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Schuld ist nicht der Trainer

Schuld ist nicht der Trainer

Wenn alle Erklärungen fordern, ist man meistens an dem Punkt, an dem man selbst keine mehr hat, angelangt.

So auch die Wiener Austria in der Südstadt. Die Spieler stellten sich den Fans (die Bilder) und konnten ebensowenig konkrete Antworten liefern wie ihr Trainer Gerald Baumgartner und die AG-Vorstände Markus Kraetschmer und Thomas Parits den Medienvertretern.

„Wir können uns das Ganze selber nicht erklären, deswegen sind die Dialoge mit den Fans auch schwierig. Sie wollen von uns wissen, was los ist. Doch wir wissen es selber nicht – wüssten wir es, würden wir es am Platz doch anders machen“, sei Goalie Heinz Lindner stellvertretend zitiert.

In den Startblöcken hängengeblieben

Die Violetten haben im Sommer einen Neustart ausgerufen und sind in den Startblöcken hängengeblieben. Nach sieben Runden spricht die Tabelle eine deutliche Sprache: Kein Sieg, letzter Platz.

Da liegt es auf der Hand, dass der Trainer angezählt ist. „Ich bin in der vordersten Schusslinie und muss für alles den Kopf hinhalten“, ist dem FAK-Coach bewusst.

Ein Blick zurück offenbart aber, dass schon vor seiner Bestellung Fehler gemacht wurden, für die – unter anderem – er nun büßen muss.

Herumeiern in einer wichtigen Phase

Da wäre etwa das lange Zuwarten bezüglich einer Trainer-Entscheidung. Im Saisonfinish wurde bis nach der letzten Runde herumgeeiert, ehe sich die Austria-Gremien zu der Entscheidung durchringen konnten, Herbert Gager nicht weiter den Posten des Cheftrainers anzuvertrauen.

Dass es anschließend etwas mehr als zwei Wochen gedauert hat, ehe man mit Baumgartner einen neuen Mann präsentierte, soll auch nicht unerwähnt bleiben. Mitte bis Ende Mai war nicht klar, wie die sportliche Zukunft aussehen soll. Eine Zeit, die am Transfermarkt mitunter die wichtigste ist.

Apropos Transfermarkt. Für diesen ist Parits als Sport-Vorstand zuständig. Ein Mann mit Ablaufdatum. Spätestens Ende der Saison hat er am Verteilerkreis ausgedient. Dass er überhaupt noch ein Jahr werken darf, ist auf die schlechte Vorbereitung der Führungsgremien (Aufsichts- und Verwaltungsrat) zurückzuführen.

Parits-Ablöse mit einem Jahr Verspätung

Als nämlich Gagers Abgang beschlossen wurde, hätten einige Herrschaften Parits nur zu gerne gleich ebenfalls abmontiert. Ernsthafte Alternativen gab es zu diesem Zeitpunkt aber keine. Und eine Trainersuche ohne Sportvorstand wäre absurd gewesen. Also wurde dem 67-Jährigen doch noch einmal ein Vertrag ausgehändigt. Ein sportlicher Neustart auf Raten, keine ganze, sondern bestenfalls nur eine halbe Sache.

Die Suche nach einem Parits-Nachfolger läuft mittlerweile. Beendet wird sie aber nicht so schnell. Erst im zweiten Quartal 2015 solle sie abgeschlossen sein, ließ Klub-Präsident Wolfgang Katzian am Samstag den „Kurier“ wissen. Das bedeutet gleichzeitig, dass Parits auch die Winter-Transferzeit verantworten wird.

Baumgartner darf (vorerst) bleiben

Nach einem Nachfolger für Baumgartner wird unterdessen nicht gesucht. Bei Wirtschafts-Vorstand Kraetschmer hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es keinerlei Sinn macht, schon wieder den Trainer zu wechseln.

„Wenn Sie an die vielen Trainerwechsel der vergangenen Jahre denken, wo – bis auf Peter Stöger – alle von Seiten der Austria initiiert wurden, weil man mit der Entwicklung nicht zufrieden war, muss man sich die Frage stellen: Wo liegt das Thema?“, so der Wiener im LAOLA1-Interview. Der Salzburger genieße das Vertrauen des Vorstands.

Die Länderspielpause sollte also ohne Trainerdiskussion in Wien-Favoriten vonstattengehen. Ob das auch in weiterer Folge so bleibt, steht allerdings in den Sternen. Mitte September tagen Aufsichts- und Verwaltungsrat. Schon zum Zeitpunkt von Baumgartners Bestellung waren nicht alle Aufsichtsräte mit dieser Lösung zufrieden, die Anzahl der Befürworter des 49-Jährigen ist in den ersten sieben Meisterschaftsrunden tendenziell nicht gerade gestiegen, um es gelinde auszudrücken.

