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"Je länger die Saison dauert, desto besser wird es"

Sturm hat es in diesem Sommer auf die harte Tour gelernt, was es heißt, Meister zu sein.

Stichwort: Erwartungshaltung. Diese ist durch den großen Coup enorm gestiegen, vielleicht sogar übertrieben gestiegen.

Formschwäche einzelner Schlüsselspieler, Verletzungsprobleme, der Abgang vom Abwehrchef Gordon Schildenfeld, spätes Nachrüsten auf dem Transfermarkt – das „Werkl“ wollte bei den Grazern in den ersten Meisterschaftswochen nicht rund laufen.

Langsam entspannt sich die Lage. Mit Jürgen Säumel wurde ein Leistungsträger heimgeholt. Milan Dudic stabilisiert die Abwehr, Darko Bodul erwies sich in seinen bisherigen Auftritten als Bereicherung für die Offensive.

Am besten verdeutlicht der Vergleich zwischen 0:3-Desaster in Kapfenberg und 1:0-Erfolg gegen Rapid die wieder freundlichere Großwetterlage am Personalsektor – gleich an sechs Positionen konnte Trainer Franco Foda umstellen (siehe Grafik). Mit Imre Szabics und Ferdinand Feldhofer fehlten „nur“ noch zwei Stammkräfte.

Der erste Meisterschafts-Sieg sollte den „Blackies“ auch das nötige Selbstvertrauen für das Hinspiel im Champions-League-Playoff bei BATE Borisow verschafft haben. Vor dem Anlauf auf die „Millionenliga“ äußert sich Foda im LAOLA1-Interview zur aktuellen Situation bei Sturm.

LAOLA1: War es ein Befreiungsschlag, der am Samstag gegen Rapid gelungen ist?

Franco Foda: Ein Befreiungsschlag nicht, aber es war für die Mannschaft natürlich enorm wichtig. Ich habe auf Erfahrung gesetzt, weil wir in einer Situation waren, wo der Druck enorm groß war. Wir durften auf keinen Fall verlieren, und deshalb war es ganz wichtig, dass routinierte Spieler am Werk sind, die ihre Sache sehr gut gemacht haben.

Startelf gegen Kapfenberg (S. Foda ersetzte nach wenigen Minuten Koch)

LAOLA1: Was lief im Vergleich zu den ersten Meisterschafts-Runde besser? Ihre Spieler sprechen vor allem die größere Ballsicherheit an…

Foda: Ich weiß ja, dass die Mannschaft das Fußballspielen nicht verlernt hat. Aber wir hatten eine kurze Vorbereitung, einige Spieler waren sehr lange verletzt, haben die Vorbereitung nicht komplett mitgemacht. Wir haben relativ spät nachgerüstet – auch diese Spieler sind noch nicht bei 100 Prozent. Heute ist es im Fußball einfach so: Wenn du Fußballspielen und kombinieren willst, brauchst du körperliche Fitness, und die war beim einen oder anderen nicht immer vorhanden. Es gibt jetzt immer noch Defizite, die wir aufarbeiten müssen. Aber ich bin überzeugt: Je länger die Saison dauert, desto besser wird es werden.

Startelf gegen Rapid mit sechs "Neuen"

LAOLA1: Ein Paradebeispiel dafür ist Jürgen Säumel. Dafür, dass er noch nicht lange im Mannschaftstraining stand, hat er ein sehr gutes Comeback gefeiert. Zufrieden?

Foda: Normal ist es nicht meine Art, einen Spieler zu bringen, der lange nicht bei mir trainiert hat. Aber ich wusste natürlich: Jürgen Säumel weiß, was ich verlange, er kennt die Mannschaft, das Umfeld und den Trainer. Ich kenne ihn, seine Stärken und Schwächen.  Er hat sich relativ schnell wohlgefühlt, deswegen habe ich mich auch für Jürgen entschieden. Er ist ein erfahrener Spieler, er hat in Italien gespielt, dort spielt man ja nicht umsonst, und diese Erfahrung hat er gegen Rapid mit ins Spiel gebracht.

LAOLA1: Was hat ihn besonders ausgezeichnet?

Foda: Er war sehr ballsicher und zweikampfstark, er hat der Mannschaft eine gewisse Sicherheit gegeben, und das war enorm wichtig. Auch wenn ich gegen Rapid auf eine gewisse Erfahrung gesetzt habe, haben die jüngeren Spieler in den letzten Wochen ihre Sache ebenfalls sehr, sehr gut gemacht. Auch sie werden wieder ihre Möglichkeiten bekommen, zu spielen.

LAOLA1: Säumel war bei Sturm einst ein junger Kapitän. Jetzt ist er als erfahrener Spieler zurückgekommen. Was darf man von ihm erwarten, wenn er einmal voll im Saft steht?

Foda: Man darf die Erwartungshaltung nicht zu hoch schrauben. Das erste Spiel ist oftmals sehr gut. Jetzt ist wichtig: Wie erholt er sich? Wie regeneriert er? Er hat ja erst eine Woche mittrainiert. Aber anscheinend hat er für sich im Urlaub relativ gut gearbeitet. Er ist also nicht auf der faulen Haut gelegen, dafür wurde er gegen Rapid auch belohnt.

LAOLA1: Zum Matchwinner avancierte Haris Bukva. Der stand bereits im ersten Pflichtspiel der Saison gegen Videoton in der Startelf, verletzte sich jedoch gleich in diesem Spiel. Ein Comeback nach Maß, oder?

Foda (schmunzelt): Ich habe ihm bei der Einwechslung gesagt, er soll riskieren, Eins-gegen-Eins-Situationen suchen und vielleicht ein Tor erzielen. Ich bin froh, dass er mal auf den Trainer gehört hat. Nein im Ernst: Diese Situation von Haris war einfach zielstrebig, da waren Entschlossenheit und Überzeugung dabei. Deshalb wurde er mit diesem Tor belohnt.

LAOLA1: Inwiefern war der Sieg gegen Rapid auch die ideale Moralinjektion für das Match bei BATE Borisow am Dienstag?

Foda: Natürlich war es ein wichtiger Sieg für die Mannschaft. Jetzt ist man auf jeden Fall nicht mehr Letzter, hat etwas Luft zum Atmen - vor allem, wenn man weiß, dass wir nächste Woche in Salzburg spielen. Die Mannschaft wird Selbstvertrauen und hoffentlich wieder eine gewisse Lockerheit bekommen. Ich sehe ja in jedem Training, wie die Mannschaft spielen kann, was sie mir im Training anbietet. Daher hatte ich vor dem Rapid-Spiel eigentlich auch ein gutes Gefühl, weil die Mannschaft die ganze Woche über sehr gut und akribisch trainiert hat.

LAOLA1: Wie stehen die Chancen, dass sich Sturm den Champions-League-Traum erfüllt?

Foda: Die Situation hat sich nicht verändert, die Chancen stehen 50:50. Wenn wir zwei Mal so spielen, wie wir es können, haben wir die Möglichkeit, in die Champions-League-Gruppenphase einzuziehen. Das wäre, ich will nicht sagen ein Wunder, aber eine große Sensation, wenn man die ganzen Probleme, die wir hatten, bedenkt. Sollte es nicht gelingen, hätte die Mannschaft trotzdem Großes geleistet, denn dann sind wir in der Europa-League-Gruppenphase. Das haben in den letzten Jahren nicht so viele Mannschaften in Österreich geschafft.

Das Gespräch führte Peter Altmann