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"Hätte gerichtlich gegen Fortuna vorgehen können"

Manchmal ist die große Fußballwelt so nah und doch so fern.

Tomislav Barbaric kann ein Lied davon singen. 2012 war der Transfer des Innenverteidigers von Dinamo Zagreb zu Fortuna Düsseldorf praktisch fix. 

Ein mehr als fragwürdiger medizinischer Test sollte schließlich den Beginn einer Odyssee markieren, die Barbaric heute als "schlimmste Zeit meines Lebens" bezeichnet.

Zwei Jahre später ist sein erstes Auslandsengagement schließlich unter Dach und Fach. Beim SK Sturm tritt der 1,90 Meter große Rechtsfuß die Nachfolge von Nikola Vujadinovic an. 

Warum sich über Dinamo und seinen Satellitenklub in seiner Heimat niemand wundert, was ihn an Kroatiens Nationalteam bei der WM komisch vorgekommen ist und was Darko Milanic von ihm verlangt, erzählt Barbaric im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Wie sind deine ersten Eindrücke von Sturm Graz?

Tomislav Barbaric: Ich bin sehr froh, dass ich hier bin. Schon seit über einem Jahr wollte ich zu Sturm wechseln. Ich fühle mich jetzt schon fast wie zuhause, weil mich meine Teamkollegen sehr gut aufgenommen haben. Es ist keine einfache Zeit im Moment, weil wir sehr hart trainieren. Aber das gehört zu einer Vorbereitung dazu.

LAOLA1: Ist das Training härter, als du es dir vorgestellt hast?

Barbaric: Es ist wirklich ganz schön fordernd. Der Trainer treibt uns richtig an. Auch in Kroatien war es so, dass wir in der Vorbereitung sehr viel gelaufen sind. Hier herrscht aber ein viel höheres Tempo, das merkt man bei jeder Übung. In Kroatien habe ich mehr mit dem Ball trainiert. Hier geht es sehr viel um Geschwindigkeit und Dynamik – das ist neu für mich. Ich gewöhne mich aber daran.

LAOLA1: Wie geht es dir mit deinen neuen Kollegen?

Barbaric: Gekannt habe ich davor noch niemanden. Es ist ein ziemlich junges Team, es gibt nur wenige ältere Spieler. Besonders gut verstehe ich mich bis jetzt natürlich mit den Spielern, die Kroatisch, Serbisch oder Slowenisch sprechen. Auch die anderen haben mich toll unterstüzt, wenn ich irgendetwas gebraucht habe, wie zum Beispiel ein Handy und so weiter. Wie gesagt: Ich fühle mich jetzt schon wie zuhause. Es war sehr leicht für mich, obwohl es mein erstes Auslandengagement ist.

LAOLA1: Hast du dich auch schon in Graz zurechtgefunden?

Barbaric: Ja, glücklicherweise habe ich schon schon vor zwei Monaten, als ich den Vertrag unterschrieben habe, eine Wohnung gefunden und bin mittlerweile dort eingezogen. Mit Aleksandar Todorovski und Robert Beric bin ich zwei, drei Mal in der Stadt essen gegangen. Graz ist eine sehr ruhige Stadt. Auch meine Frau war schon für ein, zwei Tage hier und ihr hat es gut gefallen. Es ist wie ein kleineres Zagreb. Sehr ruhig und friedlich. Das mag ich.

Für Dinamo spielte Barbaric u.a. CL-Quali und Europa League

LAOLA1: Du hast angesprochen, dass dich Sturm schon seit längerer Zeit verpflichten wollte. Warum hat das zunächst nicht geklappt?

Barbaric: Vor einem Jahr haben sie mit mir Kontakt aufgenommen und wollten mich verpflichten. Dinamo Zagreb hat mich aber nicht gehen lassen. Sechs Monate später war es das gleiche mit Lokomotiva Zagreb. Ich stand aber immer wieder in Kontakt mit Sturm, weil ich unbedingt nach Graz wechseln wollte. Wenn ich mit Gerhard (Goldbrich, Anm.) und Darko Milanic gesprochen habe, haben sie mir immer ein gutes Gefühl gegeben.

LAOLA1: Davor war es ein ständiges Hin- und Her zwischen Dinamo und Lok – wie bei vielen anderen Spielern auch. Wird das von den anderen Teams einfach so hingenommen, dass hier Spieler nach Lust und Laune hin- und hergeschoben werden? 

