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"Hyballas Brechstange kam als Boomerang zurück"

Von einem turbulenten Jahr bei Sturm Graz zu sprechen, wäre eine Untertreibung.

Der blamable Auftritt beim 0:3 bei der Admira war ein weiterer Tiefpunkt einer Saison, die neben dürftigen sportlichen Darbietungen von ständigen Personalrochaden gekennzeichnet war.

Neun Monate lang war Christopher Houben ein Teil des Projekts "Sturm Neu".

Ursprünglich als Geschäftsführer Wirtschaft bestellt, übte er nach dem Abgang von Paul Gludovatz interimistisch in der Sommer-Transferzeit 2012 zusätzlich das Amt des Geschäftsführers Sport aus.

Im August 2012 reichte er seine Kündigung ein. Seither schwieg der 32-Jährige in der Öffentlichkeit.

Im LAOLA1-Interview nimmt Houben, der mittlerweile in die Privatwirtschaft zurückgekehrt ist, nun ausführlich zu vielen Problemfeldern während seiner Amtszeit beim kriselnden Traditionsverein Stellung.

Unter anderem zum Fehler, Franco Foda zu beurlauben, seinen eigenen Fehler, die Rolle als Sportchef anzunehmen, sein schon im Sommer einsetzendes Bauchweh bezüglich Peter Hyballa, der stets mit der "Brechstange" agiert habe.

Zudem spricht er über Präsident Christian Jauk und das Versäumnis Sturms, die guten Überschriften des Konzepts "Sturm neu" mit Inhalten zu versehen.

LAOLA1: Welche Zwischennote würden Sie dem im Frühjahr 2012 gestarteten Projekt „Sturm Neu“ geben?

Christopher Houben: Die Frage ist sehr schwer zu beantworten, da ich ein Teil davon war. Einerseits hatte ich den internen Blick, wo ich selbst ein Entscheidungsträger im Klub war, andererseits habe ich seit Anfang Dezember die Außensicht. Deshalb kann ich kein Pauschalurteil mit einer Note abgeben.

LAOLA1: Anders gefragt: Wie steht Sturm im Vergleich zu dem, was geplant war, da?

Houben: Ich kann nur über die Zeit sprechen, als ich selbst Verantwortung übernommen habe, das war von März bis November 2012. Da traue ich mich zu sagen, dass Sturm – und damit auch ich – die gesetzten Ziele und die nach außen kommunizierten Erwartungen nicht erreichen konnte. Von der Grund-Idee „Sturm Neu“ ist in diesen Monaten sicher ein Großteil nicht umgesetzt worden.

LAOLA1: Ist das ein Grund, warum Sie gegangen sind, bzw. woran machen Sie Ihren Abschied fest?

Houben: Ich hatte nun einige Monate Zeit, die unglaublich intensive Zeit bei Sturm zu reflektieren, wo es Schlag auf Schlag gegangen ist, wo man kaum Luft hatte, das, was gerade passierte, tiefgreifend zu hinterfragen. Es war mein eigener Wunsch, mein Amt zurückzulegen. Das habe ich durch meine Kündigung Mitte August im Rahmen eines Gesprächs und anschließend auch schriftlich getan. Da ich einen normalen unbefristeteten Dienstvertrag hatte, war ich noch bis Ende November im Amt. Das war einerseits auf die Kündigungsfrist von drei Monaten zurückzuführen, andererseits hat man mich gebeten, noch zwei Wochen länger im Amt zu bleiben. Bezüglich der Gründe muss man gar nicht lange um den heißen Brei herumreden: Die Möglichkeit, meine Erwartungen an die Aufgabe bei Sturm beziehungsweise die Ziele, die ich für Sturm gesehen und die ich mir selbst gesetzt habe, umzusetzen, habe ich bereits nach wenigen Monaten nicht mehr erkannt. Aus diesem Grund habe ich entschieden, mich zurückzuziehen. Man kann sagen, dass sich vieles von der angesprochenen Grund-Idee in der Realität nicht wiedergefunden hat.

In Houbens Augen hat sich Hyballa nicht ausreichend auf Sturm eingelassen

LAOLA1: In Ihre Amtszeit fällt die Bestellung von Peter Hyballa und Ayhan Tumani. Was war der Hintergedanke und wie ist es in jener Zeit, als Sie noch beim Verein waren, aufgegangen?

