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"Ich wollte um meine Chance fighten"

Man kann schon fast von einer „Becker-Faust“ sprechen, nachdem der Ball – endlich – im Tornetz zappelte.

Seit über einem Jahr trägt Josip Tadic das Sturm-Trikot. Wie er seine Treffer bejubelt, wusste in Liebenau niemand.

Torlos beendete er seine erste Saison in Graz – naturgemäß keine zufriedenstellende Ausbeute für einen Stürmer.

Entsprechend groß war die mediale Kritik am Legionär aus Kroatien, auch an dieser Stelle. Lange Zeit war die Sinnhaftigkeit seiner Verpflichtung auch nicht wirklich erkennbar.

„Genau solche Spieler brauchen wir“

Eher unscheinbar gestalteten sich seine Auftritte in der Spielzeit 2014/15. Immerhin 21 Mal betrat er in der Bundesliga das Feld, 18 Mal davon jedoch als Joker. Erst während der großen Personalnot im Saisonfinish durfte er in den finalen vier Runden drei Mal von Beginn an ran. Dies jedoch eher glücklos.

Als er am vergangenen Wochenende beim 1:1 gegen die Admira in Halbzeit eins in aussichtsreicher Position tollpatschig über den Ball schlug, musste man unweigerlich befürchten, dass der Doppelpack im Cup gegen Hartberg doch nur ein Strohfeuer war und sich die Performance beim Auftakt in die neue Saison nahtlos an jene des Vorjahres anschließen würde.

Bis zur 56. Minute, als er eine mustergültige Flanke von Neuzugang Marvin Potzmann ins Südstädter Tor köpfte. Die Kollegenschaft auf dem Feld freute sich sichtlich mit dem 27-Jährigen. Auch einigen Mitspielern dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein, dass die Bundesliga-Durstrecke des Angreifers ein Ende hatte.

„Josip ist ein guter Stürmer, der immer hart an sich arbeitet. Er ließ sich nie hängen, auch wenn es für ihn scheinbar aussichtslos war. Gegen die Admira hat er wieder 90 Minuten für die Mannschaft gerackert und sich Gott sei Dank mit einem Tor belohnt. Genau solche Spieler brauchen wir“, lobt Kapitän Michael Madl.

„Ein wichtiges Tor für mich“

Tadic selbst kommentiert seinen Treffer im Gespräch mit LAOLA1 ganz dem zeitgemäßen Teamplayer-Sprech getreu: „Es war ein wichtiges Tor für mich, aber unglücklicherweise haben wir nicht die Punkte aus dem Spiel geholt, die wir uns erwartet haben.“

Das Timing seines Tors war definitiv ein gutes. Roman Kienast stand bereits zu seiner Einwechslung parat. Trainer Franco Foda wollte zwar nicht konkret bestätigen, dass er den Kroaten an vorderster Front ersetzt hätte, sondern sprach von mehreren Optionen. Unwahrscheinlich erschien dies jedoch nicht: „Nach dem Tor haben wir entschieden, Josip noch drinnen zu lassen. Wir wollten dann noch mehr über die Flügel spielen.“

Beinahe hätte Tadic seinem Coach das weitere Vertrauen gedankt, sein herrlicher Schuss klatschte jedoch an die Latte.

Dennoch: Tadic ist einer der vereinsinternen Gewinner der noch jungen Saison. Freilich profitiert er dabei auch vom Umstand, dass es Foda bei Kienast beziehungsweise dem erneut leicht angeschlagenen Bright Edomwonyi nach ihren Verletzungen eher vorsichtig angeht.

Endlich eine faire Chance

Würde er jedoch nicht an die Fähigkeiten seines Stürmers glauben, hätte er vermutlich vehementer auf die Verpflichtung eines Neuzugangs gedrängt. Stattdessen wurde lediglich öffentlich in aller Regelmäßigkeit Verstärkung für den Angriff gefordert, gehandelt wurde auf anderen Positionen.

„In dieser Saison bekomme ich die Chance, von Beginn an zu spielen. Das ist etwas anderes, als wenn du von der Bank aus ins Spiel kommst. Ich bereite mich intensiv auf die Spiele vor. Am Ende des Tages sind die Tore das Resultat“, bedankt sich Tadic auf seine Art für das neu gewonnene Vertrauen des Trainerstabs.

Genau diese vermehrten Gelegenheiten, sein Können unter Beweis zu stellen, sind für ihn auch der größte Unterschied zur missglückten Debüt-Saison in Graz. Das torlose Jahr nagte naturgemäß ein wenig am Selbstvertrauen.