Barbaric: Für Außenstehende wirkt das eigenartig, das stimmt. Die beiden Vereine sind quasi verbrüdert. Ich war sehr lange bei Dinamo, bis sie mich gebeten haben, doch bei Lok zu unterschreiben und ich hatte nichts dagegen, weil für mich ist das quasi dasselbe. Natürlich sind andere Klubs wie Hajduk Split darüber gar nicht begeistert. Allerdings ist Lokomotiva einer von vielleicht fünf Klubs in Kroatien, der seine Spieler rechtzeitig bezahlt. Also war es für mich immer besser dort zu spielen, als bei einem anderen Klub. Ich kann nur hoffen, dass sich die Situation in Kroatien irgendwann bessert.

LAOLA1: Und wer hat dir nun die Freigabe erteilen müssen?

Barbaric: Diesmal war es Lokomotiva, weil ich dort unter Vertrag gestanden bin. Ich habe mit dem Präsidenten gesprochen und ihn gebeten, gehen zu können, weil ich schon lange hier gespielt habe und immer korrekt und professionell war. Endlich hat es geklappt.

LAOLA1: Wie würdest du die Liga in Kroatien generell einschätzen? Mit Dinamo spielt nur ein Team regelmäßig international. In der letzten Saison war es in der CL-Quali gegen Austria Wien zwar knapp, in der Gruppenphase der Europa League gab es dann aber so gut wie nichts zu holen...

Barbaric: Bei Dinamo spielen wirklich starke Spieler, die Fans und der Präsident Zdravko Mamic machen aber viele Probleme. Dennoch schaffen es immer wieder Spieler von dort zu Topklubs, wie Modric, Mandzukic oder Sammir. Es gibt sehr viele technisch begabte Spieler, aber gesamt gesehen ist die Liga zu einseitig. Aus meiner Sicht ist Red Bull Salzburg zwar in Österreich auch allen einen Schritt voraus, aber die anderen Mannschaften liegen knapper beieinander. In Kroatien ist die Lücke zum Rest sehr groß. Rijeka und Split können vorne noch mithalten und auch Spieler kaufen. Überhaupt ist Rijeka wahrscheinlich die beste Alternative im Moment, weil die ganze Region hinter diesem Verein steht und man nicht solche Fan-Probleme wie bei Dinamo hat. Auch das Stadion ist immer ausverkauft. Split ist zwar der zweitgrößte Klub, aber sie haben große finanzielle Probleme und spielen nur mit jungen Spielern.

LAOLA1: Wie du gesagt hast, gibt es aber immer wieder sehr gute Spieler, die den Sprung ins Ausland zu Topklubs schaffen. Die Entwicklung junger Spieler scheint also zu funktionieren.

Barbaric: Für ein so kleines Land gibt es auf jeden Fall sehr viele Talente. Das größte Problem sehe ich aber in der Infrastruktur. Die Stadien sind wirklich sehr heruntergekommen. Das ist, einmal abgesehen vom Stadion Maksimir, ein absolutes Desaster. Ich habe mich da oft nicht als Spieler gefühlt, weil es keinen Support gab. Gar keinen. Es hat keine Spannung geherrscht, auch wenn der Fußball, der geboten wurde, ganz gut war. Nichtsdestotrotz haben wir eine starke Nationalmannschaft und auch durch den Beitritt zur EU erhoffen sich das Land und der Fußball natürlich etwas.

LAOLA1: Ich nehme an, dass du die Spiele von Kroatien bei der WM gesehen hast. Was hat dem Team gefehlt, um die Gruppenphase zu überstehen?

Barbaric: Gegen Brasilien war das Spiel eigentlich ganz gut und der Schiri hat getan, was er getan hat. Kamerun war für mich eines der schlechtesten Teams bei dieser WM und das Spiel gegen Mexiko ist schwer zu beurteilen. Womöglich lag es an der Taktik, denn sie waren wirklich besser. Irgendetwas war überhaupt komisch, vielleicht lag es bei Kroatien auch am Teamspirit. Da spielen lauter Superstars, was bei Mexiko ja nicht so ist.

LAOLA1: Die Erwartungen im Land waren diesmal aber ziemlich hoch, oder?