Houben: Was man sich erhofft hat, ist in der Öffentlichkeit genauso angekommen. Man hat sich einen Trainer-Typ gewünscht, der in der Lage ist, alte Konzepte und Denkmuster aufzubrechen. Das war der Grundgedanke. Peter Hyballa ist in persönlichen Gesprächen ein unglaublich gewinnender Typ. Das hat schlussendlich nicht nur Paul Gludovatz und mich als die damals verantwortlichen Geschäftsführer überzeugt, sondern in weiterer Folge auch den Aufsichtsrat, der die Trainerbestellung schlussendlich entschieden hat. Man kann nun natürlich darüber diskutieren, ob unser Anforderungsprofil scharf genug war. War es tatsächlich auch auf die Gegebenheiten in Graz und auf die Anforderungen, die Sturm an einen Trainer hat, zugeschnitten? Damit meine ich nicht so sehr, was sich das Management erwartet, sondern was erwartet das Umfeld? Was braucht dieser Klub, der ein ganz spezieller ist? Vielleicht haben wir uns da zu wenig Gedanken gemacht, es nicht genau spezifiziert und die Suche dementsprechend auch nicht zielgenau abschließen können. Ich schätze Peter Hyballa als fußballerischen Fachmann unglaublich und wehre mich auch gegen jede Aussage, die ihn als Person bezeichnet, die nichts von Fußball versteht. Das ist falsch. Aber ich muss mich in einer leitenden Führungsfunktion, und das ist man als Trainer nun einmal, auch eine Spur an die Umweltgegebenheiten, in denen ich tätig bin, anpassen. Das heißt nicht vollständiges Anpassen und Aufgabe der eigenen Persönlichkeit, aber das heißt natürlich, dass ich mich auf das Umfeld einlassen und zu einem gewissen Grad anpassen muss. Ich bin überzeugt, dass das nicht ausreichend der Fall war.

LAOLA1: Wie hat sich das geäußert? Am Anfang war im Grazer Umfeld eine große Begeisterung bezüglich Hyballa zu spüren. Diese ist relativ bald gekippt. Warum?

Houben: Es gibt vor allem einen Punkt. Aus meiner Sicht hat sich Peter Hyballa nicht ausreichend auf Sturm eingelassen. Er hat sein Ding durchgezogen. Das ist auf der einen Seite notwendig, aber er hat eine Spur zu viel davon ausgepackt, nämlich die Brechstange. Und diese Brechstange ist irgendwann einmal wie ein Boomerang zurückgekommen.

LAOLA1: Konnte man ihm das nicht verdeutlichen? War er diesbezüglich beratungsresistent?

Houben: Viele dieser Themen waren relativ schnell erkennbar, man hat sie auch von Anfang an adressiert. Ich kann da auch über mich selber sprechen: Ich habe ihn einige Male auf diese Themen hingewiesen.  Beratungsresistent ist ein hartes Wort, aber Peter hat sich dennoch sehr oft dafür entschieden, den Weg der Brechstange weiterzugehen, auch wenn man ihm manchmal zur Diplomatie geraten hat.

LAOLA1: Welche Rolle hat in diesem Konstrukt im vergangenen Sommer Ayhan Tumani gespielt?

Houben: Ayhan Tumani ist grundsätzlich als Co-Trainer gekommen. Er brachte mit seiner Erfahrung als Co-Trainer von Christoph Daum bei Fenerbahce Istanbul eine starke Vita mit. In persönlichen Gesprächen hat er uns damals einen sehr kompetenten Eindruck vermittelt. Auch bei der Zusammenstellung des Kaders, wo ich auf jede Hilfestellung angewiesen war, hat er unterstützend mitgewirkt. Zu dem, was nach meinem Rücktritt passiert ist, sprich seine Bestellung zum sportlichen Geschäftsführer, kann ich im Detail nichts sagen, weil ich in diese Entscheidungsprozesse de facto nicht involviert war.

LAOLA1: Was haben Sie sich gedacht, als Tumani zum Geschäftsführer Sport bestellt wurde?

Houben: Dazu möchte ich keine Stellung nehmen.

LAOLA1:Wann begann diese Fehlentwicklung?

Houben: Als Erstes suche ich immer bei mir selbst. Ein großer Fehler, den ich mir selbst zuschreibe, ist, dass ich mich nicht dagegengestellt habe, als es darum ging, Franco Foda zu beurlauben. Und generell muss man sagen: Ein Gerüst mit zwei Geschäftsführern von zwei Kapitalgesellschaften als Grundstruktur ist eine Übung, die auf dem Papier relativ einfach ist, aber in der Realität braucht man einerseits den unbedingten Willen, alles dafür Notwendige zu tun, und muss andererseits die richtigen Personen aussuchen. Hier wurden sicher einige Entscheidungen nicht optimal getroffen.

