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Gut oder Böse?

Von 0 auf 100, vom Wunderkind zur Zicke. Die Karriere der Lara Gut:

Gut oder Böse?

Ein strahlender Blick, ein herzliches Lachen. Lara Gut zieht die Blicke auf sich wie kaum eine andere Skirennläuferin.

Auch beim Weltcup-Finale in St. Moritz werden alle Augen auf die hübsche Schweizerin gerichtet sein. Dann nämlich, wenn sie die große Kristallkugel für den Gewinn des Gesamtweltcups in die Höhe stemmt.

Für die 24-Jährige ist es der größte Erfolg ihrer Karriere. Eine Karriere, die fast zu Ende gewesen wäre, noch bevor sie richtig begonnen hat.

Von 0 auf 100

Gleich bei ihrem ersten Weltcuprennen, bei dem sie das Ziel erreichte, fuhr die damals 16-Jährige aufs Podest. Ihren ersten Weltcupsieg feierte sie wenige Monate später in St. Moritz, wo sie bis dato als jüngste Läuferin in der Geschichte (17 Jahre, 237 Tage) einen Super-G gewann. Von der Öffentlichkeit in den Himmel gelobt, erfuhr die Tessinerin jedoch schon früh, was es heißt, Aushängeschild einer ganzen Nation zu sein.

„Ich war 17 und keiner hat mir erlaubt, einen Fehler zu machen“, erinnerte sich Gut im Interview mit „SI Sport“ an die Zeit, in der ihre Karriere auf der Kippe stand. Sie war kurz davor mit dem Skifahren aufzuhören, entschied sich aber zum Weitermachen und gewann wenige Monate später bei der WM in Val d’Isere 2009 zwei Silbermedaillen.

Die Schweizerin zog sich ob der riesigen Erwartungshaltung dennoch zurück, machte sich bei den bei ihr unbeliebten Medien rar. Schnell ereilte sie der Ruf als Zicke. „Schließlich war es so, dass ich mich nur noch in den eineinhalb Minuten während des Wettkampfes auf der Piste frei fühlte. Kaum kam ich ins Ziel, ging der Horror wieder los.“

Kampf gegen den Verband

Trotzdem ging sie als große Medaillenhoffnung in den Olympia-Winter 2009/10. Doch ein Trainingssturz machte alle Hoffnungen zunichte: Gut renkte sich die Hüfte aus und musste operiert werden, woraufhin sie wochenlang ans Bett gefesselt war.

Ihre Rückkehr in den Weltcup in der Saison 2010/11 verlief sportlich gut, sie fuhr Podestplätze und Siege ein. Doch dann geriet Gut, die seit jeher auf ein Privat-Team vertraut, mit dem Schweizer Verband aneinander, weil sie Kleidung ihres privaten Sponsors anstelle von Verbandskleidern getragen hatte.

„Ich mache mein Ding und das ziehe ich durch. Was andere sagen, interessiert mich nicht.“

Lara Gut

Gut kritisierte den Schweizer Cheftrainer Mauro Pini, der früher auch ihr persönlicher Trainer war, öffentlich, woraufhin ihr respektloses Verhalten nachgesagt wurde. Die Folge: Zwei Rennen Sperre. Das Verhältnis zwischen Swiss Ski und dem Team Gut blieb angespannt.

„Ich mache mein Ding und das ziehe ich durch. Was andere sagen, interessiert mich nicht“, ließ die Tessinerin wissen. Eine Einstellung, die ihr Standing in der Öffentlichkeit nicht unbedingt verbesserte. Selbstverliebt, abgehoben, unverschämt – mit diesen Attributen wurde das einstige Wunderkind nicht selten beschrieben. Sie polarisierte wie kaum eine andere Schweizer Sportlerin.

Lehren aus der Vergangenheit

Im darauffolgenden Winter nahm Gut erstmals das Projekt Gesamtweltcup ins Visier, bestritt jedes einzelne Weltcuprennen – und scheiterte. Sie schaffte es kein einziges Mal aufs Podest. „Ich kann euch nur darum bitten, mich nicht fertig zu machen und Geduld zu haben“, sagte sie im Jänner 2012 mit den Tränen kämpfend. „Ich verspreche euch, dass ich wieder schnell fahren werde.“

Sie hat ihr Versprechen gehalten.

In den letzten vier Jahren zog Gut die richtigen Lehren aus der Vergangenheit. Sie setzte im sportlichen Bereich Prioritäten und konzentrierte sich auf ihre Stärken. Die 24-Jährige stellte ihre Ernährung um und ging im Konditionstraining neue Wege. Sie verbrachte so viel Zeit im Kraftraum wie noch nie, schob bei Ski-Tests und Technik-Trainings Sonderschichten.

