news

Schmidt: "Das Schwierigste liegt hinter uns"

Schmidt:
Wie die Zeit vergeht.

In weniger als einem Monat ist die Bundesliga-Saison Geschichte und damit auch die erste Spielzeit von Roger Schmidt als Trainer von Red Bull Salzburg.

Der Deutsche wirkt entspannt, als LAOLA1 ihn zum Interview-Termin in der "Bullen-Arena" trifft. Das könnte an den aktuell traumhaften Temperaturen liegen. An seinem grundsätzlichen Gemüt. Oder an der Tatsache, dass der Meister sich wieder realistische Hoffnungen auf die Titelverteidigung machen darf.

Im Schneetreiben zu Ostern lag man nach einem 1:1 beim großen Titelkonkurrenten Austria Wien 13 Punkte zurück, vier Wochen später sind es bei sommerhaften Verhältnissen nur noch sechs. Ziel ist das "Finale dahoam" gegen die "Veilchen", die am letzten Spieltag in der Mozartstadt gastieren.

Im Gespräch mit LAOLA1 spricht der 46-Jährige aber auch über die deutschen Glanzleistungen in der Champions League, gibt Einsichten in sein Trainer-Leben und lässt seine bald zu Ende gehende erste Saison in Salzburg Revue passieren.

LAOLA1: Das Thema der Woche waren die deutschen Glanzleistungen in der Champions League. Macht Sie das als Landsmann stolz?

Roger Schmidt: Ich bin jetzt nicht so ein extremer Patriot, dass ich Siege deutscher Mannschaften vor allem auf Deutschland beziehe. Aber es ist natürlich so, dass es sich hier um ein Champions-League-Halbfinale handelt und beide deutsche Teams die Spanier von der Bereitschaft, vom Willen und natürlich auch fußballerisch quasi aufgefressen haben. Wie wichtig vor allem auch die ersten beiden Eigenschaften sein können, konnte man diese Woche sehen. Noch ist es nicht vorbei, aber die Ausgangspositionen sind natürlich glänzend. Wie sie von der Einstellung her aufgetreten sind, lassen sie sich das nicht mehr nehmen. Es war schon sehr überraschend, so einen deutlichen Unterschied in solchen Spielen zu sehen. Eigentlich glaubt man, da entscheiden Kleinigkeiten. Am Ende waren die deutschen Teams aber haushoch überlegen.

LAOLA1: Die Frage, die sich Europa stellt: War es das mit der Dominanz von Barcelona und des spanischen Fußballs?

Schmidt: Barcelona muss man von der Spielphilosophie wie die spanische Nationalmannschaft sehen. Sie haben das Ziel, den Gegner mit viel Ballbesitz zu zermürben und irgendwann zuzuschlagen. Ich denke, die gegnerischen Mannschaften haben sich darauf nun besser eingestellt und sind wie Bayern oder Dortmund in der Lage, ihre eigenen Waffen auf den Platz zu bringen und mit der eigenen Qualität erfolgreich zu sein. Das ist schon richtungsweisend. Barcelona und Spanien werden ihre Philosophie nicht komplett ändern, aber sie werden sich Gedanken machen müssen. Es ist der Zeitpunkt da, sich ans Fein-Tuning zu machen und die eine oder andere neue Facette zu integrieren. Barcelona ist gefühlsmäßig auch etwas reingestolpert ins Halbfinale, sie waren ja nicht so souverän wie in den Jahren zuvor. Man hat es ja schon ein wenig geahnt, dass sie nicht hundertprozentig gefestigt sind.

LAOLA1: Spielt Sättigung eine Rolle?

Schmidt: Es gibt immer Phasen, wo es nicht so läuft. Man muss auch sagen, dass Barcelona nicht im absolut besten Zustand war. Messi war verletzt und ist physisch nicht top, Puyol und Mascherano fehlten, dann verlieren auch sie an Stabilität. Dass sie bei ihren seltenen Ballverlusten anfällig sind, das weiß man, ebenso bei Standardsituationen. Wenn es offensiv auch nicht läuft, dann sieht man, dass sie Probleme haben. Auch Barcelona muss physisch und mental in einem Top-Zustand sein, um letztendlich den Unterschied auszumachen. Ich glaube aber, dass die Spieler, alleine wenn man sie so über die Saison sprechen hört, eine extrem hohe Bereitschaft haben, zu investieren und die Mannschaft auch in den Vordergrund stellen. Ich glaube nicht, dass sie gesättigt sind. Es sind momentan andere Mannschaften einfach einen Tick besser.