LAOLA1: Spielen Sie hier auf die Personalie Paul Gludovatz an, der ein absoluter Fußball-Fachmann ist, der sich aber für eine Geschäftsführer-Rolle nur als bedingt geeignet erwies?

Houben: Das wäre zu kurz gegriffen. Personalien sind sicher ein Thema. Es geht jedoch auch um eine andere Frage: Wenn man Strukturen schaffen möchte, muss man auch tatsächlich welche schaffen, um diese Strukturen auch wirklich leben zu können. Da geht es weniger darum, ob der Name Paul Gludovatz richtig oder falsch war, sondern grundsätzlich über die Vorstellung, was man von einer bestimmten Position tatsächlich erwartet.

LAOLA1: Heißt das, dass es im Konzept „Sturm Neu“ gute Überschriften gab, die Inhalte jedoch nie ausformuliert wurden?

Houben: Das würde ich als einen großen Grund formulieren, warum ich mich im August entschieden habe, meinen Dienstvertrag als Geschäftsführer bei Sturm Graz zu kündigen.

Welchen Anteil hat Präsident Jauk, dass die klare Linie verlassen wurde?

LAOLA1: Jauk hat immer wieder betont, wie wichtig ihm hauptamtliche Geschäftsführer sind, da er ehrenamtliches Präsidententum ablehnt. In der Öffentlichkeit ist von ihm auch wenig mitzubekommen. Wie präsent ist er intern?

Houben: Wer wann und wo präsent ist, und wer wie oft irgendwen anruft – darüber möchte ich keine Worte verlieren.

LAOLA1: Welche Lösungsstrategien sehen Sie, damit „Sturm Neu“ zurück in die Spur findet?

Houben: Ich muss ganz ehrlich sagen: Natürlich verfolge ich meinen ehemaligen Arbeitgeber noch, habe inzwischen jedoch eine sehr passive Haltung eingenommen. Das heißt, dass ich mir nicht laufend Gedanken zur Gegenwart und Zukunft von Sturm mache. Ich habe das Thema Fußball sehr intensiv gelebt, für mich ist dieses Thema jedoch Vergangenheit. Es ist nicht unbedingt meine Aufgabe, Ratschläge zu erteilen, wie Sturm Graz in Zukunft zu führen ist.

LAOLA1: Auch der Privatmann Christopher Houben wird sich jedoch seine Gedanken gemacht haben, als mit Friedrich Santner unlängst der Aufsichtsratsvorsitzende den Hut nahm. Welches Signal stellt dieser Rücktritt dar?

Houben: Ich kann nur sagen, dass ich Friedrich Santner sowohl als Mensch als auch in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender bei Sturm unheimlich zu schätzen gelernt habe. Wenn so eine Person einen Verein wie Sturm verlässt, ist das immer bedauerlich.

LAOLA1: Sie sind vor 14 Monaten mit großen Zielen angetreten. Es hat nicht wie gewünscht funktioniert. Wie fällt Ihr emotionales Fazit aus? Große Enttäuschung?

Houben: Das muss man zweiteilen. Nachdem mir die Idee „Sturm Neu“ sehr gut gefallen hat und ich nach wie vor von den Grundzügen überzeugt bin, bin ich natürlich enttäuscht, dass aus dieser Idee bis jetzt kein umgesetztes Konzept wurde. Die für mich wesentlich wichtigere persönliche Seite ist, dass es ein unglaublich intensives Jahr war. Ich bin wirklich an meine Grenzen gegangen, habe auch gemerkt, dass dieses Fußball-Umfeld in Österreich nicht unbedingt zu Christopher Houben passt oder Christopher Houben dort nicht hinein passt – das kann man jetzt sehen, wie man möchte. Ich glaube aber trotzdem, dass ich für mich persönlich unheimlich viel mitnehmen konnte, und dafür bin ich irrsinnig dankbar. Und ich bin auch irrsinnig dankbar, dass mir Sturm Graz diese Möglichkeit gegeben hat, neun Monate wirtschaftlicher Geschäftsführer zu sein, auch wenn es nicht so ausgegangen ist, wie ich es erhofft hatte. Denn ich bin natürlich nicht am 1. März 2012 mit dem Gedanken angetreten, das am 30. November 2012 wieder zu beenden.

