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Hirscher: "Henrik ist Gesamtweltcup-Favorit"

Hirscher lehnt Favoritenrolle ab und erklärt, warum er fast auf den Super-G verzichtet hätte:

Hirscher:

Marcel Hirscher versetzt alle in Staunen.

Eigentlich eine Schlagzeile, die nach einem eindrucksvollen Sieg des Salzburgers mit Mega-Vorsprung klingt. Ist es (diesmal) aber nicht. Denn diesmal verursacht eine Aussage nach dem zweiten Platz im Kitzbühel-Slalom die offenen Münder zahlreicher Journalisten.

"Henrik ist jetzt der Top-Favorit im Gesamtweltcup", stellt der 26-Jährige klar und fügt an: "Ich meine das nicht nicht lustig, das ist mein Ernst."

Warum er Henrik Kristoffersen in die Favoriten-Rolle schiebt, er fast nicht im Super-G gestartet wäre, er stolz auf die ÖSV-Youngsters ist, er noch nicht weiß, ob er nach Südkorea zur Olympia-Generalprobe reist und was er sich im Ziel dachte, als er den knappen Rückstand sah, erklärt Marcel Hirscher im Interview:

Frage: Wie geht es dir mit dem zweiten Platz?

Marcel Hirscher: Ich bin sehr froh über den zweiten Platz, vor allem nach den zwei Ausfällen in Wengen und in der Kombi hier. Es tut gut, hier wieder ein tolles Resultat zu erzielen. Ausfälle wegzustecken ist nicht einfach - da fängt man an, nachzudenken. Ich bin ein verwöhntes Kind was Erfolge betrifft - wenn es nicht so läuft, dann fängt man zu Grübeln an. Henrik ist auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Karriere, er ist nahezu unschlagbar. Er kann sechs, sieben oder sogar neun Rennen gewinnen. Er erinnert mich manchmal an das Jahr, in dem ich in zwölf Rennen elf Mal am Podest stand. Ich habe ihm schon gesagt: "Langsam reicht es mit den Hundertstel - es wird Zeit, dass ich mal wieder vorne bin." (lacht)

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Frage: Wie weh tun die drei Hundertstel Rückstand?

Hirscher: Im Endeffekt tun sie nicht weh. Was weh tut ist, dass es zum zweiten Mal so knapp war. Sechs Hundertstel in Adelboden, drei Hundertstel hier. Da schwingst du ab und denkst: „Das gibt es nicht, was will der Norweger von mir?“ (lacht). Aber so ist es eben. Ich kann mich erinnern, dass ich in Adelboden auch schon sehr knapp gewonnen habe, damals vor Benni Raich. Das ist der Sport – einmal hast du das Glück und dann der Andere. Abgesehen davon: Wenn es nicht mehr passt, in Kitzbühel auf dem Podium zu stehen, dann passt irgendetwas wirklich nicht mehr.

Frage: Wie würdest du die Kitzbühel-Woche zusammenfassen?

Hirscher: Am Donnerstag habe ich Super-G trainiert, das erste Mal seit Beaver Creek. Es hat sich nicht so super angefühlt. Nach der Besichtigung des Super-G am Freitag war ich völlig fertig. Ich habe überlegt, ob ich fahren soll oder nicht. Es hat bei der Besichtigung schon schwer ausgesehen, so schwer war es vor einem Jahr bei weitem nicht. Dann habe ich mich aber entschieden, das Rennen in Angriff zu nehmen. Da war mir aber klar, dass ich taktieren muss, um nicht sinnlos abzufliegen, nur um eine halbe Sekunde schneller zu sein. Für uns war logisch, dass ich nicht alles riskieren muss, weil ich den Super-G sowieso nicht gewonnen hätte. Ob ich jetzt drei oder vier Zehntel schneller gewesen wäre, ist im Prinzip egal. Es ging darum, eine gute Ausgangslage für den Kombi-Slalom zu legen – das ist geglückt. Der Slalom-Speed war in der Kombi top, der Einfädler Scheiße. Ich musste Strafe zahlen, also war es ein teurer Trainingslauf.

