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"Die Automatismen haben nicht gegriffen"

Es ist die berühmte Frage nach dem halbvollen oder halbleeren Glas.

Sturm Graz hat zum siebten Mal in Folge nicht verloren, in den vergangenen elf Liga-Spielen setzte es überhaupt nur eine Niederlage.

Die Nullnummer bei Austria Wien war allerdings auch das dritte Remis in Serie, weshalb man im Kampf um den zweiten CL-Qualifikations-Startplatz nicht so recht vom Fleck kommt.

Man kann sich womöglich auf folgende These einigen: Die Steirer befinden sich zurzeit – auch personell bedingt – nicht in ihrer besten Phase, stehen am Matchende aber zumindest nicht mit leeren Händen da.

„Man kann es jetzt natürlich negativ sehen“

  • Nach dem 4:4 in Wiener Neustadt ärgerten sich die Sturm-Kicker maßlos über ihre über weite Strecken schwache Leistung, gleichzeitig bewiesen sie jedoch Moral, indem sie zwei Mal mit Doppelschlägen jeweils einen Zwei-Tore-Rückstand aufholten.
  • Beim 2:2 gegen Rapid in einem sehr guten Bundesliga-Spiel sorgte Sturm für weniger Gefahr für das Tor des Gegners, bewies jedoch Effizienz, da man zwei der wenigen Chancen verwertete.
  • Auch beim 0:0 in Wien-Favoriten war die Leistung lange Zeit nicht das Gelbe vom Ei, allerdings wurde ein reguläres Tor von Josip Tadic nicht anerkannt.

„Man kann es jetzt natürlich negativ sehen, aber ich sehe das Positive: Wir haben schon wieder nicht verloren und kein Tor kassiert“, ordnete Christian Gratzei die Partie ein.

Klems vier Gedanken

Nachdem der Sturm-Goalie zuletzt den einen oder anderen Gegentreffer auf seine Kappe nehmen musste, hielt er seine Mannschaft diesmal gleich von Beginn an, als er einen Kopfball von Alexander Gorgon mit einem starken Reflex parierte, im Spiel.

Das Problem der Elf von Franco Foda war wie schon gegen Rapid, als man ebenfalls kaum Möglichkeiten kreierte, das Spiel nach vorne.

Vor allem in den ersten 45 Minuten ging in der Offensive wenig bis gar nichts, wenn man von einer Szene, als Christian Klem von Simon Piesinger ideal freigespielt wurde, absieht.

„Da hatte ich klassisch vier Gedanken auf einmal im Kopf. Was dann im Endeffekt rauskommt, ist natürlich eine Katastrophe. Aber so etwas passiert leider“, meinte der 24-Jährige, der sich noch von Fabian Koch entscheidend stören hatte lassen.

Foda korrigiert seine Aufstellung

Klem war Teil einer völlig neu formierten Offensivreihe. Der Linksverteidiger rückte nach vor auf den linken Flügel, wo er in der Jugend stets zum Zug gekommen war: „Ganz ungewohnt war es natürlich nicht, ich habe dort ja früher schon gespielt, aber das ist mittlerweile auch schon vier Jahre her.“

Das Fehlen von Roman Kienast, der wie die Stammkräfte Michael Madl und Anel Hadzic gesperrt war, versuchte Foda mit einer Doppelspitze bestehend aus Daniel Beichler und Andreas Gruber zu kompensieren. Dafür beließ er Donis Avdijaj diesmal auf der Bank – Überlegungen, die nicht wirklich aufgingen.

„Die erste Halbzeit war von unserer Seite nicht gut, vor allem das Spiel mit dem Ball. Wir hatten zwar gute Balleroberungen, aber keine Umschaltmomente, weil wir den Ball vorne nicht gut gehalten haben, weswegen wir auch nicht nachrücken konnten“, analysierte Foda, der seine Aufstellung nach knapp einer Stunde korrigierte:

„Nach den Einwechslungen von Tadic und Avdijaj hatten wir mehr Tiefe im Spiel. Donis hat sich gut in den Räumen zwischen den beiden Viererketten von Austria Wien bewegt.“

Avdijaj war es auch, der zu Beginn der Nachspielzeit den Matchball auf einen Last-Minute-Sieg vergab. Dies war einer von nur fünf schwarz-weißen Torschüssen, während die Statistik 17 Versuche der Austria registrierte.