„Es ist für jeden Spieler schwierig, wenn er nicht spielt. Man kann nur probieren, stark zu bleiben, im täglichen Training hart zu arbeiten und sich weiter zu verbessen“, blickt Tadic auf die Vorsaison zurück.

„Es können immer nur elf Spieler auf dem Feld stehen“

Von Darko Milanic verpflichtet, bekam er unter dem Ex-Coach kaum Spielpraxis. Foda hatte zumindest als Joker Verwendung für ihn.

Tadic will jedoch nicht von Enttäuschung sprechen: „Das ist der Fußball. Manchmal spielst du nicht so viel. Es können immer nur elf Spieler auf dem Feld stehen, also musst du warten, dass du deine Chance bekommst.“

Diese war gegen Marco Djuricin im Herbst und Kienast im Frühjahr auch nicht übertrieben einfach zu bekommen. An einen Abschied im Sommer habe er jedoch dennoch nicht gedacht: „Ich war mir immer sicher, dass ich hier bleibe. Ich habe mich entschlossen, um meine Chance zu fighten.“

Vielleicht wollte Tadic auch nicht ein weiteres Mal seine Zelte bei einem Arbeitgeber abbrechen, sondern auf Kontinuität setzen. Diese ist nämlich nicht gerade ein Merkmal seiner bisherigen Karriere.

Jeder Klub eine „spezielle Geschichte“

Elf Vereine in sieben Ländern zieren seinen Lebenslauf – und das mit 27 Jahren. Neben seiner Heimat Kroatien lebte er bereits in Deutschland, Frankreich, auf Zypern, in Polen, Australien, und nun in Österreich.

Die Frage, wie man in relativ kurzer Zeit so viele Klubs ansammeln könne, kontert der „Wandervogel“ mit einem breiten Grinsen: „Diese Frage ist wirklich schwer zu beantworten, denn bei jedem Klub war es eine spezielle Geschichte. Um das zu erzählen, müsste ich mir richtig viel Zeit nehmen.“

Bezüglich der aufregendsten Station muss Tadic nicht in die Ferne schweifen. „Dinamo Zagreb“, antwortet er wie aus der Pistole geschossen, „das war ein großer Teil meiner Karriere. Der beste Klub, für den ich gespielt habe.“

Beim kroatischen Traditionsverein agierte er auch recht erfolgreich. Auf elf Saison-Tore brachte er es 2007/08 im Alter von 20 Jahren. Ein Jahr später begab er sich wieder auf Wanderschaft, nachdem er sich zuvor im Teenager-Alter bereits bei Bayer Leverkusen versucht hatte.

„Auf diese Art des Lebens musst du dich vorbereiten“

Verschiedene Länder, verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen – für den Stürmer ist dies part of the game: „Wenn du Fußball spielst, weißt du nie, wohin es dich verschlägt. Auf diese Art des Lebens musst du dich vorbereiten. Wer weiß, vielleicht bin ich in zwei, drei Jahren wieder irgendwo anders. Das ist das Dasein eines Fußballspielers, daran gewöhnst du dich.“

An den Alltag in Graz hat er sich definitiv schon gewöhnt: „Es ist sehr schön, hier zu leben. Graz ist eine sehr ruhige Stadt für meine Familie und mich, und auch nicht weit von meiner Heimat entfernt.“

Es liegt an Tadic, ob es ein längerer Aufenthalt wird. Sein Vertrag läuft noch bis zum Sommer 2016, kann jedoch von Sturm per Option um eine weitere Saison verlängert werden.

Nach je einem Cup- und Liga-Spiel lässt sich selbstverständlich noch nicht abschätzen, ob dies für den Kroaten tatsächlich eine erfolgreiche Spielzeit wird. Der erste Trend ist jedoch ein ermutigender.

Nur ein Weg in die Startelf

Möglicherweise ist er ein klassisches Beispiel für einen Spieler, der zu früh abgeschrieben wurde.

„Das ist vielleicht von außen so passiert“, findet Madl, „aber wir haben ihn ja jeden Tag beim Training gesehen und gewusst, wie er arbeitet. Harte Arbeit wird irgendwann belohnt und schön langsam wird er belohnt.“

Auch Kristijan Dobras hofft, dass der Knopf nun endgültig aufgegangen ist: „Seine zwei Tore im Cup haben ihm richtig Selbstvertrauen gegeben. Wenn die Leute etwas Negatives über ihn sagen, kann er am besten mit Toren antworten. Das macht er derzeit.“

Auf diese Art und Weise lässt sich auch am simpelsten ein Ticket für die Startelf lösen, wie Tadic selbst bewusst ist:

„Dafür gibt es nur einen Weg: Tore erzielen.“


Peter Altmann