Die „Nachwuchskrise“ des ÖSV war in der letzten Saison das bestimmende Thema im Ski-Weltcup.
Österreich schaffe es nicht, junge Athleten mit Potenzial auszubilden, Marcel Hirscher und Anna Fenninger würden mit ihren Erfolgen über die Misere hinweg strahlen, so die Thesen der Kritiker.
Dass es nicht ganz so düster aussieht, bewiesen Cornelia Hütter, Ramona Siebenhofer und Tamara Tippler bei den Damen und etwa Roland Leitinger bei den Herren.
Doch auch dahinter scharren bei den Männern zwei außergewöhnliche Talente in den Startlöchern: Marco Schwarz und Manuel Feller sorgten in den letzten Wochen mit tollen Ergebnissen im Europacup für Aufsehen.
Drei Siege in vier Rennen
Schwarz stand in jedem der bisherigen vier Europacup-Rennen (2 Slaloms, 2 Riesentorläufe) auf dem Podest und feierte in Hemsdal einen Sieg. Feller erreichte neben den beiden RTL-Siegen die Plätze drei und fünf in den Slaloms.
Gemeinsam kommt das Duo also auf drei Siege in vier Rennen und kombiniert auf sieben Podestplätze.
„Wir haben im Sommer gut trainiert. Ich weiß, dass ich im Slalom gut in Form bin“, berichtete Schwarz schon vor der Saison bei LAOLA1.
Der nächste Superstar?
Bereits seit geraumer Zeit spekulieren Trainer und Experten mit einer Explosion des 20-Jährigen. 2014 kürte sich der Kärntner zum Junioren-Weltmeister im Super-G und holte Bronze in der Abfahrt. Letztes Jahr legte er Silber im Slalom nach.
Schon 2012, im zarten Alter von 16 Jahren, räumte Schwarz bei den Olympischen Jugend-Winterspielen ab und holte in Riesentorlauf, Super-Kombination und Teambewerb dreimal Gold.
Mit dem Durchbruch im Weltcup klappte es bislang noch nicht. Noch. Denn nach sieben erfolglosen Slalom-Auftritten in der letzten Saison soll der Knopf heuer aufgehen.
„Erwartet habe ich mir letztes Jahr schon mehr. Ich habe gehofft, in den zweiten Durchgang zu kommen. Es ist mir nicht gelungen, deswegen will ich heuer umso mehr Gas geben“, so seine Kampfansage.
Der Auslöser der Nachwuchskrise?
Der um drei Jahre ältere Feller hatte den Durchbruch im Weltcup eigentlich schon geschafft. Nach Slalom-Gold bei der Junioren-WM 2013 holte er in 2014 Kitzbühel mit Rang acht sein bestes Ergebnis in der obersten Leistungsstufe.
Zu Beginn der letzten Saison dann der Rückschlag: Nach einem Bandscheibenvorfall fiel er 2014/15 komplett aus. Ein Schock für ihn und den ÖSV. Plötzlich standen im Slalom neben Hirscher mit Mario Matt, Benjamin Raich, Reinfried Herbst und Wolfgang Hörl nur arrivierte Läufer im Team.
Von vielversprechenden Talente weit und breit keine Spur. So kam die vieldiskutierte Nachwuchskrise erst auf.
"Ich werde in den nächsten Saisonen nicht der einzige sein, der in die Top 30 oder weiter nach vorne fährt."
„Der eine oder andere wird überrascht sein“
„Das Thema ist schon oft durchgesprochen worden“, erklärt Feller bei LAOLA1. „Vor fünf, sechs, zehn Jahren war einfach eine Masse an Athleten da. Dadurch sind die Jungen angestanden. Das ist jetzt nicht mehr so. Wir haben eine junge Truppe, da fahren alle richtig gut.“
„Ich werde in den nächsten Saisonen nicht der einzige sein, der in die Top 30 oder weiter nach vorne fährt. Ob es in dieser Saison schon passiert, kann man nicht sagen. Der eine oder andere wird aber in den nächsten Jahren überrascht sein“, kündigt er mit breiter Brust an.
Zurückhaltung ist generell nichts für den Tiroler. Man hat das Gefühl, er lässt sich seinen Mund nicht verbieten und spricht frei von der Seele. Einstudierte Phrasen sind nichts für den 23-Jährigen.
Wenn Hirscher sauer wird
So auch, als wir ihn auf Lobeshymnen seiner Trainer („Er hält im Training mit Marcel Hirscher mit“) ansprechen.