Frage: Das hat auch für Aufregung gesorgt. Kritiker meinen, du hättest stehen bleiben sollen. Warum bist du weiter gefahren?

Hirscher: Für mich hat der Funken Hoffnung gelebt, dass ich auf der richtigen Seite der Torstange war. Dann werde ich ja nicht abschwingen. Deswegen haben wir Kameras, die es auch gezeigt haben. Ein kleiner Vergleich, den ich mir zurechtgelegt habe: Das wäre, wie wenn der Stürmer beim Fußball einen Lochpass bekommt und das Gefühl hat, er könnte um zehn Zentimeter im Abseits sein. Dann bleibt er ja auch nicht aus Verdacht stehen, obwohl das Tor leer ist. Deswegen gibt es ja auch bei uns Schiedsrichter, die sich das ansehen.

Frage: Zurück zum Spezial-Slalom. War das das schwerste Rennen aller Zeiten auf dem Ganslernhang?

Hirscher: Es ist mein achtes Jahr in Kitzbühel, ich habe den Ganslernhang aber noch nie so schwer gesehen. Die Übergänge waren steiler, größer, eisiger, rutschiger als jemals zuvor. Alles war mehr, auch das Publikum. Wirklich großartige Fans, eine geile Stimmung. Die Kurssetzung im ersten Durchgang etwas gegen das Gelände, dadurch war es noch härter.

Frage: Umso beeindruckender, dass mit Marco Schwarz und Manuel Feller zwei junge Österreicher für Aufsehen gesorgt haben, oder?

Hirscher: Man hat bereits im Slalom-Training am Samstag gesehen, dass Feller und Schwarz sauschnell sind und auf dem Eis sehr gut fahren können. Das haben sie im ersten Durchgang auch bewiesen. Im zweiten Durchgang ist es nicht so einfach, vor dieser Menschen-Masse die Kaltschnäuzigkeit zu haben. Das muss man verstehen. Ich bin richtig stolz auf sie, wie sie das gemacht haben. Sie haben sich brutal stark präsentiert.

Frage: Obwohl Henrik Kristoffersen im ersten Durchgang Fehler hatte: Hat man deiner Meinung nach gemerkt, dass ihm diese eisigen Bedingungen und die vielen Übergänge nicht ganz so liegen?

Hirscher: Nein, finde ich nicht. Er ist so solide und so stark, dass er überall gewinnen kann. Es klingt blöd, wenn ich immer einen Vergleich mit mir ziehe, aber so kann ich es besser nachvollziehen und erklären. Es erinnert mich an mich, als ich in Adelboden mit acht Zehntel Rückstand Achter war. Wenn du in so einer Top-Form bist, hast du das Vermögen, den Ofen richtig aufzudrehen. Das hat er heute gezeigt – sehr geil und richtig beeindruckend. Für den Skisport ein sehr spannendes und cooles Rennen.

Frage: Hast du seinen zweiten Durchgang gesehen?

Hirscher: Nein, ich habe aber mitbekommen, dass er schnell ist. Das war mir ohnehin klar - wenn er fehlerfrei runterkommt, ist er schnell. Wenn du nach dem ersten Lauf zurückliegst, gibt es nur eine Devise: Vollgas. Entweder top oder draußen.

Frage: Wie war dein Gefühl, bevor du die Tafel gesehen hast? Dachtest du, es geht sich aus?

Hirscher: Ich war mir sehr unsicher. Speziell im Mittelteil habe ich gespürt, dass es nicht so fein gelaufen ist. Klar ist die Stelle des Einfädlers ein markanter Punkt. Dort versucht man, sich ein bisschen mehr Platz zu lassen und nicht ganz so knapp zu den Toren zu fahren. Es ist außerdem nicht das erste Mal, dass ich bei diesen Passagen die Spitze zu weit hineingedreht habe.

