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"Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft"

Ausverkauftes Stadion, tolle Stimmung, eine spannende Partie – das 2:2 zwischen Sturm Graz und Rapid Wien wurde zu einem der selten gewordenen Bundesliga-Leckerbissen.

„Man hat schon vorher gesagt, dass es Werbung für den österreichischen Fußball werden kann, und ich glaube, das war es auch. Auf dem Platz war es richtig geil“, resümierte Lukas Spendlhofer.

Auch Sturm-Coach Franco Foda jubilierte: „Die Vorfreude war groß, die Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Es war ein absolutes Spitzenspiel vor toller Kulisse zwischen zwei Mannschaften, die auch berechtigt auf diesen Tabellenplätzen stehen und die 90 Minuten nach vorne gespielt haben.“

Steffen Hofmann wiederum brachte auf den Punkt, dass dieses Fußball-Fest in Graz-Liebenau aus grün-weißer Sicht einen kleinen Schönheitsfehler hatte: „Ein gutes Bundesliga-Spiel, es ist auf und ab gegangen, die Atmosphäre war super. Ich denke nur, wir hätten mehr mitnehmen müssen als einen Punkt, weil wir deutlich mehr Chancen hatten als Sturm.“

Fodas Stolz

Eine Einschätzung, der im Lager der Steirer niemand widersprach. Während die stark spielenden Wiener zwei verlorenen Punkten nachtrauerten, konnte man bei Sturm angesichts des Spielverlaufs mit dem Remis gut leben.

Foda: „Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft. Das sage ich normalerweise selten, aber ich kenne die Problematik, die wir im Vorfeld hatten. Wir mussten einiges verändern und Spieler bringen, die lange nicht gespielt haben. Das hat man gerade am Anfang bei Igor Oschchypko und Wilson Kamavuaka gemerkt. Aber beide haben sich extrem gesteigert und dann sehr gut gespielt.“

Durch die Ausfälle von Martin Ehrenreich und Christian Klem musste der Deutsche einmal mehr seine Abwehr umbauen. Spendlhofer begann wieder auf der ungewohnten rechten Seite, für Linksverteidiger Oschchypko war es gar das erste Bundesliga-Spiel von Anfang an.

„Wenn man so viel umstellen muss, ist es klar, dass es nicht so gut funktioniert wie die eingespielte Viererkette. Aber ich glaube, im Großen und Ganzen haben sie hinten ihre Arbeit super gemacht“, lobte Simon Piesinger.

„Beim Standard hat mich eigentlich keiner gedeckt“

Beim frühen Führungstreffer Rapids in der 8. Minute konnte man gewisse Abstimmungsschwierigkeiten jedoch noch nicht verbergen, als Philipp Schobesberger alleine auf Tormann Christian Gratzei zulief und eiskalt vollendete.

Gar nicht zum Lachen fand diese Szene wiederum Rapid-Coach Zoran Barisic: „Das darf uns nicht passieren, da waren wir schlecht organisiert. Diese eine Situation hat er perfekt genützt.“

Gratzei: „Das ist nicht mein Anspruch“

Ein Geschenk der Rapid-Abwehr, das Gratzei in Minute 54 beim Gewaltschuss von Thanos Petsos retournierte.

„Tatsache ist, dass du als Tormann heutzutage weiter vorne stehen musst, weil du auf Steilpässe spekulieren musst. Als er aufgezogen hat, war ich noch in der Rückwärtsbewegung und bin mit der Bewegung nicht fertig geworden. Ich habe ihn zwar noch mit den Fingerspitzen berührt, aber nicht mehr über die Latte gekriegt. Mit ein bisschen Glück hüpft er als Lattenpendler raus, so ist er eben reingegangen. Es ist schade, weil es die Leistung trübt“, schilderte der Routinier die Szene, die zum 2:1 für Rapid führte.

Auf der Haben-Seite stand, dass Gratzei in der Folge die Konzentration hoch hielt und die eine oder andere Parade ablieferte. Unterm Strich war es jedoch nicht sein erster Fehler in jüngerer Vergangenheit, was den Goalie naturgemäß ärgerte:

„Es ist so, dass ich momentan eigentlich keine schlechten Spiele habe, nur dass eben ein Fehler dabei ist, der zum Tor führt. Das ist nicht mein Anspruch. Aber es hilft nichts. Ich muss danach trotzdem weiterspielen, und ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen.“

„Hauen nicht die Nerven weg, wenn wir in Rückstand geraten“

Das sah auch Foda so, weshalb er den 33-Jährigen in Schutz nahm: „Das Tor wird Christian mit unserem Tormanntrainer analysieren. Er ist selbstkritisch genug. Aber danach hat er zwei, drei Mal sehr gut gehalten. Insofern musst du nach so einer Aktion wieder zurückkommen, das ist sehr positiv von ihm. Er ist im Spiel geblieben. Ich bin stolz auf die Mannschaft, da gehört Christian dazu.“

Gratzeis Vordermänner bügelten den Fauxpas letztlich aus. In Minute 70 schloss Joker Daniel Beichler eine herrliche Kombination zum 2:2 ab.

„Man hat wieder gesehen, dass wir nie aufgeben und dass wir auch, wenn wir in Rückstand geraten, nie die Nerven weghauen, sondern ruhig weiterspielen“, betonte Piesinger. Schon vergangenes Wochenende beim 4:4 in Wiener Neustadt hatte Sturm zwei Mal einen Rückstand aufgeholt, damals waren es sogar jeweils zwei Treffer.

