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"Ich wollte einfach nur, dass der Ball weggeht "

Vielleicht wollte er nach den Sternen greifen. Vielleicht war er mit den Gedanken bei einem Handball-Match. Vielleicht war es einfach nur ein Blackout, oder war es doch Absicht?

Wir werden es nie erfahren, was im Mai bei dem wohl meisterschaftsentscheidenden Match gegen Sturm Graz wirklich passiert ist. Fakt ist, sein Elfer-Handspiel schlug ordentlich Wellen, er geriet ins Kreuzfeuer.

Edin Salkic, ein gebürtiger Bosnier, lebt seit seinem 16. Lebensjahr in Österreich und spielte bereits für das U-19 Nationalteam des ÖFB. In der Saison 2010/11 wechselte der heute 22-Jährige von Sturm Graz zum Ligakonkurrenten SC Magna Wiener Neustadt. Unter Trainer Peter Stöger spielte er sich in die Start-Elf, der erste Treffer lässt noch auf sich warten.

LAOLA1 fragte bei Edin Salkic nach, wie er inzwischen mit diesem „Hoppala“ umgeht und die Entwicklung bei den Neustädtern betrachtet.

LAOLA1: Ihr seid als klarer Abstiegskandidat gehandelt worden, mittlerweile steht ihr auf Platz 7 in der Tabelle vor Wacker Innsbruck. Wie siehst du die Situation von Wr. Neustadt?

Edin Salkic: Uns war von Anfang an klar, dass es schwierig wird. Wir sind eine sehr junge Truppe, keiner erwartet etwas von uns, somit fällt es leichter, zu überraschen. Wr. Neustadt ist zu Unrecht so schlecht eingeschätzt worden, es wurde nur nach den Namen der Spieler und deren Erfahrung beurteilt. Man hat gesehen, dass wir auch gegen große Klubs punkten können. Für uns alle ist diese Saison eine große Herausforderung. Wir sind motiviert, versuchen uns zu beweisen und auf uns aufmerksam zu machen.

LAOLA1: Wie siehst du deine persönliche Entwicklung bei Wr. Neustadt?

Salkic: Ich bin sehr zufrieden mit meinen Fortschritten, obwohl ich immer noch bei null Toren stehe. Für mich ist es positiv, dass ich von Beginn an spiele und mich in die Stammelf zurückgekämpft habe. Jedes Mal 90 Bundesligaminuten zu spielen, hilft einem sehr, um Sicherheit zu gewinnen.

LAOAL1: Die Tor-Bilanz im heurigen Jahr ist sehr mager. Warum schafft man es nicht, offensiv besser zu werden?

Salkic: Der berühmte Knopf ist einfach noch nicht aufgegangen. Weder bei mir, noch bei einem anderen Spieler. Wir sehen aber im Training, dass es geht und wir Tore schießen können. Wir sind im Spiel momentan mehr mit der Defensive beschäftigt. Es ist schwer, viele Chancen herauszuspielen. Manche Spieler haben noch nicht das Selbstbewusstsein, nach vorne zu gehen und sich etwas zuzutrauen. Wenn ein Stürmer bei Rapid fünf Chancen hat, dann macht er wenigstens eine rein. Neustadt bekommt halt nur eine und die muss sitzen.

LAOLA1: Kommt bei dir die umstrittene Szene vom Sturm-Match im Frühjahr am Spielfeld heute noch ab und zu hoch?

Salkic: Anfangs war es extrem. Ich habe immer geschaut, dass ich keinen Fehler mache und war nur auf den Ball konzentriert, weniger auf die Gegner. Ich wollte einfach nur, dass der Ball weggeht oder drüber geht.

Salkic kennt Muratovic aus Sturm Graz Zeiten
Sehr schwierig war es natürlich auch für meine Familie, ganz besonders für meine Freundin. Es wurde viel Blödsinn geschrieben. Zum Beispiel, dass ich mit der Schwester von Muratovic zusammen bin, obwohl der glaube ich nicht einmal eine Schwester hat. Vieles wurde mir unterstellt, um mich in der Außenwelt als den Schuldigen hinzustellen.

LAOLA1: Wirst du heute noch innerhalb oder außerhalb des Spielfeldes auf den Vorfall angesprochen oder zurechtgewiesen und wie gehst du damit um?

Salkic: Nach diesem Vorfall wurde ich oft schlecht behandelt. In einem Cafe auf der Mariahilferstraße wurde ich erkannt und auf das tiefste beschimpft. In diesem Moment habe ich es mit Humor genommen, innerlich hat es mich aber verletzt. Mittlerweile hat sich das zum Glück gelegt, es steht wieder die fußballerische Leistung im Vordergrund.

LAOLA1: Wie hat die Mannschaft darauf reagiert?

Salkic: Nach dem Handspiel habe ich natürlich gespürt, dass die Mannschaft sehr skeptisch und vorsichtig mir gegenüber war, weil sie nicht gewusst hat, wie sie mit der Situation und vor allem mit mir umgehen soll. Zuerst war ich gekränkt. Auf der anderen Seite hätte ich selber nicht gewusst, wie ich mit mir umgehen sollte. Viele Spieler haben sich distanziert, um abzuwarten, was passiert. Das aktuelle Team hat mich sehr gut aufgenommen, nur zu Beginn waren meine Mitspieler etwas zögerlich. Sie haben mir das Gefühl gegeben, hinter mir zu stehen.

LAOLA1: Wie hast du gelernt, damit umzugehen?

Salkic: Als körperlich großer Spieler werde ich hinten gebraucht, ich kann mich nicht verstecken. Ich muss über meinen Schatten springen und diese  Situation ausblenden. Wenn man gut im Spiel ist, fällt es einem wesentlich leichter, den Gedanken zu verdrängen, als wenn man keine Leistung bringt.

LAOLA1: Du sprichst von einer harten Zeit. Inwiefern hat das Handspiel dein Leben beeinflusst?

Salkic: Dieser Vorfall hat mein Leben in allen Bereichen geprägt. Privat wie auch sportlich war es eine sehr schwere Zeit. Überall, wo ich hingekommen bin, war ich der Buhmann, der Schuldige. Es hat mich sehr geknickt, obwohl ich wusste, dass ich nichts getan habe. Ich war mir der Situation bewusst und habe mich für jeden zur Verfügung gestellt, um alles zu überprüfen, was es zu überprüfen gab.

LAOLA1: In den Medien wird oft zu schnell mit Schlagzeilen geschossen, der Mensch bleibt dabei meist auf der Strecke. Du warst der Presse hilflos ausgeliefert. Wie siehst du das?

Salkic: Mittlerweile bin ich Medien gegenüber sehr skeptisch geworden. Es wurden so viele Unwahrheiten geschrieben, niemand hat auch nur ansatzweise nach dem Menschen, der dahinter steht, gefragt. 90 Prozent der Menschen glauben, was in den Medien steht. Es war schwer, mich zu rechtfertigen.

LAOLA1: Gibt es irgendetwas Positives, dass du aus diesem Erlebnis mitnimmst?

Salkic: Für mich ist am wichtigsten, dass ich jedes Mal, wenn ich springe, die Hände unten lasse. Was mich diese Situation gelehrt hat, ist, zu sehen, wie schnell man zum Buhmann der Nation werden kann. Für mich ein Prozess, der mir geprägt hat. Ich koste jeden Tag voll aus und fühle mich privilegiert, meinen Traum zum Beruf gemacht zu haben.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Patricia Kaiser