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"Eigentlich war es nicht mein Ziel, Trainer zu werden"

Es muss schon viel passieren, damit Roger Schmidt die Fassung verliert.

Ein 0:2 gegen Rapid gehört da übrigens nicht dazu.

Dafür ist der 47-Jährige ein zu ausgeglichener Zeitgenosse, dafür ist er zu sehr Realist.

"Natürlich war es eine unnötige Niederlage, weil die Mannschaft sehr viel investiert hat. Aber so ist eben der Fußball. Man kann nicht jedes Spiel gewinnen."

Allerdings hat der Deutsche, der in der vergangenen Saison No-Name Paderborn in der zweiten deutschen Liga sensationell auf Rang fünf führte, mittlerweile schon gemerkt, dass bei einem Verein wie Red Bull Salzburg nur Siege zählen.

LAOLA1 hat Roger Schmidt in seinem Büro in Salzburg zum Interview getroffen.

LAOLA1: Herr Schmidt, wir befinden uns in Ihrem Büro am Trainingsgelände. Fühlen Sie sich hier mittlerweile schon heimisch?

Roger Schmidt: Ja, auf jeden Fall. Es ist ja doch eine lange Zeit, die ich hier bin. Fast vier Monate. Allerdings war es eine sehr aufregende Zeit, darum ist sie mir kurzweiliger vorgekommen. Ich genieße es, Trainer von Red Bull Salzburg zu sein.

LAOLA1: Welche Faktoren müssen gegeben sein, damit Sie sich wohlfühlen?

Schmidt: Wenn man hauptberuflich im Fußball-Geschäft tätig ist, dann ist das Wohlbefinden extrem vom Erfolg abhängig. Das muss man schon sagen. Aber wohlfühlen hat auch viel mit den Menschen zu tun, mit denen man arbeitet. Ich habe nicht nur fußballerisch, sondern auch charakterlich eine Top-Mannschaft.

LAOLA1: Was war für Sie die größte Umstellung zu Paderborn?

Schmidt: Man hat hier mit einer ganz anderen Erwartungshaltung zu tun. Alles andere als ein klarer Sieg ist bei uns schon eine Blamage – das war doch eine große Umstellung für mich. In Paderborn konnten wir nur überraschen beziehungsweise gewinnen – wir hatten ja den mit Abstand geringsten Etat der Liga. Ich bin sozusagen von einem Extrem ins andere gewechselt. In Salzburg kann man nicht überraschen. Man kann maximal das bestätigen, was man vergangene Saison erreicht hat. Man kann nur insofern mehr schaffen, indem man den Fußball noch attraktiver macht.

LAOLA1: Red Bull Salzburg wird ja oft vorgeworfen, zu wenig Fußball-Verein zu sein. Wie haben Sie das bislang wahrgenommen?

Schmidt: Das sehe ich naturgemäß überhaupt nicht so. Red Bull Salzburg ist ein super Verein mit einem sehr angenehmen Klima. Die Voraussetzungen sind top, ich arbeite wahnsinnig gerne hier. Und ich glaube, dass auch die restlichen Mitarbeiter das so empfinden. Jeder, der bei uns arbeitet, sieht das anders als Außenstehende.

LAOLA1: Salzburg polarisiert wie kaum ein anderer Verein in Österreich. Wie gehen Sie damit um, dass es so viel Gegenwind gibt?

Schmidt: Ach, damit beschäftige ich mich nicht großartig. Wir wissen, dass es so ist, aber mich motiviert das ehrlich gesagt. Es werden immer sehr schnell Klischees herausgeholt, wenn man über Red Bull Salzburg spricht. Das können wir auch nicht ändern. Wenn wir aber dem Gegenwind standhalten und beweisen, dass man mit diesen Möglichkeiten auch Fußball zeigen kann, der Spaß macht, dann nimmt uns vielleicht der Gegner auch anders wahr. Wir können auch selbst an unserem Image arbeiten.

LAOLA1: Am Sonntag gab es wieder das Duell der Gegensätze. Rapid gegen Salzburg, „Tradition“ gegen „Kommerz“. Ist so eine Diskussion im modernen Fußball noch angebracht?

Schmidt: Angebracht ist alles, was die Leute interessiert. Wenn so ein Duell unter diesem Stern steht, dann wird darüber gesprochen, dann kommen auch Emotionen ins Spiel. Und meistens kommt unter Emotionen auch ein gutes Spiel heraus. Fußball war schon immer so, Fußball hat immer polarisiert. Es soll auch so bleiben, sonst wird es langweilig.