Das Gespräch führte Peter Altmann

LAOLA1: Sie haben es als Fehler bezeichnet, sich nicht gegen die Beurlaubung von Franco Foda zu positionieren. Können Sie das konkretisieren?

Houben: Ich habe den Grundgedanken von „Sturm Neu“ damals so verstanden, dass es um eine langfristige Neuausrichtung des Klubs geht. Nun ist das im Fußball natürlich immer ein theoretisches Konstrukt, weil man ja Woche für Woche Ergebnisse abliefert und dies maßgeblich die Stimmungslage des Umfelds beeinflusst. Nichtsdestotrotz hat es zum damaligen Zeitpunkt überhaupt keinen Sinn gemacht, diese Beurlaubung durchzuführen. Es war eine Kurzschlussaktion, um die Saison 2011/12 doch noch mit einem Europacup-Startplatz zu retten. Wenn man das mit etwas Abstand noch einmal nüchtern betrachtet, war es eine absolute Fehlentscheidung und hat in Wahrheit dem Projekt „Sturm Neu“ schon nach kurzer Zeit einen massiven Dämpfer versetzt, von dem sich das Projekt wahrscheinlich bis heute nicht erholt hat.

LAOLA1: Paul Gludovatz war danach heftigem Gegenwind ausgesetzt und musste in der Folge auch w.o. geben. Sie haben deshalb neben Ihrem Job als Geschäftsführer Wirtschaft zusätzlich interimistisch jenen als Geschäftsführer Sport ausgeübt. Hätten Sie diese Aufgabe als Geschäftsführer Sport nicht in dieser Intensität annehmen dürfen?

Houben: Ich hätte sie gar nicht annehmen dürfen. Es war vielleicht der entscheidendste Fehler von einer Reihe an Fehlentscheidungen, die ich getroffen habe, diese Position anzunehmen. Ich glaube zwar nicht, dass ich es besonders schlecht gemacht habe. Das ist aber nicht der Punkt. Die Aufgabe war schon im wirtschaftlichen Bereich groß genug. Wenn man hier noch eine zusätzliche Belastung auf sich nimmt, vor allem in einem Bereich, in dem ich über überhaupt keine Erfahrungen verfüge, sprich mir die Themen noch härter als bei anderen erarbeiten muss, kommt man zwangsläufig irgendwann in massive Zeitprobleme und in weiterer Folge auch in eine eindeutige Überlastungssituation.

LAOLA1: Diese Überlastungssituation wurde auch medial immer wieder kolportiert. Hatten Sie das Gefühl, dass von Vereinsseite genügend Unterstützung vorhanden war?

Houben: Eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. Im Nachhinein betrachtet, kann man es sich einfach machen und sagen, man hatte nicht die Unterstützung des Vereins. Die Frage, die man sich jedoch auch stellen muss: Wer hätte unterstützen können und sollen? Ich habe sehr wohl Unterstützung bekommen, wenn ich zum Beispiel den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Friedrich Santner nennen darf, der ganz eng mit mir zusammengearbeitet hat. Natürlich war ich auch in sehr enger Abstimmung mit Christian Jauk. Ich sagte aber bereits, dass ich einen Fehler gemacht habe, indem ich diese Position als Geschäftsführer Sport – wenn auch nur interimistisch - übernommen habe. Dann im Nachhinein zu jammern, man hat mich nicht ausreichend unterstützt, wäre eine komische Kombination. Aber es geht ja nicht um Christopher Houben, tatsächlich geht es darum, wie Sturm Graz diese sportlichen Themen am besten hätte bearbeiten können - und davon gibt es ganz viele, von denen ein Großteil in der Öffentlichkeit gar nicht stattfindet. Die Frage ist: Wie hätte man das optimal organisieren können? Da hätte man sich wohl ein bisschen mehr Gedanken machen müssen, als nur zu sagen: „Herr Houben, übernehmen Sie bitte auch diese Aufgabe!“

LAOLA1: Wie haben Sie das Zusammenwirken des Duos Hyballa/Tumani erlebt?

Houben: Die beiden haben sich nicht so schlecht ergänzt, weil Ayhan Tumani sicherlich einige Charaktereigenschaften mitgebracht hat, die Peter nicht so gehabt hat. Aber natürlich hat es auch einige deckungsgleiche Charakterzüge gegeben – Stichwort Brechstange -, die im gemeinsamen Zusammenwirken noch stärker zum Tragen gekommen sind.

