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"Habe als Spieler Leute gespalten, jetzt als Trainer"

„Das war's schon.“

Auf diese Art und Weise wollte Michael Baur nicht sein Ende beim SV Grödig kommunizieren, sondern sein kurzes Fazit zum 0:4 bei Rapid schließen.

„Nach neun Minuten war die Partie entschieden. Außerdem habe ich es als Trainer noch nie erlebt, dass ich alle Wechsel verletzungsbedingt tätigen muss“, lautete der kurze Kommentar zuvor.

Der 45-jährige Ex-Internationale hat längst begriffen, welche Stunde es für ihn und den Verein geschlagen hat – für beide Seiten ein Drahtseilakt.

In allen Belangen enttäuschend

Die erschreckend schwachen Performances im Frühjahr wurden im Ernst-Happel-Stadion auf ein neues Level gehievt.

Verunsichert, ängstlich und ohne Plan gingen die Salzburger gegen eine befreit aufspielende Rapid-Elf regelrecht unter – in allen Belangen.

0:4 Tore, 5:22 Torschüsse, 35,4:64,6 Prozent Ballbesitz, 66:84 Prozent Passquote, 12:6 Fouls, vom aufgrund der Tabellensituation und dem Negativlauf von sechs Pleiten in Folge erwarteten Kampf war keine Spur.

Nur 40,4 Prozent der Zweikämpfe konnten von Grödig gewonnen werden, ein unterirdischer Wert. Auch Baur wirkte gezeichnet, verwies jedoch auf gezeigte Leistungen und Einsatz gegen Ried.

53 Einheiten auf Kunstrasen

„Die Situation ist sicher angespannt, auch was das Personal betrifft. Man muss auch sehen, wer in den letzten Spielen gespielt hat“, versuchte sich Baur zu erklären. „Wichtig ist, dass wir daran denken, welchen Fußball wir schon gespielt haben.“

Mit dem vorhandenen Personal sei es jedoch eine Herausforderung, dieses Level wieder zu erreichen.

Zu den fehlenden Leistungsträgern wie Stefan Nutz, Tomi und Daniel Schütz gesellten sich in Wien Cican Stankovic, Ione Cabrera und Marvin Potzmann hinzu.

„Ich führe das auf die Bedingungen zurück. Wir hatten zuletzt 53 Einheiten auf Kunstrasen, keine auf echtem Rasen, die Spieler mussten jedes Mal vertröstet werden. Im Herbst hatten wir zum Vergleich keine einzige Muskelverletzung."

„…wenn ich dann noch da bin“

Was nach Hilflosigkeit und Aufgabe klingt, entpuppt sich schlussendlich als Durchhalteparole. Baur will den Kampf annehmen, wenn er noch die Chance dazu bekommt.

„In der Besetzung wie heute haben wir noch nie gespielt, auch nächste und übernächste Runde wird die Mannschaft anders ausschauen. Aber irgendwann werden wir erfolgreich sein – wenn ich dann noch da bin.“

Ein nicht unwesentlicher Nebensatz, denn bei Manager Christian Haas und Co. schrillen die Alarmglocken.

Der Vorsprung auf Schlusslicht Admira beträgt bei einem verbleibenden Nachtragsspiel nur mehr zwei Punkte. Der Abstiegskampf ist längst ausgerufen, die Bundesliga-Existenz am Wackeln.

„Ich würde es nicht verstehen“

Es scheint, als hätte sich in dieser Saison alles gegen Grödig verschworen. Vom Ausstieg des Hauptsponsors über die Stadion-Causa bis hin zur sportlichen Misere blieb den „Village People“ nichts erspart.

Kein Wunder, dass die Vereinsführung nervös wird. Kein Wunder, dass mit Baur das schwächste Glied in der Kette angezählt wird.

Rapid Grödig
Ballbesitz 65,7% 34,3%
Zweikämpfe 59,6% 40,4%
Eckbälle 5 2
Torschüsse 21 5
Torschüsse außerhalb Strafraum 6 3
Torschüsse innerhalb Strafraum 15 2
Kopfballchancen 5 1
Abseits 1 1
Fouls 6 12

Kein Wunder? Baur zeigt sich weniger einsichtig, laut ihm gäbe es keinen Grund, personelle Änderungen im sportlichen Bereich durchzuführen, auch wenn der Name Martin Scherb schon im Raum herumschwirrt.

„Ich würde es nicht verstehen, da das Trainerteam einen guten Job macht. Ich muss die Spieler wieder aufbauen, dazu die Verletzten. Diese Sache müssen andere entscheiden.“

„Mich muss nicht jeder mögen“

Den einfachen Weg zu gehen, war noch nie die Philosophie des Tirolers. Auch in dieser schwierigen Situation will sich Baur nicht verbiegen lassen.

„Ich habe als Spieler die Leute gespalten, offenbar jetzt auch als Trainer. Mich muss nicht jeder mögen“, so die Ansage des Noch-Grödig-Trainers, den derzeit Schlaflosigkeit plagt.

„Du wachst in der Nacht auf und denkst dir, was man besser machen kann. Aber ich liebe dieses Geschäft und will alles richtig machen. Die Begeisterung für den Job ist durch die Situation nicht geringer geworden.“

Der Drahtseilakt ist somit noch nicht abgeschlossen. Wie lange Baur noch die Balance halten kann, hängt aber vor allem von Haas‘ Geduld ab.


Alexander Karper