„Das wird immer übertrieben. Wenn du mit Marcel trainierst, kannst du nie sagen, du bist schneller gefahren. Auch wenn die Zeit besser war - du weißt nie, was er gerade probiert. Wenn du vor den Rennen dabei bist, weißt du, es ist gut“, berichtet Feller.
„Einen Lauf hat er – auch wenn er testet – pro Tag immer dabei, wo er voll hergerichtet fährt. Weil es ihn anzipft, wenn er hinter dir ist. Da zeigt er dir dann, wie es aussieht.“
„Es sind viele Fehler passiert“
Im letzten Jahr konnte sich Feller aufgrund seiner schweren Rückenverletzung weder im Training noch im Rennen mit Hirscher messen. Wie hart es war, zusehen zu müssen?
„Anfangs war es schwierig. Dann habe ich etwas Abstand genommen, nicht jedes Rennen angesehen. Das hat mir gut getan, eine Saison weg vom ganzen Sport zu sein. Ich habe mit zehn Jahren begonnen, immer weiter. Jetzt kommen hoffentlich noch einmal zehn Jahre oder mehr. Eine Saison Auszeit zu nehmen hat mir vielleicht sogar gut getan.“
Ob man die schwere Verletzung hätte vermeiden können, wagt der Fieberbrunner nicht einzuschätzen: „Schlussendlich haben die letzten drei Wochen das Kraut nicht mehr fett gemacht. Die Saison hätte ich sowieso vergessen können und wäre nicht früher auf den Ski gestanden. Es ist mein Beruf, man versucht es, bis es geht. Natürlich kann man jetzt sagen, ich hätte es lassen sollen, weil es nichts bringt, drei Wochen mit Schmerztabletten herumzufahren.“
Fehler seien aber „in all den Jahren immer wieder passiert. Gewisse Sachen sind vernachlässigt worden – von mir und gewissen Trainern. Denen kann man aber auch nicht die Schuld geben, weil ich jedes Jahr den Trainer gewechselt habe und immer woanders hingekommen bin. Die mussten mich erst kennenlernen – das war das Problem.“
Körperlich fühle er sich nun stärker als je zuvor. „Es klingt zwar blöd, aber vielleicht war es Beste was mir je passiert ist.“
„Ein Anwärter auf den Gesamtweltcup“
Das junge Technik-Team pushe sich seiner Meinung nach gegenseitig zu Höchstleistungen: „Wir haben starke Leute in der Trainingsgruppe, vor allem Marco Schwarz. Vor allem im Slalom fährt er richtig stark. Im Riesentorlauf bin ich auch richtig gut drauf.“
Schwarz und Feller werden nach den beeindruckenden Vorstellungen im Europacup auch die Rennen in Val d’Isere (Slalom und Riesenslalom, LIVE im LAOLA1-Ticker) in Angriff nehmen.
„Das vorrangige Ziel ist, im Slalom unter die ersten 30 zu kommen. Daneben will ich den Riesentorlauf mitnehmen. Es wäre schon gut, wenn das klappt“, steckt Schwarz seine Ziele. „Mehr will ich derzeit nicht erwarten.“
Eine große Zukunft trauen ihm nicht nur Experten und Coaches zu, sondern auch der ÖSV-Präsident höchstpersönlich. Auf den Youngster angesprochen nimmt sich Peter Schröcksnadel bei LAOLA1 kein Blatt vor den Mund: „Er ist sicher einmal ein Anwärter auf den Gesamtweltcup!“
Im Speed-Bereich noch schneller?
Der Tiroler erklärt dies wie folgt: „Er ist in den Speed-Disziplinen noch schneller, als in den technischen.“ Eine Theorie, die Schwarz zwar nicht bestätigt, aber auch nicht negiert. „Aktuell habe ich sicher in den technischen Disziplinen mehr Potenzial, weil ich es mehr trainiere. Allgemein würde ich sagen, dass es ausgeglichen ist.“
Erweckt fast den Eindruck, dass der Jungspund nur in den technischen Disziplinen fährt, um die Nachwuchskrise vergessen zu machen. „Ich bin immer schon mehr Slalom gefahren, das hat nichts mit der Nachwuchs-Krise zu tun“, winkt er jedoch ab.
Seine Karriereplanung sieht ein baldiges Antreten in den Speed-Disziplinen aber durchaus vor: „Ich will in den technischen Disziplinen ganz nach vorne kommen und dann auch Super-G und Abfahrt mitnehmen.“
Die Form stimmt, das Potenzial haben Schwarz und Feller allemal, schon in Val d’Isere für Aufsehen zu sorgen. Und dann wäre die Nachwuchskrise schon fast wieder vergessen.
Matthias Nemetz