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"So ein Tor zu bekommen, ist eine Katastrophe"

Manchmal können Spiele zum Auftakt einer Frühjahrs-Saison sehr frustrierend sein.

Bei unangenehmen Bedingungen und auf - gerade in Österreich - oftmals holprigem Geläuf ist der SK Sturm in den vergangenen Jahren des Öfteren in ein neues Kalenderjahr gestolpert.

Das 3:3 gegen Wiener Neustadt war die dritte Frühjahrs-Auftaktpartie in Folge, die die Grazer nicht gewinnen konnten. Im Gegensatz zu manch anderen trüben Starts bot der Abend in Graz-Liebenau jedoch turbulente und emotionale Fußballunterhaltung. Allerdings ohne Happy End in schwarz-weiß.

"Ganz dumm angestellt"

Die Gründe dafür waren offensichtlich. Gerade die im Herbst noch als stabil gelobte Defensive erwischte einen rabenschwarzen Tag. Da konnte auch ein starkes Comeback von Roman Kienast nichts ändern.

Dementsprechend zerknirscht fielen die Analysen der Spieler nach dem verspäteten Frühjahrsbeginn aus. Zwar kämpften sich die Steirer nach einem 0:2-Pausenrückstand zurück und schienen das Blatt gewendet zu haben, eine Fehlerkette in Minute 86 inklusive Prachtschuss von Dominik Hofbauer zerstörte aber letztlich die Grazer Glückseligkeit.

"Vorallem in der ersten Halbzeit haben wir uns bei den Gegentoren ganz dumm angestellt. In der 86. Minute dann noch so ein Tor zu bekommen, ist eine Katastrophe", wollte Kapitän Michael Madl an der Defensivleistung seiner Mannschaft auch nichts beschönigen. 

Foda: "Wussten, dass Wr. Neustadt schnell nach vorne spielt"

Erst zum zweiten Mal in dieser Saison kassierte Sturm in einem Spiel drei Gegentore - und das noch dazu gegen den Tabellenletzten vor eigenem Publikum. "Wenn du drei Tore machst, solltest du zuhause eigentlich gewinnen. Aber drei zu bekommen ist eindeutig zu viel, da müssen wir noch viel tun", ist sich Madl sicher. 

Sein Trainer Franco Foda, der sich ob der teilweise haarsträubenden Abwehrarbeit seiner Elf zwischenzeitlich lautstark von der Coachingzone aus ins Spiel einmischte, war eigentlich der Ansicht, seine Mannschaft gut auf den Gegner vorbereitet zu haben.

"Wir wussten, dass Wr. Neustadt nach Balleroberung schnell nach vorne spielt. Darauf waren wir schon eingestellt", erklärte der 48-Jährige. Nach Ballverlust stellten sich die Grazer aber ein ums andere Mal zu ungeschickt und zu unkonsequent an. Und Wr. Neustadt wusste das in Person von Neuzugang Philip Hellquist im ersten Durchgang eiskalt auszunützen.

"Wir haben in der ersten Halbzeit zwar im Ballbesitz ganz gut Chancen kreiert, spielerisch war das sehr gut, aber im Umschaltspiel nach Ballverlust haben wir uns ganz schlecht verhalten, besonders in der Innenverteidigung", wies Foda auf eine Problemzone des Abends hin und ging auf Fehler seines Teams konkret ein.

Spendlhofer und Madl nicht ganz fit

"Neustadt hat das im Konter schon auch gut gemacht, aber wir hatten heute kein Gefühl im Gegenpressing. Gehen wir raus oder lassen wir uns fallen? Ein Verteidiger geht raus, der andere hat das Abseits aufgehoben - da hatten wir einfach keine Abstimmung", sah der Mainzer ungewohnte Schwächen seines Innenverteidiger-Duos Madl/Spendlhofer.

Sturm Graz Wr. Neustadt
Ballbesitz 65,7% 34,3%
Zweikämpfe 48,5% 51,5%
Eckbälle 6 0
Torschüsse 21 12
Torschüsse außerhalb Strafraum 7 5
Torschüsse innerhalb Strafraum 14 7
Kopfballchancen 6 3
Abseits 2 0
Fouls 19 18

Besonders Letzterer erwischte wohl den schlechtesten Tag seiner Zeit in Graz, was aber auch daran lag, dass er - wie auch Madl - unter der Woche kaum voll trainiert hatte und nicht ganz fit war. Vor dem Spiel schien hinter dem Einsatz der Inter-Leihgabe ein immer größer werdendes Fragezeichen zu stehen, doch Foda bestand auf einem Einsatz des 21-Jährigen.

"Ich bin das Risiko eingegangen, weil auf dieser Position noch nicht alle zu hundert Prozent fit sind. Man hat einfach gesehen, wenn man nicht immer am Limit spielt und nicht ganz fit ist, kannst du - egal wo und gegen wen - nicht bestehen", musste sich der Coach nach Schlusspfiff eingestehen.

Kienast-Wechsel leitete Umschwung ein

Es waren aber nicht nur negative Gedanken, die Foda durch den Kopf gingen. Immerhin hatte sein Team nach einem 0:2 zur Pause Moral bewiesen und jene Chancen genützt, die sie trotz klarer spielerischer Überlegenheit vor der Pause nicht nutzen konnte.

Entscheidend dafür war auch ein Wechsel, den der Sturm-Trainer in Minute 39 vornahm. Anstelle von Daniel Offenbacher kam Rückkehrer Roman Kienast in die Partie. 

"Wir haben im Zentrum zu einfache Ballverluste gehabt. Da hatten wir auch keine Balleroberungen und haben uns schlecht verhalten", bekam Sturms Nummer 20 alles andere als lobende Worte zu hören.

"Ich wollte nach dem 0:2 neue Impulse setzen, da haben wir auch etwas an der Ordnung verändert, wir wollten mehr über die Flügel spielen, das haben wir dann auch getan", sah sich Foda letztlich durch den Verlauf der zweiten Hälfte bestätigt.

Denn schon fünf Minuten nach Wiederbeginn zeigte der bei der Austria ausrangierte Stürmer seine Torjäger-Qualitäten und leitete mit einem satten Distanzschuss Sturms-Aufholjagd ein.

Ein, wie an Kienasts Reaktion ersichtlich, ganz besonderer Treffer. "Ich habe versucht, das Bestmögliche zu geben, es ist mir gelungen. Man hat beim Jubel gesehen, das eine Last von mir abfällt. Für mich war es sehr wichtig, weil ich längere Zeit nicht gespielt habe und auch nicht die Möglichkeit bekommen habe, Tore zu erzielen. Ich glaube, dass ich heute wieder gezeigt habe, dass ich Tore schießen kann", sah man dem 30-Jährigen an, dass er sich in der Murmetropole sofort wieder wohlgefühlt hat.

"Roman braucht keine Genugtuung"

Das sah auch Foda so, der gewusst hat, dass er sofort wieder auf den elffachen Nationalteamspieler setzen kann: 

"Roman braucht keine Genugtuung. Er weiß, was er kann, das hat er hier schon bewiesen. Er ist Meister geworden und hat 20 Tore erzielt. Er ist ein sehr guter Spieler, aber man hat am Ende auch bei ihm gesehen, dass ihm noch der Spielrhythmus fehlt. Aber er ist für unsere Mannschaft extrem wichtig, er kann im Spiel etwas verändern, er hat eine gute Einstellung und ist immer bereit und hungrig, obwohl er schon älter ist."

Gut möglich also, dass Sturm demnächst mit Kienast und dem am Samstag agilen, aber glücklosen Bright Edomwonyi von Beginn auftritt. 

Abstimmung im Angriff braucht noch Zeit

"Diese Variante ist immer möglich, aber wir wollten diesmal eigentlich schon im Mittelfeld Überzahlsituationen herstellen und uns in den Zwischenräumen bewegen. Das haben wir in der ersten Halbzeit nicht ganz so gut gemacht. Da war Marko (Stankovic, Anm.) oft zu weit hinten, anstatt sich zwischen Viererkette und Mittelfeld zu bewegen, wo es Platz gab", ließen Foda auch in Gedanken an positive Aspekte seiner Elf die ärgerlichen Fehler nicht in Ruhe.

Kienast hat sich jedenfalls für einen Einsatz von Beginn an empfohlen, wies aber auf noch vorhandene Abstimmungsprobleme hin. "Beim Verständnis zwischen Bright und mir brauchen wir vielleicht noch ein bisschen Zeit, aber im Endeffekt kommt es drauf an, welches System der Trainer spielen lassen will." 

Der Rückkehrer strich nichtsdestoweniger die Moral seiner Mannschaft hervor: "Wenn man sieht, wie wir in der zweiten Halbzeit gespielt haben, dann sehe ich sehr positiv in die Zukunft. Ein 0:2-Rückstand ist auch gegen Wr. Neustadt schwer aufzuholen. Wir haben einfach gefightet und das hat recht gut funktioniert, aber am Schluss ist eben noch dieses Traumtor passiert."

Ein Tor, das Foda in der Nachbetrachtung merklich beschäftigte: "Wenn du so in ein Spiel zurückkommst gegen eine Mannschaft, die in der Defensive sehr kompakt spielt, dann musst du mit Haut und Haaren das Spiel verteidigen. Dann darfst du nicht so einfach durch einen ruhenden Ball so ein Gegentor bekommen. Da haben sich Martin Ehrenreich und Thorsten Schick ganz schlecht verhalten. Aber selbst danach hatten wir nochmal eine Riesenchance durch Donis (Avdijaj, Anm.). Da kommt er ganz frei vor dem Tor zum Kopfball."

Die Leihgabe von Schalke 04 setzte bereits 1:50 Minuten nach ihrer Einwechslung durch dem Assist zu Ehrenreichs 3:2 ein frühes Ausrufezeichen. Im Finish traf Avdijaj aber die falsche Entscheidung, wie er selbst zugab:

"Ich habe gedacht, wenn ich ihn über den Kopf schleifen lasse, dann geht er in die lange Ecke, wenn ich ihn in die kurze Ecke mache, geht er sicher rein. Aber gut, das ist immer eine Fifty-Fifty-Entscheidung."

Avdijaj von Stimmung beeindruckt

Von der Stimmung in der mit etwa 7.800 Besuchern nicht sonderlich üppig besuchten UPC-Arena zeigte sich der 18-Jährige bei seinem ersten Auftritt angetan: "Ich fand es atemberaubend, wie viel hier los sein kann. Selbst nach dem 0:2 waren die Fans top. Ich kenn' das von meinem Ex-Verein, dass die Fans dann weiter anfeuern, aber dass das hier auch so ist, war erstaunlich."

Kommenden Samstag (18:30 Uhr) gegen Rapid wartet bestimmt noch eine größere Kulisse auf den Schalker Jungspund und seine Kollegen. Ändern soll sich dort, wenn es nach Franco Foda geht, an der Spielweise seiner Elf nicht viel:

"Auch da wollen wir nach vorne spielen, das ist unsere Spielanlage. Ich glaube, das können wir auch nicht anders spielen. Da gab es ein Phase nach dem 2:2, da haben wir nur verteidigt, Neustadt hat gespielt und wir sind nicht mehr hinten rausgekommen, weil wir nicht einfach nur hinten stehen können. Wir müssen nach vorne verteidigen. Das ist unser Spiel. Und das wollen wir auch in Wien durchziehen."

 

Andreas Terler