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"Fußball ist Offensive, aber nicht nur Offensive"

„Ich bin sehr froh, wieder zu Hause zu sein.“

Erste Worte als Sturm-Trainer können durchaus prägend sein. Diese Erfahrung musste der Traditionsverein aus Graz in der vergangenen Saison machen – Stichwort: „Kurzes Hy, schnelles balla – so wollen wir auch Fußball spielen“.

Im Vergleich dazu legte Darko Milanic einen bescheidenen und traditionsbewussten Auftritt hin. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Kompass klar auf Erfolg ausgerichtet ist.

Der Slowene solle den in Seenot geratenen Kahn Sturm Graz wieder flott machen, betonte General Manager Gerhard Goldbrich bei der Präsentation des neuen Coaches.

Dieser lässt keinen Zweifel daran, dass mit Trainingsstart am 17. Juni um 10 Uhr die volle Konzentration am Einstudieren seiner „Prinzipien des Spiels“ liegt. Wie sich der 45-Jährige das vorstellt, erläutert er im LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Herr Milanic, Sie waren als Spieler und später als Co-Trainer viele Jahre bei Sturm. Was macht diesen Verein in Ihren Augen aus?

Darko Milanic: Ich habe meine schönste Zeit als Spieler in Graz erlebt. Wir waren zwei Mal Meister, haben in der Champions League gespielt – wir waren wirklich wie eine große Familie. Das vergisst man nie. Ich habe mich in Graz wie zu Hause gefühlt. Ich hoffe, das bleibt so.

LAOLA1: Aus der damaligen Erfolgsmannschaft haben zahlreiche Spieler den Berufsweg als Trainer eingeschlagen. Ist das irgendwo logisch, wenn man unter einer Legende wie Ivica Osim gearbeitet hat?

Milanic: Er hat sicher großen Einfluss gehabt, war wirklich ein super Trainer. Aber jeder geht seinen eigenen Weg. In deiner eigenen Trainerkarriere nimmst du von Osim etwas mit, aber auch von anderen, dazu kommen die eigenen Ideen. Dennoch: Ivica Osim war sicher ein sehr wichtiger Mann in unserer Karriere, nicht nur in meiner.

LAOLA1: Das heißt, es wäre ein Fehler ihn zu kopieren, sondern man muss seine eigene Persönlichkeit finden?

Milanic: Super wäre es, seine Erfolge zu kopieren. Er hat wirklich einen super Job gemacht, war zwei Mal Meister, drei Mal Cupsieger. Er ist eine Legende hier. Wir müssen viel arbeiten, um das zu schaffen.

LAOLA1: Als Spieler waren Sie Verteidiger. Bei Sturm wird vom Publikum stets Offensivfußball erwartet. Wie schaut Ihre Spielphilosophie aus?

Milanic: Offensive Philosophie ist das eine  - klar, alle wollen ein Spektakel sehen. Aber im Leben ist es wichtig, dass du Erfolg hast. Erfolg schaffst du ab und zu mit superoffensivem Spiel, ab und zu ist ein bisschen Taktik dabei. Fußball ist Offensive, aber nicht nur Offensive.

LAOLA1: Sie haben durchklingen lassen, dass Ihnen Disziplin sehr wichtig ist.

Milanic: In allen Phasen. Disziplin ist auch im Angriff wichtig. Disziplin bedeutet nicht, dass du in den eigenen Strafraum gehst und dort diszipliniert stehst. Ich will, dass meine Spieler Spaß haben und auch den Mut finden, nach vorne zu spielen. Aber ab und zu, wenn du gegen starke Gegner spielst, musst du auch defensiv spielen. Ich will, dass Sturm Erfolg hat.

LAOLA1: Was sind die ersten Schritte dafür?

Milanic: Wir müssen auf dem Platz in eine Richtung ziehen. Die Spieler müssen in jedem Moment wissen, was zu tun ist. Offensiv zu spielen, technisch gut und mit viel Ballbesitz – das ist leicht gesagt, muss man sich jedoch erarbeiten. Am 17. Juni um 10 Uhr beginnen wir mit der Arbeit an unseren Spielprinzipien. Jeder Spieler muss wissen, wie er in der Offensive und Defensive reagieren muss. Unser Ziel ist das Erreichen eines Europacup-Platzes. Das bedeutet, dass wir jeden Tag ausnützen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Ich will, beginnend am 17. Juni, in jedem einzelnen Trainingsspiel und in jedem Vorbereitungsspiel Siegeswillen sehen.

LAOLA1: Das Ziel für die kommende Saison lautet Qualifikation für den Europacup. Ihr Engagement ist jedoch längerfristig ausgelegt. In Maribor haben Sie einige Male erfahren dürfen, wie sich der Gewinn des Meistertitels anfühlt. Ist dieser mit Sturm auch möglich?

Milanic: Ich funktioniere so, dass ich nicht darüber nachdenke, was in zwei Jahren passiert. Mir ist wichtig, was jetzt im Moment passiert. Wir haben die Aufgabe, einen guten Kader zu erstellen. Es ist enorm wichtig, dass wir eine Chemie in der Mannschaft finden. Aber auch eine Chemie mit den Medien und den Fans – wir brauchen Unterstützung von allen. Meine Aufgabe ist, dass alle sehen, dass es der richtige Weg ist.

LAOLA1: Wie groß muss der Kaderumbruch ausfallen?

Milanic: Die Frage nach dem Kader ist eine für den Sportdirektor. Für mich zählt nur, dass ich einen soliden und hungrigen Kader habe.

LAOLA1: Der Neuaufbau ist notwendig, weil die vergangene Saison nicht gut gelaufen ist. Inwiefern haben Sie die Probleme mitverfolgt?

Milanic: Was war, interessiert mich im Prinzip wenig. Wir müssen uns darauf konzentrieren, dass wir gut spielen, die Mannschaft bereit ist, alles zu geben. Wir müssen ein Team sein – das ist wichtig. Ich bin sicher, dass man nach einer Saison ohne Erfolg vielleicht andere Methoden anwenden muss. Aber darum bin ich da. Ein neuer Trainer kommt meistens, wenn ein Verein Probleme hatte.

LAOLA1: Sie genießen einen sehr strengen Ruf. Trifft das zu?

Milanic (grinst): Nach einer Woche werden Sie alles wissen. Ich bin ein ganz ruhiger Typ, so wie früher als Spieler. Aber wenn das Training oder das Spiel läuft, ist es etwas anderes…

Das Gespräch führte Peter Altmann