Es war ein Lauf, wie er für den 18-jährigen Hirscher typsich gewesen wäre. So ordnet Marcel Hirscher seine Aufholjagd im 2. Durchgang des Slaloms von Val d'Isere ein.
"Das war sehr viel Risiko, aber am Ende war es die richtige Entscheidung", sagt der Salzburger, der nach Rang 8 im 1. Lauf sein Setup umkrempelte. "Es ist wichtig für die Moral, dass der 2. Durchgang so aufgegangen ist. Sonst grübelt man doch."
Für Hirscher war Platz 2 das fünfte Podium im fünften Saisonrennen - neuer Startrekord.
"Oh Gott, das kann nicht gut gewesen sein"
Die Slalom-Saison hat für Marcel Hirscher laut eigener Aussage mit einer "Schrecksekunde" begonnen. Dabei müsste man eigentlich von einer "Schreckminute" sprechen, kam der Weltcup-Leader im ersten Durchgang in Val d'Isere doch von vorne bis hinten nicht auf Touren.
Schon nach der ersten Hälfte des ersten Slaloms im Weltcup-Winter thronte Kristoffersen über dem Rest des Feldes. Dabei hatte der 21-Jährige im Ziel selbst kein gutes Gefühl. "Ich habe mir gesagt: ,Oh Gott, das kann nicht gut gewesen sein.' Aber offensichtlich war ich recht schnell", gab Kristoffersen zu Protokoll.
Hirscher beging zwar keinen offensichtlichen Fehler, schien aber im Vergleich zu den von ihm gewohnten Auftritten nicht recht vom Fleck zu kommen. 1,66 lag er hinter Kristoffersen auf Platz acht. "Das war wie ein Schock", gestand der Annaberger. So entschied er sich nach einer gründlichen Analyse dazu, im zweiten Durchgang alles auf eine Karte zu setzen.
"Alles oder gar nichts"
Das Setup wurde umgekrempelt, zudem stellte Hirscher auch seine Fahrweise geringfügig um. "Alles oder gar nichts", beschrieb er sein Motto. Und sprach davon, dass er einen Lauf hingelegt habe, wie er für den 18-jährigen Jungspund Hirscher typisch gewesen wäre. "Das war sehr viel Risiko, aber am Ende war es die richtige Entscheidung."
Hirscher knallte mit 46,64 eine souveräne Laufbestzeit hin und sah anschließend entspannt zu, wie er Position um Position vorrückte. Als Kristoffersen als Letzter im Starthaus stand, lag der Weltcup-Sieger der vergangenen vier Jahre immer noch in Führung. "Es ist wichtig für die Moral, dass der zweite Durchgang so aufgegangen ist. Sonst grübelt man doch ein wenig", zeigte er sich nachher erleichtert.
Kristoffersen freilich ließ nichts mehr anbrennen und büßte von seinem respektablen Vorsprung auf den Österreicher nur knapp über eine halbe Sekunde ein. "Ich bin wirklich glücklich, die Saison im Slalom mit diesem Sieg begonnen zu haben. Die Piste hier ist extrem schwierig zu fahren", sagte der Olympia-Dritte von Sotschi 2014.
Fünfter Weltcupsieg für Kristoffersen
Das Siegertreppchen in Val d'Isere glich übrigens exakt jenem vom Slalom-Opener der Vorsaison. Auch im November 2014 gewann Kristoffersen in Levi vor Hirscher und Felix Neureuther. Insgesamt verbuchte der Norweger in Frankreich seinen fünften Weltcupsieg und den vierten im Slalom.
Für Norwegens Skiteam war es in dieser Saison der vierte Sieg in acht Rennen, in Speedbewerben hatte dreimal Aksel Lund Svindal zugeschlagen. Cheftrainer Christian Mitter, der mit Kristoffersen seit fünf Jahren arbeitet, hatte schon vor Saisonbeginn ein gutes Gefühl.
"Henrik wird immer älter, immer stabiler. Er hat im Sommer materialmäßig ein bisserl was getan, war offensiver. Er war da immer sehr unkompliziert, aber dieses Mal hat er mehr geschaut, ob das wirklich das Richtige ist, vor allem im Riesentorlauf", sagte der Steirer.
Positive Bilanz für Hirscher
Vergangenen Winter lief es nach dem Slalom-Auftaktsieg nicht nur rund in dieser Disziplin, erst in Kranjska Gora Mitte März stand Kristoffersen wieder ganz oben auf dem Stockerl, auch zwei Ausfälle hatte er hinnehmen müssen. "Ich würde nicht sagen, dass es eine durchwachsene Saison war, mit drei Siegen und zwei dritten Plätzen (im Slalom und Riesentorlauf/Anm.), aber es war eine schwierigere. Es geht nicht nur rauf und rauf, aber das gehört dazu. Wenn man Nummer drei in der Welt im Slalom ist, dann wird der Weg bergauf flacher."
Hirscher konnte nach dem Wochenende in den Rhone-Alps zufrieden Bilanz ziehen. In allen fünf Rennen, die er in dieser Saison absolvierte, fuhr er auf das Podium - das war ihm zuvor noch nie gelungen. Dank seinem 16. Sieg in einem Riesentorlauf riss er am Samstag erstmals die Führung im Gesamtweltcup an sich. Am Sonntag schraubte er den Vorsprung auf Aksel Lund Svindal auf 123 Punkte.
Die Ski-Herren übersiedeln nun in die Dolomiten, wo für die Techniker in Alta Badia Riesentorlauf (Sonntag) und Parallel-Riesentorlauf (Montag/21.12.) sowie der Flutlichtslalom in Madonna di Campiglio (Dienstag/22.12.) auf dem Programm stehen. "Ich freue mich schon auf die Rennen", sagte Hirscher. Die nächsten paar Tage wolle er aber erst einmal ein wenig kürzertreten.