Barbaric: Das sind sie immer. Wenn du gewinnst, bist du der große Held und wenn nicht, bist du der Buhmann. Das ist immer gleich. Alle sprechen immer noch über die große Generation von 1998. Vor der WM hat mir die Mannschaft wesentlich besser gefallen. Aber in Brasilien hat einfach irgendetwas nicht gepasst.

LAOLA1: Vielleicht tun sich europäische Teams generell schwerer?

Barbaric: Ja, das kann sein. Wir haben darüber auch hier im Team schon gesprochen. Vielleicht liegt es am südamerikanischen Klima. Immerhin hat es mit Italien, England oder Spanien ja schon mehrere erwischt.

LAOLA1: Kommen wir zurück nach Österreich und zu Sturm. Als Innenverteidiger trittst du in die Fußstapfen von Nikola Vujadinovic, der sich derzeit nach einem neuen Verein umsieht. Er war – wie du – sehr groß und stark mit dem Kopf. Wie siehst du dich selbst als Spieler?

Barbaric: "Todo" und "Bera" haben mir erzählt, dass "Vuja" ein toller Spieler ist. In seiner ersten Saison hat er sieben Tore erzielt. Er sei ein toller Kerl gewesen und die Fans hätten ihn sehr gemocht, haben sie gesagt. Ich würde mich als ähnlichen Spieler sehen. Ich bin auch sehr groß und habe eine gute Sprungkraft. Vielleicht bin ich offensiv nicht so stark wie "Vuja", aber ich hoffe, dass ich auch ein paar Tore machen kann. Ich weiß, dass es schwer wird, ihn zu ersetzen. Er war zwei Jahre hier und einer der Besten. Ich kann nur versprechen, mein Bestes zu geben und damit den Trainer und die Sturm-Fans zufrieden zu stellen.

LAOLA1: Zeichnet sich schon ab, mit wem Darko Milanic als zweiten Innenverteidiger plant?

Barbaric: Derzeit tauscht der Trainer sehr viel durch, also spielen einmal Erman Bevab oder Felix Schmied mit mir, auch Todorovski. Dazu war Michael Madl in den letzten Tagen verletzt, ist jetzt aber wieder dabei und ist damit auch ein Kandidat. Ich kämpfe weiter um meinen Platz und ich hoffe, dass ich eingesetzt werde.

LAOLA1: Was verlangt der Trainer aus taktischer Sicht von dir?

Barbaric: Sehr viel! Ein paar Gewohnheiten von früher soll ich ändern, dazu fordert er mehr Schnelligkeit und volle Konzentration. Auch mehr Druck bei Angriffssituationen, wo ich dann auf den Rückraum Acht geben muss und so weiter.

LAOLA1: Zu Beginn der letzten Saison hat Sturm versucht, von hinten heraus zu spielen. Nachdem das kaum funktioniert hat, hat man es eher mit langen Bällen probiert, wodurch auch die Resultate besser wurden. Wie legt es Darko Milanic bisher an?

Barbaric: Der Trainer will schon, dass wir Verteidiger herausspielen, auch wenn es natürlich auf die Situation ankommt. Wenn Salzburg kommt, werden wir kaum zum Spielen kommen. Ich will aber selbst lieber Fußball spielen und nicht nur den Ball nach vorne knallen.

LAOLA1: Hat man sich in der Mannschaft über Ziele schon Gedanken gemacht? Platz fünf ist nicht das, was die Fans noch einmal sehen wollen.

Barbaric: Noch haben wir nicht viel darüber gesprochen, weil wir noch nicht so lange zusammenarbeiten. Der Trainer hat mir aber gesagt, dass man klarerweise besser abschneiden will, als im Vorjahr.

LAOLA1: Und dein persönliches Ziel? Du hast einen Zweijahres-Vertrag mit Option auf ein weiteres Jahr in Graz...

Barbaric: Für mich ist das jetzt schon einmal ein großer Schritt. Ich weiß, dass es eine bessere Liga ist und ich will mein Bestes geben, um zu überzeugen. Nach einem oder zwei Jahren geht es dann vielleicht noch weiter nach oben. Aber für den Moment bin ich voll fokussiert auf Sturm.

LAOLA1: Vor zwei Jahren hattest du den Sprung nach Deutschland praktisch schon gemacht. Der Wechsel zu Düsseldorf schien fix, kam aber nicht zustande. Was ist da passiert?