Schmidt im Interview mit Redakteur Kastler

LAOLA1: Sehen Sie sich als distanzierten Kumpeltypen?

Schmidt: Ich versuche nahe an den Spielern dran zu sein, aber nicht so nah, dass es negativ wird. Ich habe ja viele Spieler und man muss jedem gerecht werden. Für mich persönlich ist es einfach wichtig, dass ich ein gutes Verhältnis zu ihnen habe. Ich hatte in meinen sieben Jahren als Trainer auch nie große Differenzen. Ich habe es eigentlich immer wieder hingekriegt, die Spieler in schwierigen Situationen einzufangen. Das schafft man nur, wenn man ein vernünftiges Verhältnis zu ihnen hat. Nicht extrem distanziert, so dass man die Stimmungsschwankungen der Spieler mitbekommen kann. "Distanziert" hört sich im Zusammenhang mit Kumpeltyp etwas sachlich, nüchtern an, aber es geht schon in die Richtung.

LAOLA1: Am Ostersonntag wurden Sie gefragt, ob Sie der Austria schon zum Titel gratulieren wollen. Einen Monat später braucht es nur einen Ausrutscher der Wiener und Salzburg könnte es selbst in der Hand haben, Meister zu werden. Unglaublich, oder?

Schmidt: Das ist Fußball. Wir hatten damals bei der Austria eine ganz schwierige Situation, lagen mit einem Mann weniger zur Halbzeit zurück. Es war für die Austria eigentlich angerichtet, das Ding klarzumachen. Aus dieser Situation als Mannschaft rauszukommen, auf den Platz zu gehen, sogar nach vorne zu marschieren und verdient einen Punkt zu holen, das war ein kleiner Anfang. Man wusste nicht genau, ob es nun entschieden war oder nicht, es blieb ja bei 13 Punkten Rückstand. Aber man hat so ein wenig gespürt, das könnte eine Kampfansage sein für das, was in den nächsten Wochen folgt. Dass gerade auch die Austria damals nicht so hartnäckig nachgesetzt hat, um das an diesem Tag zu entscheiden und am Ende des Spiels im Prinzip verwaltete, nicht mehr nach vorne spielte, das war schon ein kleines Zeichen. Bei dem man aber damals nicht wusste, was es bedeutet. Jetzt im Nachhinein war es ganz wichtig, dieses Spiel nicht zu verlieren.

LAOLA1:Wenn Sie solche Spiele sehen, nehmen Sie da etwas spezifisch für Ihre Mannschaft mit?

Schmidt: Man kann viel mitnehmen. Eine klare Erkenntnis ist, dass auch routiniertere Spieler in der Lage sind, ihr Spiel zu verändern und sich weiterzuentwickeln. Wenn man sich Ribery und Robben im Vergleich zu vor zwei Jahren ansieht, das sind völlig andere Spieler. Das waren damals völlige Individualisten, die nur von ihrer individuellen Qualität gelebt haben und für die Mannschaft quasi nur dadurch von Wert waren. Jetzt haben diese Spieler die Bereitschaft, sich ins mannschaftstaktische Verhalten einzugliedern, ihre Geschwindigkeit auch im Spiel gegen den Ball sowie bei der Eroberung einzusetzen. Sie sind durch diesen Willen 30 Prozent besser geworden. Sich in diesem Bereich zu steigern, ist eigentlich einfach: Man muss es ja nur wollen, weil der Ball in diesen Situationen keine Rolle spielt. Wenn man sieht, dass sich solche Spieler weiterentwickeln können, dann ist das eine klare Botschaft an alle anderen.

LAOLA1: Ebenso geht es nur im Kollektiv. Salzburg hatte in Ihrer Anfangszeit einen Umbruch, jetzt haben wir April: Ist die Mannschaft dort, wo Sie sie haben wollten?

