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"Ich habe mir das Tor sehr, sehr oft angeschaut"

LAOLA1: Du hattest im Sommer einige Angebote. Die sportliche Situation in Innsbruck ist schwierig. Hast du es irgendwann bereut, bei Wacker unterschrieben zu haben?

Vucur: Nein, ich habe es nie bereut und bereue es auch jetzt nicht, egal was passiert. Ich bin sehr froh, dass ich in Innsbruck unterschrieben habe. Mir taugt es hier extrem – das Umfeld, der Verein, die Leute in Innsbruck, das gefällt mir alles sehr gut. Ich hatte natürlich andere Angebote, aber ich wollte nicht den allzu großen Sprung machen, dass ich vielleicht bei einem größeren Verein auf der Bank sitze, weil ich noch ein eher jüngerer Spieler bin. Es ist meine erste Bundesliga-Saison. Für mich ist das Wichtigste, dass ich meine Einsätze habe und Erfahrung sammeln kann. Deswegen habe ich den Schritt zu Innsbruck gemacht.

LAOLA1: Manch andere Spieler deines Alters wollen gleich das große Los ziehen und verlieren bisweilen ein, zwei Jahre ihrer Karriere. Hast du dich so gesehen von anderen Beispielen abschrecken lassen?

Vucur: Ich habe darüber viel mit meinen Eltern, meinem Berater und Freunden gesprochen. Ich war nicht in einer anderen Welt, in der ich mir gedacht habe: Ich will da oder dort hin, will großes Geld verdienen oder zu einem Top-Verein. Natürlich will ich das irgendwann einmal machen, aber jetzt habe ich einmal den kleineren Schritt gewählt, weil ich mir gedacht habe, ich brauche meine Spiele und Einsatzminuten. Bei einem größeren Verein wäre das vielleicht auch möglich gewesen, aber es besteht auch die Gefahr, dass du ein, zwei Jahre auf der Bank sitzt oder für die Amateure spielst. Das wäre das Schlimmste für mich, wenn ich keine Spielpraxis habe.

LAOLA1: Du kommst aus der Jugend von Red Bull Salzburg, hast dort mit dem einen oder anderen, der Probleme hatte, im Profifußball Fuß zu fassen, zusammengespielt. Haben diese Eindrücke auch geholfen, sich für die Politik der kleineren Schritte zu entscheiden?

Vucur: Natürlich. Ich habe in Salzburg mit vielen Leuten zusammengespielt – auch mit einigen, die den Schritt geschafft haben wie Martin Hinteregger, Marco Meilinger oder Daniel Offenbacher von Sturm Graz. Aber es hat auch einige gegeben, die den Sprung nicht so leicht geschafft haben. Diese Beispiele habe ich mir natürlich auch angeschaut und mir gedacht: So will ich das nicht machen, ich will es anders, mit einem kleineren Schritt machen. Man darf sich nicht überschätzen.

LAOLA1: Hast du eigentlich international gesehen ein Vorbild auf deiner Position, an dem du dich orientierst?

Vucur: Es gibt sehr viele Vorbilder, auf meiner Position gibt es sehr gute Spieler. Ich bin eher der spielerische Innenverteidiger, da taugen mir Gerard Piqué von Barcelona oder Thiago Silva von PSG. Die beiden sind im Zweikampf, aber auch spielerisch sehr stark, vor allem Piqué. Sie haben gutes Passspiel, ein gutes Auge und sind auch immer wieder torgefährlich.

Bis zum 50-Meter-Traumtor von Jonatan Soriano in Amsterdam war der Fallrückzieher von Stipe Vucur gegen Ried wohl der Topfavorit auf die prestigeträchtige Auszeichnung zum "Tor des Jahres".

Besonders speziell machte dieses Gustostückerl, dass es keiner Offensivkraft, sondern einem baumlangen Innenverteidiger gelang.

Dabei ist Torgefahr für den 21-Jährigen kein Fremdwort. In beiden Frühjahrs-Partien von Wacker Innsbruck brachte er den Ball im Tor unter.