Frage: Wie sieht die Situation im Gesamtweltcup aus? Da ist Kristoffersen nun auch dein erster Verfolger.

Hirscher: Aufgrund der veränderten Situation ist er der Top-Favorit. Ich sehe viele erstaunte Gesichter, es ist aber nicht erstaunlich. Es ist ziemlich simpel: Wenn er es weiter so durchzieht, haben wir keine Chance. Ich meine das nicht lustig, ich sehe es realistisch. Wenn er so weiterfährt, was soll ich tun? Er hat dann einfach mehr Punkte, deswegen ist er der Favorit. Die Hunderter zählen einfach viel am Konto.

" Wir waren wirklich alle traurig über die Masse an Verletzungen, auch wegen Aksel. Da geht es nicht darum, dass er mein Konkurrent ist. Ich fahre nicht gegen ihn, ich fahre gegen eine virtuelle Zahl."

Über Svindals Aus im Gesamtweltcup

Frage: Ändert sich dennoch etwas an der ganzen Situation im Gesamtweltcup, weil Aksel ausfällt?

Hirscher: Nein, weil ich nie gegen einen anderen Typen fahre. Ich fahre für mich selbst. Ich fahre auch nicht gegen Henrik, sondern höchstens gegen die Zeit. Es ist nicht schlimm, immer gegen den selben zu verlieren. Die Zeit ist mein Richtwert. Dort muss ich hinkommen oder im besten Fall schneller sein. Wir waren wirklich alle traurig über die Masse an Verletzungen, auch wegen Aksel. Da geht es nicht darum, dass er mein Konkurrent ist. Ich fahre nicht gegen ihn, ich fahre gegen eine virtuelle Zahl. Am Schluss wird zusammengerechnet und der Beste bekommt eben einen Preis.

Frage: Ein kleiner Ausblick auf Schladming: Ist Kristoffersen wirklich unschlagbar oder redest du dir das teilweise ein, um dich zu motivieren und zu pushen?

Hirscher: Wenn ich meinen besten Slalom-Schwung fahren kann, kann ich ihn einholen. Aber es gelingt mir momentan nicht. Es war schon einmal anders, da gab es kein Zurückstecken. Aktuell befindet sich Henrik in dieser beneidenswerten Form. Im Nachhinein weiß ich erst, was es damals geheißen hat, herunterzufahren und schnell zu sein. Das ist alles andere als selbstverständlich. Diese Selbstverständlichkeit ist im Moment nicht hier. Dennoch: Zweiter, Zweiter, Erster, Zweiter, Ausfall, Zweiter. Sechs Slaloms und fünf Podiums – wieso sollte ich da sudern?

Frage: Wie sieht dein weiteres Programm aus? Wirst du nach Südkorea reisen, um die Olympia-Generalprobe in Jeongseon (7.2. Super-G) zu bestreiten?

Hirscher: Wir sind am überlegen. Je nachdem, wie ich mich fühle und wie viel Kraft die Woche noch kostet. Es geht bis Sonntag weiter, dann noch am Montag ins Flugzeug einzusteigen muss man sich gut überlegen. Es ist die Frage, ob man das von den Ressourcen her aushält. Es hat keinen Sinn, dann in Korea krank zu sein. Ich stehe auf der Liste, möchte es mir aber offenhalten. Es ist noch eine Woche bis dahin, ich muss dann entscheiden, was klüger ist. Wenn ich sage, ich hole im Super-G 20 Punkte – und das ist schon sehr optimistisch – ist es dann nicht besser, lieber irgendwo anders einmal Erster statt Zweiter zu werden?

Aus Kitzbühel berichtet Matthias Nemetz

Den Typ gilt es in dieser Saison zu schlagen...! 󾍇#congrats Henrik Kristoffersen #weareskiing #verleihtflügel #IWILL

Posted by Marcel Hirscher on Sonntag, 24. Januar 2016

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