LAOLA1: Wie haben Sie die bürointerne Reaktion auf die Vorgehensweise dieses Duos erlebt?

Houben: Nach fünf Monaten, die ich nicht mehr im Amt bin, über Bürointerna und meine Mitarbeiter zu sprechen, wäre nicht unbedingt Sinn der Sache.

LAOLA1: Anfangs bestand der Eindruck, dass die Mannschaft von Hyballa begeistert ist. Im Endstadium waren Probleme zwischen großen Teilen der Mannschaft und Hyballa offenkundig. Hat sich das noch während Ihrer Amtszeit angedeutet?

Houben: Ich habe das Thema Brechstange bereits erwähnt. Anfangs hat die Brechstange vielleicht viele alte Muster aufgebrochen, wonach sich möglicherweise auch viele gesehnt haben. Aber Veränderung – vor allem heftige Veränderung – bringt natürlich auch immer Verlierer mit sich. Die Frage ist: Muss man so viele Verlierer kreieren? Und wie geht man mit diesen Verlierern um? Diese Verlierer sind natürlich in weiterer Folge immer stimmkräftiger geworden und dementsprechend ist auch die Stimmung innerhalb der Mannschaft schon nach einiger Zeit gekippt. Ich kann jetzt nicht sagen, ob die ganze Mannschaft gegen Hyballa gestanden ist, weil ich da zu wenig Einblick hatte. Ich kann nur sagen, dass die Stimmung anfangs extremst positiv war. Die Stimmung war besonders positiv bis zum ersten Pflichtspiel. Ab dem ersten Pflichtspiel verändert sich unter jedem Trainer, egal ob der Peter Hyballa oder sonst irgendwie heißt, immer die Situation. Bis dahin sieht jeder eine Chance, ab dem ersten Pflichtspiel gibt es eben nur elf Spieler, die in der Startformation, und 18 Spieler, die im Kader stehen. Der Rest schaut durch die Finger. Diese Situation erzeugt zwangsläufig Unzufriedene, das kann gar nicht anders sein. Auch das hat den Stimmungswechsel zusätzlich verstärkt.

LAOLA1: Das mag sein, aber die Mehrheit der Trainer verliert deswegen nicht binnen kurzer Zeit die Mannschaft. Auch Stammspieler standen Hyballa kritisch gegenüber…

Houben: Die Brechstange wurde nicht nur bei Kaderentscheidungen, sondern auch bei vielen anderen Themen ausgepackt. Hier sind Dinge passiert, die ich im Rahmen meines Arbeitslebens noch nie erlebt habe, und die ich auch im Fußball - bei aller Härte des Geschäfts - für vollkommen unakzeptabel halte. Oft konnte ich nicht glauben, was sich vor meinen Augen abspielte. Auf Details möchte ich jedoch nicht eingehen.

LAOLA1: Dass ein Trainer einen direkten Zugang hat und seine Linie durchzieht, ist ja nicht von vornherein falsch. Im Gegenteil. Warum konnte es bei Sturm nicht funktionieren?

Houben: Ich glaube, es funktioniert grundsätzlich in keinem Fußball-Verein, als vereinsfremde Person hineinzukommen und in erster Linie mit der Brechstange zu agieren – außer man hat tatsächlich diesen radikalen Auftrag von den Entscheidungsträgern im Verein.

LAOLA1: Hatte Hyballa diesen Auftrag?

Houben: Den hatte er nicht. Es ging uns darum, Veränderungsprozesse einzuleiten. Vielleicht war es auch ein Fehler, dass man nicht von Anfang an klar genug gemacht hat, was für uns dieser Veränderungsprozess bedeutet und in welcher Ausprägung wir ihn erwarten. Das kann durchwegs sein. Aber warum es bei Sturm nicht funktionieren konnte? Ich will nicht sagen, dass es nicht funktionieren konnte. Aber im Endeffekt müssen beide Seiten, einerseits das Umfeld, Sturm selbst, eben alles, was den Verein ausmacht, aber andererseits auch das Trainer-Team bereit sein, gewisse Kompromisse zu schließen. Ich habe sehr selten im Leben, auch in anderen Situationen, ein Brechstangen-Vorgehen erlebt, das funktioniert hat. Ich glaube nicht, dass Sturm da ein Spezifikum darstellt. Es ist immer die Aufgabe, eine Mischung zu finden aus: Seinen Weg zu gehen, Veränderungen einzuleiten, aber auf der anderen Seite das auch auf eine gewisse diplomatische Art und Weise zu verkaufen. Irgendwo ist es auf der Seite des Verkaufens sicher steckengeblieben.