Barbaric: Der Doktor von Düsseldorf hat einen Fehler gemacht. Ich war bei Dinamo und Düsseldorf wollte mich im Jänner auf Leihbasis mit einer Kaufoption verpflichten. Ich kam also dort hin und habe davor zwei Mal täglich trainiert, war also ein bisschen müde. Dort habe ich dann medizinische Tests gemacht und der Mediziner sagte mir, dass ich ein Problem am Herzen habe. Da habe ich nicht gewusst, was los ist. Er hat nicht besonders gut Englisch gesprochen, ich kein Deutsch. Er wusste nicht, wie er mir sagen soll, dass ich krank bin. Sie haben Dinamo dann gesagt, dass ich Herzprobleme habe und sofort in ein Krankenhaus gebracht werden soll. Bei Dinamo waren zunächst alle sauer auf ihre Medizinier, weil sie das nicht vorher herausgefunden haben. Ich bin dann zum besten Kardiologen in Zagreb gegangen und habe mich dort testen lassen. Er hat mir gesagt: Ich habe keine Ahnung, was die gesehen haben, aber du bist völlig gesund. Danach bin ich zu Dinamo und die haben mich dann nach Leverkusen geschickt, weil der Klub gute Kontakte mit Bayer 04 pflegt. Dort hat man dann noch einmal unzählige Tests gemacht, die zum Teil sehr unangenehm waren. Das war wirklich die schlimmste Erfahrung meines Lebens. Danach haben sie mir auch dort gesagt, dass ich völlig gesund bin. Am Ende habe ich dann schriftlich bestätigt bekommen, dass Düsseldorf einen Fehler begangen hat. Ich wurde dann gefragt, ob ich gerichtlich gegen Fortuna vorgehen will, weil sie mir das angetan haben, aber das wollte ich nicht.

LAOLA1: Als du aber schon wusstest, dass alles okay ist, war Düsseldorf nicht mehr am Geschäft interessiert? 

Barbaric: Wir haben sie natürlich kontaktiert und gesagt, was Sache ist. Ich war zu dem Zeitpunkt aber schon so sauer auf sie, dass ich gar nicht mehr wechseln wollte. Sie haben mit mir gespielt. Es geht hier immerhin um mein Leben, ich bin ja nicht irgendein Straßenhund. Sogar als wir ihnen von den Tests in Zagreb erzählt haben, haben sie auf die Ergebnisse ihrer medizinischen Abteilung bestanden. Danach habe ich absolut keine Lust mehr gehabt, dorthin zu wechseln. Das einzig Gute an der Geschichte ist, dass ich jetzt weiß, dass mein Herz völlig gesund ist.

LAOLA1: Auch deutsche Medien haben damals geschlossen davon berichtet, dass du eine Virusinfektion hast.

Barbaric: Ja, das haben sie mir eben auch gesagt. In meinem Herz sei ein Virus und ich würde für mehrere Wochen müde sein. Meine Schwester ist selbst Ärztin. Ich habe sie dann von Deutschland aus angerufen und sie hat mir gesagt: Tomislav, wenn du so krank wärst, dürftest du dich gar nicht bewegen und nur schlafen. Du dürftest gar nicht ins Flugzeug steigen oder sonst etwas. Die Fortuna hat mich dann aber auf einen zehnstündigen Flug vom Trainingslager in Marbella über Zürich und Wien nach Zagreb geschickt. Wenn ich so krank gewesen wäre, warum haben die dann so etwas machen können? Ich war wirklich sauer. Dann haben sie mir noch gesagt, dass ich hier bleiben könnte, aber nur ein leichtes Lauftraining absolvieren soll. Zu dem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, wie es jetzt wirklich aussieht. Meine Schwester hat mir dann gesagt: Auf keinen Fall laufen, sonst könntest du auch noch am Feld zusammenbrechen! Es war einfach alles andere als professionell. Ich habe immer gedacht, dass ist Deutschland, da hat doch alles eine ganz andere Qualität als in Kroatien. Aber das war ein Amateur. Es war die schmerzvollste Zeit meines Lebens, aber so ist es nun einmal. Diese Dinge passieren. Das Wichtigste ist, dass ich gesund bin.

LAOLA1: Und dass du eine neue Chance bekommen hast.

Barbaric: So ist es.

 

Das Interview führte Andreas Terler