„Das zweite Tor war sensationell kombiniert. Wir hätten im letzten Drittel öfter solche Torchancen kreieren müssen“, fand Foda und hatte damit nicht Unrecht.

Fehlende Durchschlagskraft

Denn diesmal war es die Effizienz, die Sturm den Punkt rettete. Zwei von lediglich vier Torschüssen fanden ihren Weg ins Ziel. Zum Vergleich: Rapid nahm das gegnerische Tor 13 Mal ins Visier.

„Sturm hatte zwei Torschüsse auf das Tor – eine Standardsituation, bei der wir nicht aufgepasst haben, und eine schön gespielte Aktion. An weitere Chancen kann ich mich nicht erinnern. Wir hatten sehr viele gefährliche Aktionen, waren besser“, ärgerte sich Rapids Innenverteidiger mit Sturm-Vergangenheit Mario Sonnleitner.

„Es hat die Durchschlagskraft gefehlt. Wir haben zwar oft nach vorne gespielt, der letzte Pass ist jedoch nicht gekommen. Aber wir können vor allem mit der kämpferischen Leistung zufrieden sein. Von der Aggressivität her war das extrem gut von uns“, meinte Piesinger.

Der Flügelflitzer präsentierte sich einmal mehr in Hochform und wusste auch bei Foda Eindruck zu schinden: „Selbst als gegnerischer Trainer macht es Spaß, ihm zuzuschauen. Er ist extrem gut im Eins gegen Eins, findet gute Lösungen, ist schnell, hat ein gutes Tempodribbling, bringt immer Gefahr. Auf der anderen Seite haben wir mit Donis Avdijaj und Andreas Gruber auch solche Spieler – junge Talente, die noch am Lernen und im Entwicklungsprozess sind.“

Wie Rapids Shootingstar wusste auch jener von Sturm seinen Torinstinkt unter Beweis zu stellen. Frei nach dem modernen Motto „No Piesi, no Party“ schlug Piesinger in Minute 16 zum bereits neunten Mal in dieser Saison zu. Diesmal per Kopf nach einem Freistoß von Thorsten Schick – und das völlig freistehend, als ob sich seine Stärke bei Standards noch nicht bis nach Wien herumgesprochen hätte.

„Es hat mich schon gewundert. Denn beim Standard hat mich eigentlich keiner gedeckt. Aber warum ich so frei war, weiß ich auch nicht. Da müsst ihr die anderen fragen“, grinste der Mittelfeldspieler verschmitzt.

Das eine oder andere Mal übertrieben es die „Blackies“ damit jedoch, weshalb man die Partie auch nicht mit elf Mann beendete. Roman Kienast und Michael Madl flogen in der Schlussphase jeweils mit Gelb-Rot vom Platz, Letzterer hätte in Halbzeit eins schon nach einer heftigen Attacke gegen Florian Kainz Rot sehen können.

Dünne Personaldecke

In dieser Szene beließ es Referee Dominik Ouschan bei Gelb. Insgesamt verwarnte er jedoch sieben Sturm-Spieler, aber nur einen Wiener, was bei Schick etwas Verwunderung auslöste: „Meiner Meinung nach hat der Schiedsrichter die Rapidler nicht so mit Gelben Karten bedacht wie uns. Aber die beiden Gelb-Roten Karten kann man geben, beide Spieler haben jeweils ein Gelb-Foul gemacht.“

An der Richtigkeit der beiden Ausschlüsse hegte ohnehin kein Grazer Zweifel. Ohne die beiden Führungsspieler und den Gelb-gesperrten Anel Hadzic, der zum 13. Mal in dieser Saison verwarnt wurde, bleibt die Personaldecke somit für das Gastspiel bei Austria Wien am kommenden Samstag dünn.

„Jetzt wird das Augenmerk darauf gelegt, eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenzubekommen. Wir haben einen guten Kader. Ich bin überzeugt, dass wir mit jeder Mannschaft, mit der wir dort auftreten, auch gewinnen können“, kündigte Schick an.

„Das wird Dramatik pur“

An der Ausgangsposition im Kampf um Platz zwei hat sich durch das Remis wenig verändert. Durch den Sieg des Wolfsberger AC gegen Altach wurde aus dem vermeintlichen Drei- jedoch ein Vierkampf.

„Generell ist das Ziel ein internationaler Startplatz. Aber wenn du die Möglichkeit hast, Zweiter zu werden, wären wir doch alle vermessen, dieses Ziel nicht erreichen zu wollen. Ob wir es erreichen, ist etwas anderes. Aber wir werden bis zum Schluss alles investieren“, versprach Foda.

Laut Meinung des 49-Jährigen versprechen die verbleibenden fünf Runden so gesehen einiges: „Das wird Dramatik pur, es bleibt bis zum Ende spannend. Ich denke, dass es erst am letzten Spieltag entschieden wird.“

Peter Altmann / Alexander Karper

Sturm Rapid
Ballbesitz 46% 54%
Zweikämpfe 48,5% 51,5%
Eckbälle 1 8
Torschüsse 4 13
Torschüsse außerhalb Strafraum 2 7
Torschüsse innerhalb Strafraum 2 6
Kopfballchancen 1 1
Abseits 0 3
Fouls 18 19