Schmidt: Im Moment macht es auf jeden Fall sehr viel Spaß, egal ob im Training oder beim Spiel. Wir hatten bis hierher keinen einfachen Weg. Auch wenn Außenstehende sagen, man hätte so viel Geld, man kauft sich ein paar Spieler und dann wird schon toller Fußball herauskommen. Wenn man aber jeden Tag mit der Mannschaft zu tun hat, dann ist es nicht so einfach. Wir wollen ja eine gewisse Art von Fußball spielen. Von daher haben wir sehr viele Erfahrungen gesammelt, nämlich die Spieler als Mannschaft zusammenwachsen zu lassen. Da waren sicherlich Dinge dabei, die nicht optimal gelaufen sind. Aber man hat sich durchgearbeitet und die Erkenntnisse einfließen lassen. Wenn wir es schaffen, die Saison mit Leistungen auf dem Niveau wie zuletzt zu beenden, dann haben wir im Sommer eine komplett andere Situation als ein Jahr zuvor. Dann wäre ich mit dem ersten Jahr absolut zufrieden. Denn wir sind ja angetreten, um hier etwas zu entwickeln, um irgendwann auch international konkurrenzfähig zu sein. Das war auch für mich der Reiz als Trainer.

LAOLA1: Was ist nicht optimal gelaufen, was waren die Schwierigkeiten im Prozess?

Schmidt: Wir haben viele junge Spieler mit viel Potenzial geholt, aber Dinge, wie ich sie vorher bei Bayern und Dortmund angesprochen habe, zu verinnerlichen, so dass es gemeinsam funktioniert, das ist nicht so einfach. Das war für viele auch Neuland, wie sie sich etwa gegen den Ball taktisch zu verhalten haben. Oder was es für einen Einfluss hat, wo sich der Ball gerade befindet, wie sich der Gegner gerade positioniert, wo die Mitspieler sind - sich auch darauf zu konzentrieren, nicht nur einfach Fußball zu spielen. Das muss koordiniert sein. Wenn das einer allein kann, dann bringt das gar nichts. Wenn einer ausfällt, dann haben wir schon ein Problem. Das hinzukriegen und dann mit dieser Sicherheit die Qualitäten der Spieler einzubringen, damit der Unterschied ausgemacht wird, das ist ein Prozess. Das kann man nicht anknipsen, das dauert und hat uns beschäftigt.

LAOLA1:Die Konkurrenzsituation wurde bewusst verschärft. Ist es schwierig, alle Spieler bei Laune zu halten?

Schmidt: Es ist grundsätzlich nicht meine Aufgabe, dass ich sie bei Laune halte. Alle haben den Anspruch, bei Red Bull Salzburg zu spielen und zwar unter den ersten elf. Der eine oder andere muss aber auf die Bank oder die Tribüne. Das Wichtigste ist, dass die Spieler registrieren, dass es nur einen Weg gibt, regelmäßig zu spielen und zwar besser zu sein als der Konkurrent. Das gelingt, wenn man Trainings und die Spielzeit nutzt und damit den Trainer überzeugt. Es geht ja nicht anders. Das muss man den Spielern mitgeben und durch entsprechendes Reagieren auf bestimmte Situationen als Trainer auch zeigen. Es gibt viele Beispiele in unserer Mannschaft. Da braucht man sich nur Schwegler, Sekagya oder Hierländer ansehen. Spieler, die jetzt in dieser Situation sind, haben auch diese Chance gehabt, sind nach dem einen oder anderen schwächeren Spiel rausgekommen und müssen das nun aushalten. Bei allem Verständnis dafür, dass sie meinen, sie müssen spielen, es darf nie dazu führen, dass sie für die Mannschaft negativ werden. Ich werde immer im Hinterkopf behalten, wie sich welcher Spieler in schwierigen Situationen verhalten hat. Wenn das passt, dann versuche ich jedoch auch etwas zurückzugeben. Jeder bekommt maximale Unterstützung, sei es auch im privaten Bereich, wenn es gewünscht wird. Ich will aber auch etwas zurück, das ist keine Einbahnstrasse. Das ist das Geschäft, das man mit den Spielern eingeht. Bislang bin ich damit sehr gut gefahren.

LAOLA1:Und dann kam Sturm, ein Spiel, in dem alles funktionierte.

Schmidt: Da haben wir den Glauben an uns zurückbekommen. Wir haben im Frühjahr nie verloren, aber die vielen Unentschieden in Spielen, die wir praktisch gewinnen mussten, haben genagt. Da hatten wir nicht die Klarheit, die Lockerheit, diese Partien zu entscheiden. Der Punkt bei der Austria war moralisch wichtig, der Sieg gegen Sturm für unser Spiel. Man hat in den letzten Wochen gemerkt, wie das die Mannschaft gebraucht hat. Wie gut sie auch spielen kann, wenn sie an sich glaubt.