LAOLA1: Hyballa hat bezüglich der Art und Weise, wie unter seiner Anleitung Fußball gespielt werden soll, viel versprochen. Hat er das aus Ihrer Sicht gehalten?

Houben: Dass die spielerische Stärke der Mannschaft in dieser Saison nicht überragend war, konnte jeder beobachten. Darüber braucht man nicht zu diskutieren. Peter Hyballa hat - völlig legitim - eine Vision gezeichnet. Er hat dies mit sehr markanten Worten getan, und diese sind ihm in weiterer Folge stark zu Last gelegt worden, weil es eben nicht so eingetreten ist, wie man es erhofft hatte.

LAOLA1: Sie haben im August gekündigt, waren aber bis November noch im Verein tätig. Wann war für Sie erkennbar, dass Hyballa nicht der Griff ist, den man sich erhofft hatte?

Houben: Nachdem die Dynamiken, die ich bereits angesprochen habe, in der Pflichtspiel-Saison relativ schnell zu greifen begonnen haben, und man natürlich auch beobachten konnte, wie in manchen haarigen Aktionen agiert wurde, hatte ich schon relativ früh Bauchweh. Dass das nicht reparabel oder lösbar ist, wusste ich zum damaligen Zeitpunkt nicht. Aber dass zumindest irgendetwas getan werden musste und man im Rahmen von Gesprächen korrigierend eingreifen sollte, - was man auch getan hat -, war schon relativ früh klar. Wahrscheinlich schon Ende Juli/Anfang August.

LAOLA1: Im Nachhinein ist man natürlich immer gescheiter, aber würden Sie die Entscheidung für Hyballa noch einmal fällen?

Houben: Ich möchte es gar nicht so sehr auf den Namen Peter Hyballa reduzieren. In einer ähnlichen Situation würde ich wesentlich stärker auf einen strukturierten Auswahlprozess und die exakte Definition eines Anforderungsprofils drängen. Das schüttelt man nicht einfach aus dem Ärmel und wird gerne vernachlässigt. Natürlich will jeder den besten Trainer. Nur leider Gottes ist eben für jeden Verein ein anderer der beste Trainer, weil jeder Verein etwas anderes mitbringt. Es könnte zum Beispiel sein, dass ein Jupp Heynckes bei Bayern hervorragend funktioniert, aber bei kleineren Vereinen, wo es auf ganz andere Dinge ankommt, gar nicht funktioniert. Ich glaube, dass man sich wesentlich mehr Gedanken machen sollte, was man will. Wenn man diese Hausaufgabe sauber erledigt und die Entscheidungen auch wirklich danach trifft, bin ich überzeugt, dass man eine sehr gute Trainer-Entscheidung trifft.

LAOLA1: Ein wesentliches Kapitel bei „Sturm Neu“ gehört Christian Jauk. Welche Rolle spielt er?

Houben: Christian Jauk ist Präsident des Vereins und damit oberster Vertreter des Eigentümers der beiden GmbHs, die der Idee nach das operative Geschäft bei Sturm leiten sollen. Es handelt sich um GmbHs und nicht um eine AG wie bei der Austria – das mag sehr rechtlich-theoretisch klingen, hat aber einen ganz entscheidenden Unterschied. In der AG gibt es kein Weisungsrecht des Eigentümers. Die Organe agieren vollkommen unabhängig. Das ist in der GmbH nicht so. Grundsätzlich stellt es kein Problem dar, eine Weisung zu bekommen, die Sache ist nur: Sie sollte präzise und klar formuliert sein. Ich glaube, dass es auch eine Schwachstelle von Sturm im letzten Jahr war, dass man diese klare Linie nie gefunden hat. Im Endeffekt hat man das Projekt damals mit der Aussage einer klaren Linie begonnen, die klare Linie und diesen klaren Weg aber nicht gefunden, beziehungsweise hat man diesen Weg bei Gegenwind schnell wieder verlassen.

LAOLA1: Das ist ein klarer Vorwurf an Christian Jauk.

Houben: Das ist nicht nur ein Vorwurf an Christian Jauk, das ist ein Vorwurf an alle, die im letzten Jahr bei Sturm tätig waren, also auch an mich selbst.