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310. Wiener Derby: Sorgen und Problembewältigung

310. Wiener Derby: Sorgen und Problembewältigung

Böse Zungen behaupten, das 310. Wiener Derby zwischen Austria und Rapid (So., 16:30 Uhr im LAOLA1-Ticker) steht unter dem Motto: „Not gegen Elend“.

Fakt ist: Noch nie waren die beiden Wiener Traditionsvereine vor einem Duell in der Tabelle schlechter platziert.

Die Austria krebst an vorletzter Stelle und ist noch sieglos.

Gerade einmal vier Punkte aus fünf Spielen (vier Remis, eine Niederlage) befinden sich am Konto.

Nicht viel besser ist es um Rapid bestellt.

Die Grün-Weißen liegen mit fünf Zählern (ein Sieg, zwei Remis, zwei Niederlagen) am siebenten Rang.

„Beide Vereine erleben derzeit, wie brutal der ergebnisorientierte Fußball ist. Rapid tritt meist dominant auf, sie versuchen Torchancen zu kreieren, kommen aber nicht zu den 100 prozentigen Möglichkeiten. Dann schießen sie ein Tor, bekommen aber danach immer noch einen oder zwei Treffer, die eigentlich vermeidbar wären. Bei uns ist es sehr ähnlich."

"Beide Mannschaften hinken von den Ergebnissen den Erwartungen hinterher“, erklärt  FAK-Coach Gerald Baumgartner die verblüffend ähnlichen Probleme der beiden Erzrivalen.

Ein Erfolg am Sonntag würde dem jeweiligen Gewinner Luft verschaffen, wenngleich ein Derbysieg laut des Salzburgers wohl „nicht reicht, um alles zu kaschieren.“

LAOLA1 nennt vor dem Wr. Derby die Sorgen und die Problembewältigung der kriselnden Großklubs:

FK AUSTRIA WIEN:

„Uns merkt man in manchen Aktionen, die wir nicht besser fertig spielen, an, dass wir nicht gerade vor Selbstvertrauen strotzen“, gesteht Baumgartner.

Lediglich vier Tore lautet die magere Ausbeute der violetten Offensivabteilung. Dies sei der Hauptgrund, warum den Veilchen ein voller Erfolg bisher verwehrt blieb. Daher verlangt Baumgartner gegen Rapid: „Aggressiver und dynamischer nach vorne spielen“.  

Wie schon seit geraumer Zeit wiederholt der Chefcoach, dass die Trainingsleistungen stimmen und speziell am Torabschluss und an den Standards gearbeitet wurde.

„Wir arbeiten im Training unter der Woche gut, da gibt es eigentlich keinen Grund, warum man dann am Wochenende im Match nicht auch Leistung bringt. Das ist bei dem einen oder anderen aber derzeit nicht der Fall.“

Chance für Kienast?

Der zuletzt nicht berücksichtigte Roman Kienast soll in den letzten Tagen einen außerordentlich guten Eindruck hinterlassen haben. Genauso wie Florian Mader.

Gut möglich, dass die zwei Routiniers zumindest auf der Ersatzbank Platz nehmen werden. Das wäre eine von Baumgartners angedachten Ideen, „wie es besser laufen könnte.“ Denn bei den in Graz eingewechselten Akteuren (Gorgon, Kamara, Harrer) habe er „den energischen Willen, unbedingt ein Tor zu erzielen, vermisst.“

Eine Rückkehr hängt aber auch von der Verfassung von Marco Meilinger (Muskelprobleme im Oberschenkel) und Omer Damari (Schlag auf Vorfuß) ab. Bei beiden sieht es gut aus – zur Freude des 49-Jährigen, der die Zwei als aktuell wichtigste Offensivwaffen einordnet.

„Marcos Formkurve zeigt steil nach oben. Er ist mit Abstand unser bester Angriffsspieler. Er ist ein echter Austrianer. Omer braucht noch ein wenig, um sich zu integrieren. Bei ihm ist noch die sprachliche Barriere vorhanden, aber man sieht schon, dass er ein ausgezeichneter Fußballer ist.“

Kopfsache?