LAOLA1: Wird Salzburg Meister?

Schmidt: Wir haben es nicht in der eigenen Hand. Wenn wir es wieder einmal in der eigenen Hand haben sollten, dann werden wir Meister.

LAOLA1: Und man hätte in der CL-Qualifikation den vermeintlich einfacheren Weg.

Schmidt: Einfacher wäre der falsche Ausdruck, wenn man bedenkt, was wir vergangenen Sommer erlebt haben. Aber klar, die Ausgangsposition würde sich diesbezüglich etwas verbessern. Daran denken wir jetzt jedoch nicht, für uns ist einfach der Titel wichtig. Gerade nach dieser Saison. Wenn man es dann am Ende der Saison noch schafft, den Titel zu holen, dann war es ein perfektes Jahr. Und es dann in die CL-Gruppenphase mit dem Verein und der Mannschaft zu schaffen, wäre der absolute Traum.

LAOLA1:Muss sich der Kader dafür noch wesentlich ändern oder um Nuancen?

Schmidt: Einen Kader muss man immer optimieren. Ich denke, wir sind jetzt auch in einem anderen Zustand. Die Spieler haben alles bald auch ein Jahr erlebt. Wir fangen im Sommer nicht mehr bei Null an. Natürlich wollen wir uns auf der einen oder anderen Position verstärken, aber dann einzelne Spieler zu integrieren ist natürlich einfacher als ein Neuaufbau. Man muss eigentlich sagen: Das Schwierigste liegt hinter uns. Deswegen glaube ich, hat sich Red Bull bzw. Herr Mateschitz auch dazu entschlossen, einen anderen Weg zu gehen, etwas zu entwickeln. Wieder Neuanfang, wieder Neuanfang, jetzt probieren wir es noch einmal - das hat nicht funktioniert. Jetzt hat man sich im Prinzip dafür entschieden, Konstantes einzubringen. Und über konstant gutes Arbeiten die Chancen zu verbessern, in die Champions League zu kommen. Das ist der Weg, den man geht, ich freue mich dabei zu sein.

LAOLA1: Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Sportdirektor Ralf Rangnick über das Jahr entwickelt?

Schmidt: Wir tauschen uns in jeglicher Hinsicht aus. Er ist für den kompletten sportlichen Bereich zuständig, für die Kaderzusammenstellung. Es ist ja nicht so, dass jeder Trainer seine Spieler mitnimmt. Es soll ja auch nach einem Trainerwechsel etwas im Verein bleiben. Es ist auch wichtig, ein entsprechende Spielidee zu haben, sollte ein anderer Trainer kommen, damit Fußball ähnlich weitergespielt wird. An dieser Idee arbeiten wir auch gemeinsam, haben natürlich ähnliche Ansichten. Die Zusammenarbeit ist eng. Die Situation war ja auch für Ralf Rangnick neu, als Sportdirektor und nicht als Trainer zu arbeiten. Ich denke, wir haben mittlerweile einen ganz guten Weg gefunden, es so hinzukriegen, dass der Erfolg des Vereins positiv beeinflusst wird.

LAOLA1: Was haben Sie aus bald einem Jahr Bundesliga mitgenommen?

Schmidt: Es ist speziell, das muss man schon erlebt haben. Etwa die Zehnerliga mit vier Duellen gegen jeden Gegner in einem Jahr. Oder wenige Zuschauer, obwohl es die höchste Liga ist. Auch wie das die Spieler beeinflusst, die ja mit Riesenerwartungen herkommen und nach der Anfangseuphorie merken, wie es so ist. Das war alles sehr spannend. Auch wie Red Bull Salzburg hier in Österreich gesehen wird, dass wir nicht ganz so viele Freunde haben und nicht viele wollen, dass wir erfolgreich sind. Wie man als Spieler und Trainer damit umgeht. Getreu dem Motto: Je größer die Widerstände, desto enger muss man innerhalb des Vereins zusammenrücken. Ich habe unglaublich viel gelernt, viel mitgenommen, viele Eindrücke gewonnen. Ich habe es keine Sekunde bereut, hier zu sein.

 

Das Gespräch führte Bernhard Kastler