LAOLA1: Wie blind macht Tradition im Bezug darauf, Neuerungen durchzusetzen und wie schmal ist der Grat, sich im schnelllebigen Business nicht zu verkaufen?

Müller: Das machen wir auch nicht. Wir haben eine hohe Verantwortung, der Vergangenheit und der Riesen-Tradition gerecht zu werden. Fußball ist ein enorm schnelllebiges Geschäft und es hat in den letzten Jahren immense Veränderungen gegeben, auch was das eigentliche Spiel betrifft. Diesen Veränderungen muss man sich stellen, aber natürlich immer mit dem Blick darauf, dass wir ein Traditionsklub sind. Ein neues Stadion bedeutet nicht, dass wir unsere Identität aufgeben, im Gegenteil. Schalke hat damals auch ein neues Stadion bekommen und jeder einzelne Fan sieht es als sein eigenes Zuhause an und behandelt es auch so. Hoffentlich bekommen wir bald unser neues „Wohnzimmer“, wohin wir mit unseren „Möbeln“ gehen und es zu einer absoluten Festung machen.

LAOLA1: Bleibt sportlich das Ziel weiterhin, vier, fünf Schaubs oder Wydras in der Mannschaft zu haben?

Müller: Ich glaube, dass wir innerhalb des Vereins eine hohe Identifikation mit dem Verein haben, deshalb gehen wir weiter den Weg mit diesen Spielern. Jeder Profi-Klub soll eine gut funktionierende Akademie haben, entscheidend ist aber, die Jungs in die Kampfmannschaft einzugliedern. Da ist dann sicherlich Talent, Qualität, aber auch sehr viel Charakter und Wille gefragt. Das wird in den nächsten zwei, drei Jahren weiter unser Hauptaugenmerk sein, sicherlich auch, weil unsere finanziellen Voraussetzungen nicht so rosig sind. Das kann sich verändern, wenn wir das neue Stadion haben, aber es ist eine ganz klare Philosophie des Klubs und schafft eine sehr hohe Identifikation mit Rapid.

LAOLA1: Wie schwierig wird es - sollte Louis Schaub nicht vorhaben, eine Rapid-Legende zu werden - , den Fans einen möglichen Wechsel ins Ausland zu erklären?

Müller: Ich rede ungern über das, was eventuell mal kommen mag. Sicherlich ist Louis ein hochveranlagter Spieler, aber er ist sehr bodenständig, hat einen guten Charakter und ist sehr klar in dem, was er in Zukunft will. Er weiß ganz genau, dass seine Zeit bei Rapid noch lange nicht zu Ende ist. Sicher kann irgendwann ein Klub in Europa die Fühler nach ihm ausstrecken. Man muss halt immer im Auge behalten, dass es dem Klub wirtschaftlich gut geht. Das muss aber nicht immer heißen, dass man Spieler verkaufen muss.

LAOLA1: Es gab ein Gerücht um Louis Schaub und RB Salzburg. Lehnen Sie es von Grund auf ab, die Konkurrenz zu stärken? Schließlich könnte Salzburg aufgrund der finanziellen Situation jeden anderen ausstechen.

Müller: An solchen Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen. Louis ist für uns sicher auch in Zukunft ein sehr wertvoller Spieler. Wir reden über einen 19-Jährigen, dessen Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist und der das Umfeld bei Rapid braucht, um Top-Leistungen zu bringen. Es gibt genügend Spieler im jungen Alter, die nicht unbedingt aufs Geld schauen, sondern eine Wohlfühlatmosphäre brauchen. Ich bin auch davon überzeugt, dass RBS nicht die nächsten zehn Jahre Meister wird. Wir müssen uns präparieren, um das Fundament zu haben, um wirklich wieder um die Meisterschaft mitspielen zu können. Vielleicht hat man in zwei Jahren die Chance, wenn RBS oder Austria vielleicht mal schwächeln – dann müssen wir da sein.

LAOLA1: In Deutschland genießen Sie nach Ihren Stationen als Manager nicht den allerbesten Ruf. Können Sie das in irgendeiner Art und Weise nachvollziehen?

