationalmannschaft bräuchte mehr Spieler seines Kalibers, dann würde es auch international vorangehen.

LAOLA1: Im Fokus stehen auch die beiden Erfolgstrainer, Jürgen Klopp und Jupp Heynckes. Was zeichnet sie aus?

Möller: Es sind zwei unterschiedliche Trainertypen. Ich kann die Trainer nur als Außenstehender beurteilen, aber jeder hat genau die richtige Art, um mit seinem Klub erfolgreich zu sein. Die Voraussetzungen waren natürlich bei Bayern München immer schon andere als anderswo in Deutschland. Jupp Heynckes bekommt Spieler, die er haben will. Bayern hatte einfach schon immer eine Sonderstellung. Bei Dortmund war es ein Entwicklungsprozess. Klopp hat super reingepasst, die Mannschaft zusammengestellt und entwickelt. Heynckes ist eben der erfahrene Trainer, der aufgrund seiner Vita fast schon ein Guru ist. Was beide vereint, ist, dass sie es schaffen, die Mannschaft hinter sich zu haben. Das ist das A und O im Fußball. Du musst es als Trainer schaffen, dass deine Spieler für dich durchs Feuer gehen und bedingungslos umsetzen, was du willst. Nur dann kann es klappen. Man sieht aber, dass Erfolg keine Frage des Alters ist.

LAOLA1: Der aktuellen Spielergeneration wird vorgeworfen, dass sie keine echten Typen hervorgebracht hat. Liegt das daran, dass den Spielern noch ein großer internationaler Titel fehlt?