LAOLA1: Sie wirken dagegen sehr ausgeglichen und ruhig. Gibt es Dinge, die Sie richtig auf die Palme bringen?

Schmidt: Ja, klar. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Mannschaft nachlässig wird und damit den Erfolg gefährdet, dann regt mich das schon extrem auf. Bei mir ist das immer situationsbedingt. Ich kann in schwierigen Situationen sehr ruhig bleiben, andererseits können mich auch Kleinigkeiten auf die Palme bringen.

LAOLA1: Auf die Palme gebracht haben Sie auch zwei österreichische Legenden. Gehören Konfrontationen wie mit Didi Kühbauer und Heribert Weber einfach zum Geschäft dazu?

Schmidt: Ich würde diese Vorfälle gar nicht so hoch hängen. Es waren Situationen, die aus der Emotion heraus passiert sind. Das gehört zum Fußball dazu. Ich hoffe, dass wir diese Dinge beim nächsten Aufeinandertreffen wieder ausräumen können.

LAOLA1: Teamchef Marcel Koller hat gesagt, er habe schon gewisse österreichische Eigenheiten kennengelernt. Unter anderem neige der Österreicher zum Jammern. Haben Sie die österreichische Mentalität auch schon näher kennengelernt?

Schmidt: Das kann ich nur schwer beantworten. Wenn ich jetzt etwas sage, würde ich nur Sachen wiedergeben, die mir erzählt wurden. So richtig wahrgenommen habe ich das noch nicht. Ich habe in Salzburg auch nicht nur mit Österreichern zu tun. Wir sind ja eine ziemliche Multi-Kulti-Truppe. Von da her lerne ich sehr viele Mentalitäten kennen.

LAOLA1: Paderborn-Manager Michael Born hat Sie als eine „absolute Persönlichkeit, die einen tollen Umgang mit den Spielern pflegt“ beschrieben. Auf was legen Sie bei Spielern Wert?

Schmidt: Ich lege Wert darauf, dass die Spieler immer gewillt sind, an sich zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln. Sie müssen alles dafür tun, dass die Mannschaft funktioniert und erfolgreich ist. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Spieler das macht, bekommt er von mir jegliche Unterstützung. Ich sehe auch den Menschen und nicht nur den Spieler. Aus meiner Erfahrung heraus bringen jene Spieler ihre maximale Leistung, die sich wohl und wertgeschätzt fühlen, die man einfach vernünftig behandelt.

LAOLA1: Haben Sie jetzt eine Mannschaft zusammen, die Ihren Idealvorstellungen relativ nahe kommt?

Schmidt: Ich denke, dass wir schon viele Dinge auf dem Platz sehen, die wir uns im Training erarbeiten. Ich bin mit dem Kader sehr glücklich. Wir haben viele gute Spieler, die noch sehr jung sind und die sich noch weiterentwickeln können. Sie kommen jeden Morgen mit einem Lachen in die Kabine. So macht das Arbeiten natürlich Spaß.

LAOLA1: Ich habe gelesen, dass Sie in einer Paderborner Firma als Ingenieur gearbeitet haben. Was haben Sie dort genau gemacht?

Schmidt: Ich habe Maschinenbau studiert und war dort acht Jahre als Projekt-Ingenieur bei einem Automobil-Zulieferer tätig. Eigentlich war es nicht mein Ziel, Fußball-Trainer zu werden (schmunzelt).

LAOLA1: Inwiefern prägt das, wenn man nicht in der Fußball-Welt „groß geworden“ ist?

Schmidt: Es schadet auf jeden Fall nicht. Wenn man sich neben dem Fußball schulisch beziehungsweise beruflich weiterbildet, ist es eigentlich ein Ideal-Zustand. Der Fußball ist schon sehr speziell. Man darf nicht glauben, dass das normale Leben so ist, wie jenes im Profi-Fußball. Der normale Alltag sieht ganz anders aus. Man muss richtig viel tun, um zurecht und weiter zu kommen. Mir hat das auf jeden Fall sehr weitergeholfen.

LAOLA1: Inwiefern?

Schmidt: Ich habe alles kennengelernt. Das Studium, die Ausbildung zum Beruf, das Berufsleben. Ich weiß jetzt vor allem den Fußball mit all seinen Vorzügen zu schätzen.

Das Interview führte Kurt Vierthaler