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"Handschrift des Trainers wird man erst später sehen"

Nichts deckt etwaige Probleme so zu wie gute Ergebnisse.

Die letzten zweieinhalb Jahre bei Sturm Graz waren ein Beweis dafür, dass sich atmosphärische Störungen im und rund um den Verein auf den Platz übertragen können.

Es ist jedoch bekanntlich nicht so, dass davor in der Ära von Franco Foda der interne Sturm-Motor stets wie geschmiert lief. Die erzielten Erfolge halfen, das bisweilen getrübte Betriebsklima zu kaschieren.

Auch in der Woche der Rückkehr des Meistermachers schlichen sich diverse Misstöne ein. Der harte Kern der Fans auf der Nordtribüne scheute sich nicht, während der Partie gegen Grödig seine Finger in die eine oder andere offene Wunde zu legen.

Grußbotschaften aus der Fankurve

„Wie soll Kommunikations-Politik professionell funktionieren, wenn selbst Vereinsbosse die Medien per SMS informieren“, stand etwa in Anspielung auf Bundesliga-Präsident und Aufsichtsrats-Mitglied Hans Rinner auf einem Transparent zu lesen. Das frühere Vereins-Oberhaupt hatte die Bestellung Fodas vorab etwas ungeschickt gegenüber „Sturm12“ bestätigt.

Auch GM Gerhard Goldbrich, der gegenüber LAOLA1 gestand, das „Schlagwort Sturm Neu“ nicht mehr hören zu können, bekam seine persönliche Grußbotschaft: „Sturm Neu könnt ihr nicht mehr hören? Da kommen uns die Tränen.“

Es wird spannend, das Zusammenspiel der neuen und alten Sturm-Kräfte in den kommenden Wochen und Monaten zu verfolgen: Wie sich Foda in die neuen Strukturen einfügt, wie konstruktiv die Zusammenarbeit zwischen Goldbrich als sportlichem Verantwortungsträger und dem Trainer funktioniert und vor allem, ob es tatsächlich eine neue zwischenmenschliche Basis zwischen den früheren Intimfeinden Foda und Präsident Christian Jauk gibt.

Die Formel ist eine relativ simple: Stimmen die Ergebnisse, ist auch die Chance auf Entstehen eines neuen Wir-Gefühls eine große. Bei Erfolg fällt es den handelnden Personen wohl leichter, miteinander kompatibel zu sein.

„Er hat versucht, uns seine Basics mitzugeben“

Der Anfang dafür ist mit dem 1:0-Erfolg gegen Grödig gemacht. Ein entsprechend großer Stein fiel Foda vom Herzen, auch wenn der 48-Jährige noch diverse Fehler im Spiel der „Blackies“ monierte.

Wobei es auf der Hand liegt, dass nach vier gemeinsamen Trainingstagen noch nicht alles wie geplant funktionieren kann.

„Ob es ein Trainereffekt war, ist schwer zu sagen. Aber er hat uns Vertrauen eingeimpft und versucht, uns seine Basics mitzugeben, die er von uns sehen will“, erläuterte Kapitän Michael Madl.

Neben den taktischen Basics stand zunächst einmal das Lösen der mentalen Handbremse im Vordergrund. „Der Trainer hat uns in den ersten Tagen richtig scharf gemacht“, bekundete etwa Thorsten Schick.

„Zahlreiche Einzelgespräche“

Siegtorschütze Marco Djuricin erzählte, dass Foda in den Tagen nach seiner Rückkehr zahlreiche Einzelgespräche geführt habe: „Er hat viel mit uns gesprochen und gesagt, dass wir gute Spieler sind und betont, dass Sturm Graz ein Topverein ist. Das wussten wir zwar, aber er meint, dass jeder vor uns Respekt und ein bisschen Angst haben soll.“

Schon im Rahmen seiner Antritts-Pressekonferenz nannte Foda als Nahziel, dass Sturm in Graz-Liebenau wieder eine Macht werden müsse. Der zweite Heimsieg in dieser Saison nach dem 4:2 gegen Wiener Neustadt war so gesehen ein Schritt in die richtige Richtung.

Von der Spielausrichtung her hat der Deutsche noch nicht an allzu vielen Schrauben gedreht. Das etwas direktere Spiel nach vorne resultierte zwar im neuen Saison-Topwert von 21 Torschüssen, präsentierte sich jedoch noch über zu weite Strecken als fehleranfällig. Der Coach kritisierte zurecht die vor allem vor der Pause schwache Passqualität.

Ziel war es, mit Djuricin und Marko Stankovic die beiden offensivsten Spieler in Szene zu setzen. Anel Hadzic: „Wir haben versucht, schnell nach vorne auf die Zehn und die Neun zu spielen, einfach die Tiefe zu suchen, direkter zu spielen. Es war noch ein bisschen Angst dabei, das wird sicher noch besser, aber man hat gesehen, dass eine Handschrift da war.“

Kleine Adaptionen

Wobei Foda diese Taktik in der Halbzeit ein wenig adaptieren musste. „Wir haben ein bisschen anders gespielt, Marko Stankovic und ich sollten uns ein bisschen mehr fallen lassen. Das hat nicht so gut funktioniert, da hat die Abstimmung nicht geklappt. In der zweiten Halbzeit haben wir probiert, dass Marko wieder ein bisschen weiter zurückgeht und ich von der Abseitslinie loslaufe. Das war dann besser und wir haben gute Chancen herausgespielt“, verdeutlichte Djuricin.

Der Sturm-Coach bezeichnet vor allem Sandi Lovric und Andreas Gruber als „hochtalentierte Spieler“, Letzteren wechselte er gegen Grödig eine Viertelstunde vor Schluss ein.