Das Team Gut

Seit dem Abgang von Mauro Pini bei Swiss Ski ist auch das Verhältnis zum Verband ein besseres. Gut schließt sich ihren Teamkolleginnen an, wenn es für sie Sinn macht, und trainiert alleine, wenn sie es für richtig hält. „Heute arbeiten wir alle in die gleiche Richtung“, hält Gut fest.

Die Entscheidung, ihre Karriere mit einem Privat-Team zu bestreiten und sich nicht vollkommen dem Verband unterzuordnen, sei laut der Olympia-Bronzemedaillen-Gewinnerin von Sochi richtig gewesen. „Ich habe immer gemerkt, dass ich das lieber allein mache. Ein Training ist besser, wenn es nur für mich bestimmt ist und nicht für drei Fahrerinnen. Oder für acht.“

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Für Gut war stets wichtig, ein Umfeld zu haben, das sie „nicht nur als Zahl“ sieht. Seit Jahren hat die vierfache WM-Medaillengewinnerin ein Team, auf das sie sich blind verlassen kann. Wichtigste Bezugsperson ist ihr Vater Pauli, der Headcoach des Team Gut. Er ist zwar Teil des Schweizer Verbandes, aber ausschließlich für die Betreuung seiner Tochter zuständig.

„Er ist immer dabei und der Wichtigste auf dem Berg, weil er mich am besten kennt“, sagt die Allrounderin. Mutter Gabriella zieht die Fäden im Hintergrund und fungiert als eine Art persönliche Assistentin ihrer Tochter.

Neben der Familie gehören dem Netzwerk der langjährige Servicemann und je nach Bedarf ein Konditionstrainer, eine Physiotherapeutin und weitere Trainer an. Einer davon ist Daniel Albrecht. Mit dem Ex-Rennläufer verbindet sie eine enge Freundschaft. „Wir haben im Sommer Slalom und Riesenslalom trainiert, viel an der Technik gearbeitet“, erzählt Gut. Im Materialbereich setzt sie seit ihrem Wechsel zu Head auf die Expertise von Didier Cuche, der seine jahrelange Erfahrung an die 24-Jährige weitergibt.

Freunde und Feinde

Nicht nur ihr professionelles Umfeld, auch Guts Akribie und Hartnäckigkeit sind ein Mitgrund für ihren Erfolg. Die Gesamtweltcup-Führende weiß genau, was sie will.

"Sie ist eine brutale Arbeiterin", sagt Anna Fenninger. Die Salzburgerin und Gut verbindet eine enge Freundschaft. Auch Viktoria Rebensburg und die Slowenin Ilka Stuhec stehen der Schweizerin sehr nahe. „Wir vier sind gemeinsam gewachsen im Weltcup. Seit wir 15 Jahre alt sind, sind wir es gewohnt, dass jede eine Startnummer trägt“, so Gut.

Dass sie im Weltcup nicht nur Freundinnen hat, ist bekannt. Der "Zickenkrieg" zwischen ihr und Lindsey Vonn dominierte in den letzten Wochen die Schlagzeilen. Das angespannte Verhältnis der beiden Ski-Beautys soll aber schon vor dem Zweikampf um den Gesamtweltcup in dieser Saison bestanden haben.

Fortsetzung folgt!?

Wie der „Blick“ berichtete, soll Gut bereits 2011 ein Doppelinterview mit Vonn abgelehnt haben. „Mit Lindsey will sie neben der Piste nichts zu tun haben“, so das Statement ihres Managements, das auch die Gründe für die Absage nannte. Vonn soll sich dagegen gewehrt haben, dass ihr Sponsor Red Bull auch Gut unter Vertrag nimmt. Der Getränkehersteller wollte das damals nicht bestätigen.

Die Streitigkeiten zwischen den beiden fanden nach Vonns Sturz im Super-G von Soldeu eine Fortsetzung. Gut warf der US-Amerikanerin Schauspielerei vor. „Sie macht immer ein Theater. Das war nicht das erste Mal und es wird nicht das letzte Mal sein", ätzte sie.

Vonn, die die Saison aufgrund ihrer Verletzung vorzeitig beenden musste, wartet seither auf eine Entschuldigung und musste mitansehen, wie die Schweizerin in der Gesamtwertung an ihr vorbeizog und für die erste große Kristallkugel der Schweizer Damen seit 21 Jahren sorgt.

Egal, ob gut oder böse, am Ende dieses Winters ist Gut die Beste.

Daniela Kulovits

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