"Ich war in der Akademie in Salzburg lange Offensivspieler, vor allem in jungen Jahren mit 14 oder 15 habe ich eigentlich immer als offensiver Mittelfeldspieler gespielt, manchmal sogar als Stürmer", besinnt sich Vucur bezüglich seiner Torgefahr auf seine Wurzeln.

Wichtiger als schöne Tore sind in der Situation des Tiroler Bundesliga-Schlusslichts naturgemäß Punkte.

Im LAOLA1-Interview bleibt Vucur vor dem „Endspiel“ gegen Wiener Neustadt optimistisch, spricht über die Fortschritte unter Neo-Coach Michael Streiter und erklärt, warum er die Unterschrift in Innsbruck trotz anderer Angebote noch keine Sekunde bereut hat.

LAOLA1: Bist du mannschaftsintern schon zum neuen Goalgetter ernannt worden?

Stipe Vucur: Natürlich wird ein bisschen gescherzt über das Tor. Die Mannschaft hat mir gratuliert. Aber schlussendlich haben wir nur unentschieden gespielt. Wichtig sind für uns die Punkte, alles andere ist unwichtig. Ob das Tor schön oder schirch war – es zählt nur als eines und nicht doppelt (schmunzelt).

LAOLA1: Trotzdem gelingt solch ein Tor in einer Karriere nicht allzu oft. Wie oft hast du es dir inzwischen schon auf Video angeschaut?

Vucur: Ich muss ehrlich sagen, ich habe es mir sehr, sehr oft angeschaut. Ich bin stolz auf das Tor, habe mich sehr gefreut. Aber wie gesagt: Lieber wäre es mir, wenn wir gewonnen hätten.

LAOLA1: Wenn man sich deine Karrierestatistiken anschaut, fällt auf, dass du immer schon verhältnismäßig viele Tore erzielt hast. Eine Stärke von dir, die man rausstreichen kann?

Vucur: Das würde ich schon sagen. Ich war in der Akademie in Salzburg lange Offensivspieler, vor allem in jungen Jahren mit 14 oder 15 habe ich eigentlich immer als offensiver Mittelfeldspieler gespielt, manchmal sogar als Stürmer. Als ich älter wurde, ging es immer weiter zurück, weil ich extrem schnell gewachsen bin und dann durch meine Körpergröße hinten mehr Qualitäten hatte. Mit 17 wurde ich zum Innenverteidiger umfunktioniert.

LAOLA1: Du bist Kroate, bist allerdings in Salzburg geboren und aufgewachsen. Gab es nie Kontakt zum ÖFB?

Vucur: Nicht wirklich. Ich bin einem Österreicher gleichgestellt, habe allerdings die kroatische Staatsbürgerschaft. Das Problem war, in meiner Familie hat jeder die kroatische Staatsbürgerschaft, und dann wäre es eben ein bisschen schwierig gewesen, dass ich als einziger in der Familie die österreichische annehme. Dann hätte jeder in der Familie die österreichische annehmen müssen. Das war in der damaligen Situation ein bisschen kompliziert, dadurch ist das nie zustande gekommen. Mich würde es jedoch freuen, wenn ich einmal mit dem ÖFB in Kontakt kommen würde. Ich bin nicht der Typ, der sagen würde: "Nie für den ÖFB, nur für Kroatien." Ich bin in Salzburg geboren, in Österreich aufgewachsen, Österreich ist ein Teil von mir. Ich kann mir durchaus vorstellen, einmal für Österreich aufzulaufen.

Das Gespräch führte Peter Altmann

LAOLA1: Aber der Torriecher ist dir geblieben. Beim FC Lustenau hast du zum Beispiel in der Vorsaison immerhin sieben Treffer erzielt…

Vucur: Anscheinend schon, ja. Ich habe in jeder Saison meine Tore gemacht. Und auch in dieser Saison schaut es bislang nicht so schlecht aus. Was die Tore angeht, bin ich zufrieden.

LAOLA1: Punktemäßig schaut es dafür weniger gut aus. Nun wartet das wichtige Duell mit Wiener Neustadt. In Tiroler Medien schreibt man schon vom „Endspiel“. Ist das übertrieben oder eine zulässige Bezeichnung?