Allgemein sei es ganz wichtig, im Kopf frei zu sein. „Denn der Druck auf die Spieler und auch auf mich ist mittlerweile sehr groß. Die Medien sind ungeduldig“, gibt Baumgartner unmissverständlich zu verstehen und gesteht: „So zäh und schwierig habe ich mir meinen Start bei der Austria nicht vorgestellt.“

Der Ex-Spieler gibt jedoch einmal mehr zu verstehen, dass „es Gründe gibt, warum etwas nicht funktioniert.“

Obwohl nur spekuliert werden kann, dürfte der Trainer damit noch immer den Fitness-Zustand der Mannschaft meinen. „Solche Sachen sind Interna. Fakt ist, dass einige Spieler auf ihren Lieblingspositionen spielen und dennoch nicht ihre maximale Leistung bringen“, gibt Baumgartner keine Auskunft über den Inhalt des zuletzt genannten „Rucksacks aus der Vergangenheit.“

Gegen Rapid „könne man mit einem Sieg einen Schritt in die richtige Richtung machen. Denn schön langsam müssen einfach Ergebnisse her.“

An eine Niederlage wird kein Gedanke verschwendet. „Bei uns geht keiner mit Angst, sondern mit Freude ins Spiel. Wir alle spüren die Brisanz und das Charisma dieser Begegnung. Alle wollen den ersten Saisonsieg.“

SK RAPID WIEN:

Eine alte Weisheit besagt: So lange man den Ball in den eigenen Reihen hält, kann der Gegner nicht gefährlich werden.

Kommt man aber selbst trotz Ballbesitz um die 70 Prozent nicht zu gefährlichen Torchancen, muss man sich hinterfragen. So ist es aktuell bei Rapid der Fall.

„Wir spielen jetzt ein anderes System, sind eher auf Ballbesitz bedacht. Damit müssen wir uns zurechtfinden und vorne die Tore machen, sonst fangen wir uns Niederlagen ein“, erklärt Mittelfeld-Akteur Dominik Wydra gegenüber LAOLA1.

„Wir sind aber nicht die einzige Mannschaft, die so spielt und über die Flügel versucht, 2-gegen-1-Situationen zu schaffen und die Bälle flach in den 16er zu spielen, wenn der Gegner tief steht.“

Viel Kritik am taktischen Konzept

Bisher war dieses Konzept gegen dicht gestaffelte Abwehrreihen jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Der Aufbau glich einem Powerplay um den Strafraum herum, ohne in die Schnittstellen vorzustoßen.

„Wir haben sehr viel den Ball, aber der Gegner verteidigt quasi vor dem eigenen Tor. Da ist es nicht so leicht, durchzukommen. Vor allem in der Situation, in der wir jetzt sind. In der vieles noch nicht so funktioniert, wie bei einer eingespielten Mannschaft und auch beim einen oder anderen noch nicht das Selbstvertrauen da ist“, spricht Kapitän Steffen Hofmann die Sorgen der Grün-Weißen an.

Taktisch musste man sich zuletzt viel Kritik gefallen lassen. Obwohl Trainer Zoran Barisic ein klares Bild vor Augen hat, wie er seine Mannschaft gerne sehen würde.

Von der optimalen Umsetzung sind seine Schützlinge jedoch noch weit entfernt. Daraus macht der 44-jährige Wiener keinen Hehl.

Fehlende Dynamik nur einer von mehreren Gründen

„Natürlich haben wir eine neu formierte Mannschaft. Natürlich wird trainiert, wie wir positioniert zu sein haben, wenn wir von verschiedenen Positionen durchbrechen. Aber gut Ding braucht Weile. Das geht nicht von heute auf morgen. Das beinhaltet alles sehr viel Arbeit und viel Glauben an uns selbst“, pocht der Chefbetreuer auf Geduld.

Diese nimmt im Umfeld jedoch von Spiel zu Spiel ab. Der Eindruck eines statischen, ideenlosen Spiels verstärkt sich immer mehr. Zudem sucht man vergeblich nach Spielern, die Verantwortung übernehmen. Vor allem aber kann ein Mangel an Dynamik ausgemacht werden.

„Es fehlt mir nicht nur die Dynamik, es fehlt mir einfach auch die Strafraumbesetzung bei Durchbrüchen oder das Anlaufen bzw. die Wucht im Strafraum“, kann Barisic mit dem bisher Gezeigten noch nicht zufrieden sein.

Gegen die Austria lässt sich voraussichtlich aber eine andere Anlage verfolgen, da der violette Erzrivale selbst bemüht sein wird, das Spiel zu gestalten und sich dadurch Räume öffnen. Räume, die gegen die letzten Gegner nicht zu finden waren.

Die Wunschliste von Zoran Barisic, die sich aus den bisherigen Mängeln im Spiel ableitet, ist lang.

„Dass man ein bisschen Schussglück hat, im richtigen Moment das Richtige macht. Eine gewisse Selbstsicherheit an den Tag legt, eine gewisse innere Ruhe hat, um die Aktionen auch zu Ende zu spielen. Das müssen wir uns erarbeiten, das fällt uns nicht in den Schoss.

Eine Ausrede will der Ex-Profi aber nicht gelten lassen: Dass die Mannschaft nicht bemüht sei und nicht alles gebe. Vielmehr soll der betriebene Aufwand endlich belohnt werden.


Martin Wechtl / Alexander Karper