Nicht jeder Spieler macht das Richtige

Dass das System des Trainers (noch) nicht greift, lässt sich in diesem Zusammenhang auch gar nicht bestreiten – Wochenende für Wochenende wird das offensichtlich. Ob es mit dem vorhandenen Spielermaterial aber überhaupt greifen kann, ist eine andere Frage.

Baumgartner: „Wenn ich sehe, wie einige bei uns reingehen, dann weiß ich nicht, ob sie den Ernst der Lage auch erkannt haben.“

Kraetschmer sieht es ähnlich: „Wenn man sich den Kader von den Namen her anschaut, wenn man sich die Qualität der Spieler, um die es auch in Gesprächen mit ihren Managern geht, wenn sie ihre Verträge einfordern, anschaut, und dann ihre Leistungen sieht, klafft da ein Loch dazwischen. Es muss viel aus der Mannschaft kommen, sie muss innerhalb des Teams den Wurm finden.“

Gehen noch Führungsspieler?

Dass die Mannschaft insgesamt einen schwierigen Charakter hat, ist kein Geheimnis mehr. „Wir haben gewusst, dass die Mannschaft nicht unbedingt in einem intakten Zustand ist“, so der Trainer. Angeblich wäre es dem Salzburger nicht gerade unrecht gewesen, wenn sich der Verein in diesem Sommer von dem einen oder anderen Führungsspieler getrennt hätte.

Möglich, dass nun auch der Vorstand erkannt hat, dass das keine schlechte Idee gewesen wäre. Zwischen den Zeilen ist folgende Aussage Kraetschmers durchaus so zu interpretieren: „Wir werden auch über einzelne Spieler sprechen müssen. Wir müssen auch im Bereich der Mannschaft einen Veränderungsprozess vorantreiben.“

Die Zeit drängt

Doch die Zeit drängt, das Transferfenster schließt in der Nacht von Montag auf Dienstag (1. September, 24 Uhr). „Wir werden schauen“, so Kraetschmer. „Man wird sehen“, so Baumgartner.

Der Coach würde am liebsten seine Offensive noch einmal verstärken: „Da haben wir im Moment die größeren Probleme.“ Freiburg-Legionär Philipp Zulechner ist laut „Kurier“ ein Thema.

Ein, zwei oder sogar drei Neuzugänge mögen kurzfristig für Besserung sorgen. Die wirklich wichtigen Entscheidungen müssen aber mittel- bis langfristig gefällt werden.

Wichtige Fragen

Wird die einzusetzende Task Force, die in der Entscheidungsfindung bezüglich des Parits-Nachfolgers eine wichtige Rolle spielt, anders als Aufsichts- und Verwaltungsrat auch mit sportlich, nicht nur wirtschaftlich kompetenten Köpfen besetzt?

Wird der Parits-Nachfolger nach seinen Qualifikationen und nicht nach seinem Namen und seinen Verbindungen in den Legendenklub ausgesucht?

Wird Trainer Gerald Baumgartner genügend Zeit und ein geeigneter Kader zugestanden, um sein System umzusetzen?

Die Fehler der Vergangenheit sind nicht mehr zu ändern, aber es sind Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen. Sonst werden die Verantwortlichen bei der Austria auch in einem Jahr nach Erklärungen gefragt, ohne dass sie welche parat hätten.

Harald Prantl/Martin Wechtl

Fakt ist, dass das Pressing, das praktiziert werden soll, nur funktioniert, wenn alle zehn Feldspieler das Richtige machen. Das passiert jedoch nicht. „Es stimmt, jeder einzelne Spieler muss mitmachen. Sobald einer auslässt, wird es schwierig für die Mannschaft“, bestätigt Daniel Royer.

Baumgartner sagt: „Wir haben immer den einen oder anderen Spieler dabei, der nicht seine Normalform erreicht, da sprechen wir gar nicht von Bestform.“

Spieler in der Pflicht

Um Überzahl in Ballnähe zu schaffen und Passwege zuzustellen, braucht es keinen Zauber-Fußball, sondern Laufstärke, Spielintelligenz und Wille. Lindner will Letzteren nicht bei jedem seiner Mitspieler erkennen: „Es haben tatsächlich einige nicht verstanden, dass es nur über den Kampf geht, wenn spielerisch nichts funktioniert. Es klappt erst dann, wenn wir 0:2 hinten sind, wenn die Kacke am Dampfen ist, dann verstehen es alle, dann fangen wir an zu kämpfen, doch dann ist es meistens zu spät.“