Vucur: Endspiel würde ich nicht sagen, denn es gibt nach diesem Spiel immerhin noch zwölf Runden. Da ist noch einiges möglich. Aber es ist natürlich sehr wichtig. Verlieren dürfen wir in Neustadt nicht. Dafür werden wir alles geben. Entschieden ist nach der Partie noch immer nichts. Wir wollen natürlich nach Neustadt fahren und die drei Punkte holen. Dann wären wir wieder dick dabei.

LAOLA1: Was macht dich zuversichtlich? Von den Ergebnissen her habt ihr im Frühjahr wenig mitgenommen, könnt ihr aber zumindest aus den Auftritten Selbstvertrauen ziehen?

Vucur: Das glaube ich schon. Wenn man sich die Partie in Klagenfurt anschaut, haben wir bis zum 1:1-Ausgleich sehr gut gespielt, hätten bis dahin 2:0 oder im Idealfall 3:0 führen können – dann wäre es ganz anders gelaufen. Zurzeit ist vielleicht das Glück nicht auf unserer Seite, aber auf die Art und Weise, wie wir spielen, können wir aufbauen. Jetzt müssen wir jedoch langsam anfangen, Punkte zu sammeln. Denn am Ende zählen die Punkte – wurscht, wie man sie holt. Aber ich bin sehr zuversichtlich, was das angeht. Denn wir haben ein sehr gutes Klima in der Mannschaft, trainieren sehr gut und haben uns im Vergleich zum Herbst um einiges verbessert.

Vucur (l) hat seine Torgefahr schon öfters unter Beweis gestellt

LAOLA1: Die Admira ist in guter Form. Seht ihr daher Wiener Neustadt als Hauptkonkurrenten im Abstiegskampf?

Vucur: Ich glaube beide. Natürlich ist die Admira zurzeit sehr gut drauf, das kann sich jedoch schnell ändern. Aber wir schauen sowieso nur auf uns, wollen unsere Spiele gewinnen und so viele Punkte wie möglich holen. Da Wiener Neustadt unser nächster Gegner ist, konzentrieren wir uns mehr auf Neustadt. Aber ich glaube, es sind beide da, deshalb kann man nicht sagen, wen wir einholen wollen oder auf wen wir uns mehr konzentrieren. Am liebsten würden wir am Ende beide überholen (schmunzelt).

LAOLA1: Was ist unter Neo-Coach Michael Streiter anders?

Vucur: Wir stehen ein wenig tiefer im Gegensatz zum Herbst, warten eher ab. Nicht so wie im Herbst, da haben wir teilweise sehr hoch gepresst. Da haben wir ab und zu unsere Probleme gehabt. Unter Michael Streiter spielen wir eine bisschen defensivere Variante, aber versuchen technisch sauberen Fußball zu spielen, verlieren nicht die Nerven und schauen, dass wir die Bälle nicht nur nach vorne schießen – das auf keinen Fall.

LAOLA1: Du hast in der Innenverteidigung mit Zeljko Djokic einen neuen Nebenmann. Wie weh tut es, dass er in den nächsten beiden Spielen gesperrt fehlen wird?

Vucur: Er ist zwar noch nicht lange hier, aber in seinen ersten beiden Spielen hat man gleich gemerkt, dass er sehr wichtig für unsere Mannschaft ist. Er ist ein routinierter Spieler, ein Leader. Man merkt, dass er viel Erfahrung hat und weiß, wie es im Profigeschäft abläuft. Es tut natürlich sehr weh, dass er uns jetzt zwei Spiele fehlen wird, aber jammern hilft sowieso nichts. Wir müssen schauen, dass wir es so gut wie möglich kompensieren.

LAOLA1: Die Rolle des Abwehrchefs wird in diesen Spielen dir gehören. Man darf nicht vergessen, dass es für dich die erste Bundesliga-Saison ist. Wie zufrieden bist du bislang mit dir persönlich?

Vucur: Ich bin im Großen und Ganzen eigentlich nicht unzufrieden. Natürlich geht es immer besser, ich habe am Anfang auch meine Spiele gebraucht, um mich an das Tempo, die Gegenspieler und die Mannschaften zu gewöhnen. Ich glaube aber, ich bin ganz okay angekommen. Ich will mich von Spiel zu Spiel steigern. Besser geht es sowieso immer. Ich werde Gas geben.