„Natürlich ist es immer ein Risiko, einen jungen Spieler zu bringen“, bekannte Foda, „aber wir reden immer davon, dass wir Talenten die Möglichkeit zu spielen geben wollen. Dann muss man das halt auch tun. Wenn es schief gegangen wäre, hätte ich die Verantwortung übernommen.“

Willkommene Länderspiel-Pause

Wie vor einigen Wochen geht man also mit einem Sieg in die Länderspielpause, damals nach dem sensationellen 3:2 bei Red Bull Salzburg. 14 Tage später folgte die ernüchternde 0:2-Heimpleite gegen die Admira.

Ein ähnliches Schicksal will sich der Rückkehrer in zwei Wochen beim Gastspiel in Wiener Neustadt ersparen. Vor allem, weil es ohnehin noch genügend an seiner Philosophie zu arbeiten gilt. Dafür wiederum kommt der Break gelegen:

„Wir werden weiter an unserer Strategie arbeiten. Auch wenn Länderspiel-Pause ist, erwarte ich von jedem Spieler, dass er weiter konzentriert arbeitet. Wir haben ein Spiel gewonnen – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Das muss jedem bewusst sein. In Wiener Neustadt erwartet uns wieder eine Partie, in der wir ans Limit gehen müssen. Nur so können wir Spiele gewinnen.“

Für die notwendige Aufbruchstimmung ist schon einmal gesorgt. Denn an ein Glücksgefühl wie jenes am Samstagabend können sich die Sturm-Kicker wohl in größerer Regelmäßigkeit gewöhnen.

Madl: „So wie wir nach dem 1:0 gemeinsam mit dem Publikum abgegangen sind, hat es das schon länger nicht mehr gegeben hier. Da ist jedem ein Stein vom Herzen gefallen.“


Peter Altmann

Alleine der Matchwinner, der es insgesamt auf starke zehn Torschüsse brachte, hätte Sturm schon vor seinem sechsten Saison-Treffer in Führung bringen müssen.

Auch für Schick lag das Geheimnis der Leistungssteigerung nach Wiederanpfiff am Feinschliff in der Kabine: „Der Trainer hat uns gesagt, dass wir uns im Zentrum mehr trauen müssen. Wir sind im Mittelfeld alles gute Fußballer, die ruhig mit ein, zwei Kontakten spielen können. Wenn wir das Spiel schnell gemacht haben, hat man gesehen, dass wir auf die Grödiger Kette drauflaufen können. Das eine oder andere Mal hätten wir das noch besser ausspielen müssen.“

Alles in allem haben also kleine Adaptionen geholfen, dass Sturms Spiel gegen die Salzburger einen optisch ein wenig verbesserten Eindruck hinterließ. Einigkeit bestand jedoch auch darüber, dass noch diverse Fortschritte von Nöten seien, um auf einen wirklich guten Weg einzubiegen.

„Ein Prozess, der Monate dauert“

Madl: „Es gibt natürlich noch viel zu arbeiten. Die Handschrift des Trainers wird man erst ein bisschen später sehen.“

Das sieht auch Foda so und beantwortet die Frage, wie viel zum Idealszenario fehlen würde, wiefolgt: „Das ist ein Prozess, der Monate dauert, manchmal kann er auch Jahre dauern. Aber ich weiß, dass ein Trainer in der heutigen Zeit wenig Zeit hat. Das heißt, er muss seine Ideen vermitteln und nebenbei auch noch gute Ergebnisse bringen. Wir werden weiter arbeiten. Ich habe eine klare Vorstellung und hoffe, dass es die Mannschaft in den nächsten Spielen noch besser umsetzen wird.“

Man weiß aus seiner Amtszeit von 2006 bis 2012, dass Foda seine Ziele sehr konsequent verfolgt. Man darf gespannt sein, in welche Richtung er die Sturm-Elf diesmal entwickeln will.

Er betont, dass ihm seine einjährige Auszeit samt Expertenjob bei „Sky“ nicht nur relaxter im Umgang mit den Medien werden ließ (grinsender Nachsatz: „Ich hoffe, das bleibt so“), sondern ihn auch über den sportlichen Tellerrand blicken ließ: „Auch das ist immer ein Prozess. Man darf nie die Augen verschließen, sondern sollte sich immer persönlich in allen Bereichen weiterentwickeln. Sportlich habe ich das Jahr genutzt, war sehr viel unterwegs, um zu hospitieren und wieder neue Inputs zu bekommen.“

Konsequente Entscheidung in der Tormann-Frage

Auf Altbewährtes setzte er indes im Tor, indem er seinem Meister-Goalie Christian Gratzei den Vorzug gegenüber Benedikt Pliquett gab. Keine leichte Entscheidung, wie Foda zu Protokoll gab:

„Ich sehe beide Torleute auf einem guten Niveau. Ich habe mir die ganze Woche über ein Bild gemacht und dann, so wie ich das immer tue, konsequent eine Entscheidung getroffen, hinter der ich auch gestanden wäre, wenn es schief gegangen wäre. Ich bin natürlich froh, dass Christian ein gutes Spiel gemacht hat. Jetzt haben wir zwei Wochen Zeit, dann wird man weitersehen. Aber es ist natürlich nicht so, dass man Woche für Woche den Tormann wechselt.“

Interessant wird auch, wie sich im Laufe der Saison das eine oder andere Talent weiterentwickelt. In seinen bisherigen beiden Amtszeiten machte Foda zwar immer wieder aus der finanziellen Not eine Jugend, erwarb sich jedoch auch den Ruf, gerne einmal auf routinierte Kräfte zu setzen. So mancher Nachwuchsspieler hat während seiner letzten Ära den Verein wegen Perspektivlosigkeit verlassen und sich andernorts zum Bundesliga-Profi entwickelt.