„Haben ein bisschen auf die Offensive vergessen“

Zuletzt musste Foda seine eingespielte Formation immer wieder umbauen. Der Verdacht, dass sein Team deshalb den in den Wochen davor unter Beweis gestellten Schwung ein wenig verloren hat, liegt nahe.

Die Diagnose ließ der 49-Jährige zu, die Ausrede nicht: „Das ist doch normal. Man muss gewisse Dinge verändern. Es kommen Spieler, die länger nicht gespielt haben und eine gewisse Anlaufzeit brauchen. Trotzdem hätten wir in der ersten Halbzeit besser spielen können – auch mit den vielen Ausfällen.“

„Es ist schwierig, wenn man von Spiel zu Spiel immer umstellen muss. Die Automatismen haben nicht so gegriffen. Da geht es oft um ein, zwei Meter“, erläuterte Gratzei, „wir haben zwar einen breiten Kader, und die Spieler haben ihre Sache auch gut gemacht, aber natürlich schaut man dann zuerst einmal, dass man sicher steht. Dabei haben wir vielleicht ein bisschen die Offensive vergessen.“

Laut Klem dürfe man die Abstimmungsprobleme jedoch „nicht merken. Wir haben zwar das erste Mal so zusammengespielt, aber das ist egal, wir trainieren ja auf diesen Positionen. Wir sind alle Fußballer, da müsste die Umstellung eigentlich egal sein. Diesmal ist es uns aber nicht so gelungen.“

Ärger über nicht anerkanntes Tor

Für Lukas Spendlhofer wiederum sind Generalprobe und Aufführung im konkreten Fall sehr wohl unterschiedlich: „Im Training spielt man sich ein, aber im Match ist es anders. Alles in allem war es trotzdem gut, da wir wieder alles umkrempeln mussten.“

Der Innenverteidiger, bei dem das Geheimnis seiner bereits geklärten Zukunft in der kommenden Woche gelüftet werden soll, war hauptbeteiligt am aberkannten Tadic-Treffer:

„Ich habe zunächst gedacht, dass es Abseits war, aber der Linienrichter hat das Tor gegeben. Der Schiedsrichter hat uns dann erklärt, dass es ein Foul war. Ich muss es mir im Video noch einmal ansehen, aber so wie ich es wahrgenommen habe, kann es kein Foul von mir gewesen sein.“

Sein Gefühl unmittelbar nach Schlusspfiff täuschte den 21-Jährigen nicht, der Treffer war korrekt.

„Dass wir ein klares Tor erzielen, der Schiedsrichter das aber – ich weiß nicht warum – nicht anerkennt, ärgert mich. Das ist einfach bitter. Es hilft aber nichts, darüber zu jammern und den Schiedsrichter zu verurteilen. Das ist einfach passiert. Wir müssen das abhaken und uns auf das nächste Spiel konzentrieren.“

Das Gastspiel beim Wolfsberger AC am kommenden Samstag sollte auch die Antwort darauf bringen, wie voll Sturms Glas derzeit ist.

Ein Sieg in Kärnten und die Gefahr, noch aus den Europacup-Rängen zu rutschen, wäre auf ein Minimum reduziert. Gleichzeitig wäre es ein Statement im Hinblick auf Platz zwei.

Peter Altmann/Martin Wechtl

Austria Sturm
Ballbesitz 53,5% 46,5%
Zweikämpfe 51,5% 48,5%
Eckbälle 9 2
Torschüsse 17 5
Torschüsse außerhalb Strafraum 9 2
Torschüsse innerhalb Strafraum 8 3
Kopfballchancen 6 0
Abseits 2 2
Fouls 16 12