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Müller-Diagnose: Die wichtigsten Antworten

Ist Lukas Müller abgesichert? Ist Skifliegen zu gefährlich? Wir liefern Antworten:

Müller-Diagnose: Die wichtigsten Antworten

Zwei Tage sind inzwischen vergangen seit dem schweren Sturz von Lukas Müller.

Während der Kärntner auf der Intensivstation im Universitätsklinikum Graz liegt, ging die Show bei der Skiflug-WM am Kulm am Freitag weiter.

Zehntausende Fans pilgern auch am Wochenende in die Obersteiermark, um die besten Skiflieger der Welt hautnah zu bewundern. Sie jubeln, sie feiern, sie haben Spaß.

Und doch liegt ein dunkler Schatten auf diesen Titelkämpfen aufgrund der schweren Verletzung des 23-jährigen Müller. „Die neurologische Untersuchung hat eine inkomplette Querschnittslähmung bestätigt“, erklärten die behandelnden Ärzte. Der dreifache Junioren-Weltmeister kann seine Beine nicht bewegen.

Ob er je wieder gehen kann? Das ist unklar und kann derzeit nicht seriös beantwortet werden. Andere Fragen können es sehr wohl, weshalb wir die wichtigsten klären wollen.

Wie geht es Lukas Müller?

Für den 23-Jährigen war es zunächst ein „extrem großer Schock“, dass er seine Beine nicht spüren konnte, erklärten die Ärzte im Uniklinikum Graz am Freitag. Er weiß um seine Situation und bat die Mediziner, „alles zu unternehmen“, um wieder gehen zu können. Durch die gelungene Erstoperation wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, allerdings ist es unmöglich, eine Prognose zu treffen. „Es ist wie bei den Schneeflocken. Sie sehen alle gleich aus, sind aber unterschiedlich“, beschrieb der ebenfalls schwer gestürzte und seither im Rollstuhl sitzende US-Amerikaner Nick Fairall kürzlich sein Schicksal. (Hier geht's zum Interview)

Aufgrund der Luxationsfraktur, die Müller erlitt, sind die unteren Extremitäten und die Rumpfstabilisation beeinträchtigt. „Er kann aber selbstständig atmen“, bestätigte Dr. Franz Josef Seibert. Vorerst bleibt der Springer auf der Intensivstation. Einerseits zur Überwachung, andererseits zur Stabilisierung, da Komplikationen aufgrund der Organbeeinträchtigungen auftreten können.

Wie konnte der Sturz passieren?

Das ist bislang noch nicht restlos geklärt. Nach Foto- und Videostudium steht fest, dass sich der linke Schuh von Müller gelockert hat. „Die Chance, dass so etwas passiert, ist eins zu einer Million“, meinte Kulm-Chef Hubert Neuper, selbst ehemaliger Weltklasse-Springer. Unklar ist, ob es ein Materialfehler war oder Müller einen Fehler beging. Erst seit wenigen Wochen nutzte er einen neuen, slowenischen Schuh, der biegfähiger war. „Es ist nicht normal, dass man ihn verliert“, rätselte auch Andreas Goldberger im "ORF". Entweder machte Müller den Schuh nicht richtig zu oder es ist etwas gebrochen. „Goldi“: „Gebrochen ist er eher nicht, das Material ist gut." 

Ist Skifliegen zu gefährlich?

Gefährlich ist jeder Sprung, ob von der Normal- oder einer Skiflugschanze. Je größer der Bakken, desto größer wirken allerdings die Kräfte. So schrecklich Müllers Schicksal ist, das Skifliegen an sich sollte man deshalb nicht in Frage stellen. Jeder Athlet, der sich vom Kulm wagt, ist sich des Risikos bewusst, das er damit eingeht. Die Qualifikation wie auch die ersten beiden Wertungsdurchgänge gingen ohne Zwischenfälle über die Bühne. „Bei zwei Dritteln (des Sprunges) haben wir eine wesentliche Verbesserung erreicht“, sprach Renndirektor Walter Hofer über die Fortschritte im Anlauf und während der Luftfahrt. Das Kernproblem ortet er bei der Landung, wo in der jüngeren Vergangenheit immer wieder schwere Stürze passierten (Simon Ammann, Nick Fairall).

Ist Müller versicherungstechnisch abgesichert?

Unabhängig von seiner Zugehörigkeit - Müller zählte zum Zeitpunkt des Sturzes zu keinem ÖSV-Kader - ist jeder Athlet verpflichtet, sich zu versichern, sobald er an internationalen Wettkämpfen teilnimmt. „Die internationale Wettlaufordnung der FIS schreibt diese Pflichtversicherung vor. Dazu zählen auch Vorspringer“, erklärt Christian Scherer, Leiter Leistungssport im ÖSV.

Der Verband bietet mit seinem Partner Uniqa eine Versicherungsoption an, die Sportler haben aber auch die Möglichkeit, einen Mitbewerber zu wählen. Im ÖSV besteht nur der Zwang, dass man überhaupt versichert ist. Müller hat laut Scherer das Angebot angenommen. Diese Vereinbarung beinhaltet „eine Behandlung und Rückholung, darüber hinaus gibt es Optionen wie Invaliditätsleistungen.“ Diese sind vom Grad der Verletzung abhängig.

Der Preis der Versicherungsprämie ist wiederum an Kategorie (Alpin, Skispringen, Langlauf etc.) und Kaderzugehörigkeit (Nationalteam, B-Kader etc.) gebunden. Müllers Prämie soll deutlich unter 1.000 Euro pro Jahr betragen, eine genaue Zahl wollte der ÖSV nicht nennen. Unabhängig von der Versicherung stellt ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel klar: „Ja, er ist in keinem Kader von uns, aber das spielt keine Rolle. Wir werden helfen - in jeder Form!"

Wie gehen die ÖSV-Adler damit um?

"Du musst eiskalt sein. Du musst davon ausgehen, dass es dir nicht passiert", will sich Manuel Poppinger davon nicht beeinflussen lassen, ganz ausblenden kann er es aber auch nicht. "Es nagt an einem." Für Stefan Kraft, der mit Müller in Rif trainierte, ist es "grausig", dass sich sein Freund so schwer verletzte. Er und Zimmerkollege Michael Hayböck wollen es aber ebenfalls ausblenden, was "bisher gut funktioniert" hat. Mitgenommen hat es Manuel Fettner, der den Zustand "beschissen" nennt und für Müller hofft, dass er sein weiteres Leben "auf zwei Beinen bestreiten" kann. Ohne Zweifel sei es aber schwierig, "das rauszukriegen".

Christoph Nister

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