Müller (lacht): Überhaupt nicht! Nein, es ist halt immer die Frage, wie eine Bewertung in der breiten Öffentlichkeit stattfindet. Es gibt sicher Teile der Boulevardmedien, die mit mir nicht so klar kamen, weil ich keiner bin, der Dinge, die nur für den Verein bestimmt sind, preisgibt.

LAOLA1: Gestehen Sie trotzdem Fehler während diesen Zeiten ein?

Müller: Natürlich habe ich Fehler gemacht, wer macht keine Fehler? Es geht aber immer darum, die Fehler schnell zu korrigieren. Das kann man immer, wenn man die Möglichkeit dazu bekommt. Ich habe es noch nie gemacht, eine Laudatio oder ein Plädoyer zu halten, was ich alles gut gemacht habe. Insgesamt glaube ich schon, dass einige Dinge vernünftig waren, einige waren nicht so gut. Das ist in einer Position, in der man Entscheidungen treffen muss, so. Ich habe für alle Entscheidungen Verantwortung übernommen und werde das auch hier tun. Es ist sowieso keine One-Man-Show mehr. Das ist eine Arbeit von vielen Leuten zusammen, aber wenn es nicht so läuft, ist einer am Ende des Tages der Buhmann. Vielleicht muss man in einer Laufbahn mal erleben, entlassen zu werden. Irgendwer hat mal gesagt: Mit dem ersten Vertrag unterschreibst du auch gleich deine Entlassung.

LAOLA1: Aber man lernt dann aus den Entlassungen…

Müller: Genau. Ich habe nach meinen Tätigkeiten immer Revue passieren lassen, wo ich mich verbessern kann. Aber man kann keinen Verein der Welt mit einem anderen vergleichen. Im Management, gerade was Transfers betrifft, ist sehr viel Erfahrung gefragt. Da habe ich in der Vergangenheit eine Menge dazugelernt. Wichtig ist, dass der Klub immer eigenständig bleibt und die Entscheidungen nicht durch Medien lanciert werden. Damit komme ich nicht so klar.

LAOLA1: Es ist Ihnen also gar nicht so unangenehm, abseits der deutschen Medienlandschaft sportliches Neuland in Österreich zu betreten?

Müller: Wenn man bei Rapid keinen Erfolg hat, ist es auch nicht angenehm. Das ist auch mein eigener Anspruch, dass wir erfolgreich sind. Es mag so sein, dass die Medienlandschaft in Deutschland noch viel präsenter ist. Aber das ändert nichts an meiner Motivation.

LAOLA1: Sie haben Ihre Managerkarriere bei Schalke durch „learning by doing“ angefangen. Wieviel Praktiker sind Sie bzw. wieviel beschäftigen Sie sich mit Theorie?

Müller: Ich bin eher einer, der Dinge praktisch löst. In der Theorie kann man sich viel ausmalen, aber im Fußball muss man nah dran sein, um zu wissen, was nach einem Spiel in der Kabine vor sich geht. Da ist viel Erfahrung, aber auch viel Gefühl gefragt, weil man es selber als Spieler und Manager erlebt hat. Ich bin eher praktisch veranlagt, was nicht heißt, dass man sich nicht über strategische Dinge, die den Verein weiterbringen, Gedanken macht. Entscheidend ist immer die Umsetzung. Es gibt gnadenlos gute Theoretiker, alle Ideen sind super, aber es hapert an der Umsetzung. Für mich ist wichtig, welche Ziele der Verein hat und wie man sie am besten, möglich schnell, nachhaltig umsetzen kann.

LAOLA1: Sie haben immer wieder von Bauchgefühl gesprochen. Das passt dann schon besser zu Ihrem Wesen als Herz- oder Bauchmensch…

Müller: Klar, das ist die Erfahrung aus vielen Entscheidungen, die ich getroffen habe. Alle Bauchentscheidungen waren zu einem ganz hohen Prozentsatz positiv. Viele Dinge, die vom Ansatz her richtig waren und so laufen hätten müssen, aber wo man in den Gesprächen nicht so dieses Gefühl hatte, haben nicht funktioniert. Deswegen verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl.