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"Der Begriff Ausbildungsverein gefällt mir nicht"

„Bist du Sturm?“

Mit dieser simplen Frage erkundete Christian Jauk in seiner Jugend im Gespräch mit Fußball-Interessierten, ob sein Gegenüber wohl auf der, aus seiner Sicht, richtigen Seite steht.

Jauk ist auf jeden Fall Sturm. Und zwar ab sofort als Präsident an der Spitze des Klubs.

Sein Rollenverständnis soll jedoch nicht jenem des einen oder anderen Amtsvorgängers gleichen, eine One-Man-Show ist tabu. Quasi als Grundbedingung für sein Engagement als Vereinsoberhaupt stand die Ausgliederung des Profibetriebs in eine Kapitalgesellschaft.

Diese bedingt die Installierung zweier – noch zu bestellender – hauptamtlicher Geschäftsführer für den sportlichen und wirtschaftlichen Bereich. Soll heißen: Schluss mit der Ehrenamtlichkeit an der Vereinsspitze, die dem regierenden Meister in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren abseits der Erfolge am Platz diverse Negativschlagzeilen eingebrockt hat.

Jauk kennt diese Problematik nur allzu gut. Der Bankier war einst federführend an der Rettung Sturms beteiligt und fungierte bis Ende 2010 als Finanzvorstand.

Im LAOLA1-Interview geht der 46-Jährige näher auf seine Überlegungen zum Thema Vereinsführung ein, spricht jedoch auch über seine Ablehnung des Schlagworts Ausbildungsverein, das „Sturm-Stadion“ und die Anfänge seiner Liebe zu Sturm.

LAOLA1: Gratulation zur Wahl zum neuen Sturm-Präsidenten. Sie sagen, der Verein ist eine Herzensangelegenheit für Sie. Wie sind Sie einst mit dem Sturm-Virus infiziert worden?

Christian Jauk: Ich bin das erste Mal 1974 auf den Fußball-Platz gegangen, da hat Sturm gegen Rapid gewonnen. Sturm wurde meine Herzens-Mannschaft, weil ich mich dort wohl gefühlt habe, meine Freunde dort waren. Ich komme aus normalen und einfachen Verhältnissen, da waren in der Regel die Sturm-Anhänger zu finden. Dort habe ich das erste Mal in meinem Leben so etwas wie Solidarität kennengerlernt, wo Menschen, die sich wildfremd waren, zusammengehört haben. Ich selbst war Hobby-Fußballer, habe mich aber aus zeitlichen Gründen auf meine Ausbildung gestürzt. Aber die Liebe zu Sturm ist natürlich geblieben und hat sich weiterentwickelt.

LAOLA1: Haben Sie einen Spieler in all den Jahren als Fan besonders bewundert?

Jauk: Ich hatte zu einem Spieler eine ganz besondere Beziehung, und zwar zum damaligen Star Gernot Jurtin. Meine Mutter hat 1976 eine Überraschung zu meinem 11. Geburtstag vorbereitet. Ohne dass sie ihn näher gekannt hat, hat sie ihn angerufen und gefragt, ob er kommt – und er ist einfach gekommen. Das war unglaublich! Ich habe ihn dann viele, viele Jahre später einmal angerufen und mich dafür bedankt. Er hat mir dann anlässlich meines 40. Geburtstags in der Gruabn ein Geburtstagsspiel gegen die alten Sturm-Ikonen geschenkt. Das war eine unglaublich schöne Geste. Umso mehr hat es mich getroffen, dass er so jung von uns gegangen ist, weil er einfach ein außergewöhnlicher Mensch war. Aber ich kenne auch noch viele andere aus dieser Zeit. Diese familiäre Atmosphäre hat Sturm immer ausgezeichnet. Letztlich ist Sturm, egal wie man es drehen und wenden will, für österreichische Verhältnisse einfach ein Kult-Klub. Die Emotionen der Fans waren schon immer außerordentlich, aber auch die Fantreue.

LAOLA1: Womit wir wieder bei den vielen Variablen wären. Wie wappnet man sich dagegen?

Jauk: Man muss eben diszipliniert bleiben. Ich war Finanzvorstand in der Ära von Hans Rinner, und als solcher war ich natürlich der erste Nein-Sager. Nein zu sagen, gehört auch dazu. Irgendwann kommst du zu einem Ergebnis. In den letzten Jahren hat das, glaube ich, ganz gut hingehauen. Ich kann nur hoffen, dass das auch in Zukunft so funktioniert.

LAOLA1: Waren die Erfahrungen aus Ihren vier Jahren als Finanzvorstand der Grund, warum Sie auf neue Strukturen gedrängt haben?

Jauk: Absolut. Wir haben damals schon den Plan gehabt, sind aber nicht mehr dazu gekommen. Was ich gesehen habe: Solange der Präsident immer im Mittelpunkt steht - das war vielleicht durch Hannes Kartnig besonders geprägt - ist es für einen Funktionär mit einem Beruf nicht mehr möglich, seine Funktion ordentlich auszufüllen. Das können heute nur hauptberufliche Geschäftsführer machen. Sturm Graz ist zwar ein Sportverein, aber Sturm Graz ist auch ein Wirtschaftsunternehmen. Man muss respektieren, dass dafür moderne Vereinsstrukturen notwendig sind. Ich glaube, dass man letztlich nur auf diese Weise gute Funktionäre akquirieren kann. Sonst hast du einfach eine systematisch bedingte Präsidenten-Fluktuation.

LAOLA1: Teilen Sie den Eindruck, dass in den vergangenen Jahren die Schere zwischen sportlichem Erfolg und organisatorischen Problemen zu weit aufging? Bei Letzteren war in der Außendarstellung oftmals der Touch des Amateurhaften und Provinziellen dabei.

Jauk: Was bei Sturm Graz nach der Insolvenz passiert ist, war schon ein Demokratisierungsprozess, den andere Vereine in Österreich so wahrscheinlich nicht erlebt haben. Es gibt sehr kritische und sensible Mitglieder, die das Handeln natürlich sehr genau kontrollieren. Das gilt auch innerhalb des Vorstands. Die einen Vorstandskollegen schauen genau: Was macht der Präsident? Was machen die Vizepräsidenten? Dadurch sind manche Dinge an die Öffentlichkeit transportiert worden. Diese Dinge gibt es bei jedem Verein, bei Sturm Graz stand es eben in der Zeitung. Wir müssen versuchen, das zu vermeiden, damit man nicht jede interne Diskussion irgendwo in einem Medium wiederfindet. Aber es stimmt schon, dass in den vergangenen Jahren Baustellen aufgetreten sind, die vielleicht mit einer Struktur mit hauptberuflichen Verantwortlichen nicht passieren. Zum Beispiel gibt es im Bereich Fanservice gewaltigen Verbesserungsbedarf. Du brauchst einfach Geschäftsführer, die das Geschäft übernehmen. Es geht nicht anders. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Sonst hast du einfach immer Präsidenten, die frustriert sind, die Tag und Nacht für den Verein arbeiten und am Ende Schuld sind, wenn etwas nicht hinhaut. Mich wundert, dass das andere Vereine nicht haben – bis auf die Austria.

LAOLA1: Nun stehen Sie an der Spitze dieses Kult-Klubs. Was bedeutet Ihnen das?

Jauk: Ich habe damals die Rettungsaktion mitorganisiert (in der Saison 2006/07; Anm.d.Red.). Ich habe das Konzept geschrieben und drei Großinvestoren gebracht. Ich war seit 2006 dabei und bin Ende 2010 aus meiner Funktion als Finanzvorstand ausgeschieden. Ich habe meine Periode fertiggemacht, bin nicht zurückgetreten, sondern nicht noch einmal angetreten. Einerseits war die Mission beendet, dass der Verein wieder auf ordentlichen wirtschaftlichen Beinen steht. Andererseits waren wir auch sportlich hervorragend unterwegs. Es ist ja dann in dieser Saison noch zum Meistertitel gekommen. Ich habe in dieser Phase jedoch auch gesehen, dass Fußball von innen immer ein bisschen anders ist als von außen.

LAOLA1: Das heißt?

Jauk: Das heißt, wenn man sich dem Fantum und diesen Gedanken hingibt, muss man sehr vorsichtig sein. Denn am Ende des Tages kann man nur so viel ausgeben, wie da ist. Die Schwierigkeit ist, dass Fußball ein Geschäft mit so vielen Variablen wie in keinem anderen Business ist. Deswegen muss man vorsichtig sein.

LAOLA1: Wenn Sie die Unterschiede zwischen Innen- und Außenansicht eines Vereins erwähnen: Gerade in Graz ist in der Vergangenheit der eine oder andere Präsident abgehoben, allen voran Hannes Kartnig. Wie schwer ist es, gewissen Verlockungen zu widerstehen und wirtschaftlich nicht zu viel zu riskieren?

Jauk: Wenn Sie in einer Firma investieren, haben Sie wahrscheinlich nicht derart hohe Risiken wie bei einem Fußballverein. Wenn Sie in einen Spieler investieren, kann der sich verletzen, der sportliche Erfolg kann ausbleiben. Man braucht, und das darf man nie vergessen, auch das Glück des sportlichen Erfolgs – so wie Sturm in den letzten Jahren. Man muss als Funktionär immer aufpassen, nicht anzunehmen, dass die Dinge einfach so selbstverständlich funktionieren können. Auch wenn man das Beste gibt und ein gutes Team hat: Man muss immer auf der Hut bleiben. Denn im Fußballgeschäft kann derart viel passieren – nicht nur positiv sondern auch negativ. Und das hat dann immer unmittelbare Konsequenzen.

LAOLA1: War die Austria mit ihrem AG-Modell ein Vorbild?

Jauk: Nicht unbedingt Vorbild. Sie waren vor uns dran, aber zum damaligen Zeitpunkt hatten wir das Konzept auch schon. Im Grunde genommen bleibt dir nichts anderes übrig. Du kannst logischerweise nur diesem Modell folgen. In guten Ligen wie Deutschland und England ist es gang und gäbe. Wir haben ja nichts Neues erfunden.

LAOLA1: Die Installierung zweier hauptamtlicher Geschäftsführer bedeutet auch, dass Sie im Hintergrund agieren werden.

Jauk: Das ist mein Vorsatz. Dafür gibt es eine Geschäftsführung, der man das Mikro hinhalten kann. Das heißt, die gesamte Medienpräsenz sollte an mir vorbeigehen. Wann immer ein Spiel verloren geht oder ein Trainer-Thema ansteht, werde ich auf die beiden Geschäftsführer verweisen. Die beiden sind verantwortlich, also müssen sie die Kompetenzen haben, solche Entscheidungen zu treffen. Wir sind das Kontrollorgan und schauen uns das an. Als bei der Wiener Austria Herr Daxbacher ersetzt worden ist, musste auch nicht der Herr Präsident, Gewerkschaftsboss Wolfgang Katzian, den Medien gegenüber etwas sagen.

LAOLA1: Bezüglich sportlichem Zugang gibt es in Graz ebenfalls zwei Lager. Die einen wollen Sturm eher als Ausbildungsverein, der den eigenen steirischen Nachwuchs fördert, sehen. In den vergangenen  Jahren wurden indes vermehrt Spieler von außen geholt. Welchen Weg bevorzugen Sie?

Jauk: Der Begriff Ausbildungsverein gefällt mir ehrlich gesagt nicht. In der Vereins-Philosophie steht „Karriere-Plattform“. Karriere-Plattform heißt nämlich auch, bei Sturm bleiben zu können, also nicht immer nur die Karriere woanders, zum Beispiel im Ausland, fortzusetzen. Ich glaube, es muss eine gesunde Mischung sein. Das Ziel ist das Erreichen eines internationalen Startplatzes. Das muss halt drinnen sein mit dem jeweiligen Kader.

LAOLA1: Auf der Mitgliederversammlung haben Sie angekündigt, die Arena in Liebenau zum „Sturm-Stadion“ machen zu wollen. Der GAK ist wenig erfreut und spricht von einem „Faschingsscherz“. Wie genau ist dieses Vorhaben zu verstehen?

Jauk: Der GAK kann gerne trotzdem dort spielen. Warum auch nicht? Es geht darum, dass wir einen langfristigen Pachtvertrag anstreben. Das ist genau das, was bei Rapid mit der Stadt Wien passiert ist. Überall in Deutschland passiert das. Und warum? Weil einfach der Verein besser über die Bedürfnisse der Kunden, sprich der Fans im Stadion, Bescheid weiß. Wir können das besser und effizienter machen. Was ich weiß, ist die Stadionbetriebsgesellschaft ja keine große Einnahmequelle, da sollte man vernünftigerweise reden können.

Das Gespräch führte Peter Altmann