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"Wir suchen die Schuld auf jeden Fall bei uns"

2. Minute: Rote Karte für den Gegner nach einer Notbremse. 3. Minute: 1:0-Führung aus dem daraus resultierenden Elfmeter. Trotzdem 2:4 verloren.

Klingt in der Theorie katastrophal und ist es in der Praxis erst recht. Das Seuchenjahr von Sturm Graz fand auch im Heimspiel gegen Rapid seine muntere Fortsetzung.

Den am Boden liegenden Steirern nutzte gegen die Hütteldorfer nicht einmal ein Traumstart, wie er im Buche steht, um wieder auf die Beine zu kommen.

Auch nach dem Ausschluss von Maximilian Hofmann und dem verwandelten Strafstoß von Nikola Vujadinovic wirkte die verunsicherte Sturm-Elf nicht befreit. Damit ist der Fehlstart in die neue Saison mit zwei Niederlagen und einem Remis aus drei Liga-Spielen beziehungsweise dem peinlichen Europacup-Aus gegen Breidablik nun endgültige Realität.

Die Baustelle des Darko M.

„Ich bin wirklich enttäuscht, dass wir trotz eines Mannes mehr im Prinzip gar nicht überlegen waren. Das ist bitter“, ärgerte sich Darko Milanic.

Beim Sturm-Coach machte sich nach dem erneuten Tiefschlag Ernüchterung breit. Der Slowene gestand ein, die Baustelle Sturm unterschätzt zu haben.

Nachdem sein bevorzugtes 4-4-2-System in den vergangenen Wochen kaum funktionierte, probierte es Milanic diesmal mit einem 4-1-4-1 – wohl auch, weil mit Marco Djuricin und Imre Szabics zwei Stürmer verletzungsbedingt ausfielen.

Die Grundprobleme blieben jedoch. „Zwei Sachen stören mich enorm: Dass wir so dumme Tore kriegen, und dass wir im Mittelfeld so ängstlich sind“, monierte der 45-Jährige.

„Typisch für unsere Situation“

„Nach dem 1:0 hatten wir noch eine Chance durch Manuel Weber. Danach kam auf einmal viel zu wenig von unserer Seite. Anstatt das Spiel zu kontrollieren, ruhig zu spielen und den Raum, um nach vorne zu kommen, zu suchen, haben wir wieder keinen Ballbesitz“, kritisierte der Coach.

Die Statistik unterstreicht diesen Eindruck. In der ersten Halbzeit hatte Sturm mit 53,3 Prozent nur unwesentlich mehr Ballbesitz als die dezimierten Hütteldorfer, denen man nicht wirklich Unterlegenheit attestieren konnte.

Anstatt auf ein zweites, möglicherweise vorentscheidendes Tor zu spielen, plätscherte die Partie dahin. Eine Herangehensweise, die sich unmittelbar nach dem Seitenwechsel rächen sollte. Diesmal erwischten die Wiener den Bilderbuchstart.

„Der Start in die zweite Halbzeit war typisch für unsere Situation. Wir machen ein Foul und kriegen aus der Standard-Situation ein Tor, die nächste Situation ist ein Elfmeter“, ärgerte sich Michael Madl.

Unmut über Abseits-Entscheidung

Vor allem die Elfmeter-Szene, in der sich Aleksandar Todorovski von Lukas Grozurek düpieren ließ, brachte Milanic zur Weißglut. „Todorovski macht einen Fehler wie ein Kind – anstatt Erfahrung in die Mannschaft zu bringen, bringt er zu wenig“, schimpfte Milanic, der zur Entstehung des dritten Rapid-Treffers – ein traumhafter Weitschuss von Brian Behrendt – meinte: „Ein Zeichen für eine Mannschaft, die viel Arbeit braucht.“

An dieser Einschätzung änderte auch die Tatsache nichts, dass seine Mannschaft schon in der Schlussphase viel Arbeit investiert hat und beinahe noch belohnt worden wäre. Nach dem Anschlusstreffer von Daniel Beichler gelang Vujadinovic noch das vermeintliche 3:3, die Crew um Schiedsrichter Markus Hameter entschied jedoch auf Abseits.

„Ich weiß nicht, vielleicht hat der Linienrichter draußen Bier getrunken, keine Ahnung! Ich habe es mir noch einmal angeschaut, das war nicht einmal knapp. Wir müssen am Spielfeld immer sehr ruhig bleiben, der Schiedsrichter sagt: ‚Gebt eine Ruhe!‘ Aber bei aller Liebe, das ist eine Entscheidung, die für mich nicht nachvollziehbar ist“, fand Beichler deutliche Worte.

„Man hat gesehen, dass Leben in der Truppe drinnen ist“

Der positive Aspekt der beinahe gelungenen Aufholjagd lag für den Rückkehrer auf der Hand: „Man hat gesehen, dass Leben in der Truppe drinnen ist.“ Als Ausrede wollte er das aberkannte 3:3 ausdrücklich nicht gelten lassen.

„Wir haben das nicht clever gemacht“, stellte Beichler klar, „wir suchen die Schuld auf jeden Fall bei uns. In unserer momentanen Situation sind genau das die Szenen, die uns mit einem 3:3 in der Nachspielzeit einen Push für die nächsten Runden geben hätten können. Das ist extrem bitter, Dennoch: Wir haben überhaupt nicht gut gespielt, aber wir haben wenigstens Moral bewiesen.“

Unter dem Strich zählt das Ergebnis, und dieses 2:4 wird die mentale Blockade der Sturm-Elf kaum lockern.

„Uns fehlt ganz einfach, so ehrlich muss man sein, diese Leichtigkeit, dieses Selbstverständnis, diese Spielfreude. Wir haben wieder viel zu hektisch agiert. Ich kann mich nur wiederholen: Wir brauchen ein Erfolgserlebnis. Das wäre gegen Rapid schon ein kleines Erfolgserlebnis, aus dem wir schöpfen hätten können, gewesen. Aber das war uns nicht vergönnt.“

„Keller-Duell“ mit der Admira

So wartet für die neunplatzierten Grazer am kommenden Wochenende das „Keller-Duell“ mit dem noch punktelosen Schlusslicht Admira – und davor wohl eine weitere unangenehme Woche.

„Trainieren“, nennt Milanic als sein Rezept, um seine Schützlinge aus der Krise zu führen. Die kritische Lage ist dem Slowenen jedoch wohlbewusst: „Wir sind in einer schweren Situation. Wir hören immer wieder von den Medien und überall, dass wir so lange nicht gewonnen haben. Die Spieler sind jedoch auch nur Menschen.“

Ein Befreiungsschlag gegen die Südstädter wäre der einfachste Weg, dieser Spirale zu entkommen und die an der Mur viel zitierte Geduld nicht überzustrapazieren.

Gelingt selbiger nicht, könnte die Talfahrt noch bitterer werden. Denn der Gegner danach heißt Red Bull Salzburg.

Peter Altmann