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Gottwald: "Saison wie heuer ist ein Trauerspiel"

Experten analysieren: Was läuft gut in der Kombi? Was muss geändert werden?

Gottwald:

Mit dem Weltcup-Finale in Schonach hat sich die Nordische Kombination in die lange Sommerpause verabschiedet.

Dem österreichischen Team gelang ein versöhnlicher Abschluss, mit Platz drei im Team sowie im Einzel durch Lukas Klapfer sorgten die ÖSV-Athleten für die Podestplätze Nummer sieben und acht.

Doch haben die Wintersport-Fans hierzulande davon Wind bekommen? Durch die frühlingshaften Temperaturen mussten die Kombinierer ausgerechnet zur Hauptsaison zwischen Mitte Dezember und Mitte Jänner eine einmonatige Durststrecke in Form eines Wettkampf-Lochs hinnehmen und gerieten ins mediale Abseits.

Während Alpine, Langläufer, Skispringer und Biathleten einen Bewerb nach dem anderen bestritten und wertvolle TV-Zeit zugestanden bekamen, waren die Könige des Nordischen Skisports zum Nichtstun verdammt. LAOLA1 beleuchtet mit den Experten Felix Gottwald, Mario Stecher und Günter Csar sowie ÖSV-Aushängeschild Bernhard Gruber den Status quo.

Gottwald nimmt sich kein Blatt vor den Mund

"Eine Saison wie heuer ist ein Trauerspiel", nimmt sich Gottwald wie gewohnt kein Blatt vor den Mund und betrachtet die lange Pause als Kernproblem. "Da bist du unter der Wahrnehmungsgrenze. Da kriegt keiner mehr mit, dass es die Kombi auch gibt." Hinzu kommen durchwachsene Resultate der Österreicher bei den Heimweltcups, damit gebe es "keinen Grund, warum du weiter schauen solltest."

Der Salzburger, mit dreimal Gold, einmal Silber und dreimal Bronze bis dato erfolgreichster österreichischer Olympionike aller Zeiten, geht noch weiter: "So schnell geht's, dann ist die Saison vorbei. Dann hast du die nächste vor der Tür und auf einmal hast du die WM im eigenen Land (2019, Anm.) und hast es gar nicht mitbekommen."

"Eine Saison wie heuer ist ein Trauerspiel. Da bist du unter der Wahrnehmungsgrenze. Da kriegt keiner mehr mit, dass es die Kombi auch gibt."

Felix Gottwald

Fehlt es an der nötigen Wertschätzung von Seiten des Internationalen Skiverbandes (FIS)? "Das würde ich nicht sagen", entgegnet Stecher. Man habe schließlich bei allen Wintersportarten gesehen, dass es in dieser Saison schwierig war, Bewerbe durchzuführen. In der Kombi sei leider in kompakter Form nichts weiter gegangen. Für seinen Geschmack gab es allerdings "von vornherein zu wenige Wettkämpfe. Wir sind zu wenig präsent über das Jahr hinweg." Sein Vorschlag: Ab Dezember müsse man bis zum Saisonende an jedem Wochenende einen Weltcup auf die Beine stellen.

Csar nimmt FIS-Renndirektor Ottesen in die Pflicht

Csar, Team-Weltmeister 1991 und inzwischen als ÖSV-Jugendkoordinator tätig, nimmt diesbezüglich Renndirektor Lasse Ottesen in die Pflicht. "Aus unserer Sicht war das heuer enttäuschend. Die Athleten bereiten sich so lange vor und haben dann einen Monat keinen Wettkampf. Der FIS-Renndirektor sollte immer einen Plan B in der Hinterhand haben, auch nationale Verbände hätten die Lücken füllen können."

Gerade von den deutschen Veranstaltern, die die Bewerbe in Klingenhal und Schonach (wurde schließlich als Weltcup-Finale nachgetragen) Anfang Jänner absagen mussten, "hätten wir uns gewünscht, dass sie wenigstens ein Wettkampf-Wochenende durchführen können. Es wurde zwar vieles nachgeholt, aber das schmerzt natürlich."

Österreichs erster Einzel-Weltmeister zeigt indes Verständnis für die FIS. "Man kann natürlich mit Lasse reden, wir haben auch das Gespräch mit der FIS gesucht. Es ist aber schwierig mit den einzelnen Verbänden. Die Orte, die wichtig gewesen wären, waren eben schneelos“, meint Bernhard Gruber.

Uneinigkeit ob der Formate in der Nordischen Kombi

Bernhard Gruber und Mario Stecher sprechen über die Zukunft der Nordischen Kombination

Viele Fans kritisieren zudem das immer gleiche Format von einem Sprung und einem 10-km-Langlauf. Dieser "Einheitsbrei" wurde nur selten, so etwa beim Nordic Combined Triple in Seefeld sowie beim Finale in Schonach, durchbrochen. Die Experten sind sich auch darüber uneinig, nachdem in der Vergangenheit zahlreiche Experimente - man erinnere sich an Strafrunden oder den Hurricane-Start - durchgeführt wurden.

"Die Übertragungszeiten sind so am besten. Es ist verständlich für den Zuschauer", lobt Gruber, um anzufügen, "es wäre aber lässig, ein paar Formate zu haben. Der Massenstart (erst Laufen, dann Springen, Anm.) hat mir immer gut getaugt." Stecher hält dagegen: "Man hat in der Vergangenheit gesehen, dass er nicht funktioniert hat." Der Steirer gesteht allerdings ein, dass mit den Neonfarben, die inzwischen in den Aufsprunghang projiziert werden, die Übersicht für den Zuschauer deutlich besser sei.

Für Csar liegt die Stärke der Kombination ganz klar darin, "dass man im Langlauf die Zweikämpfe sieht. So wie die Athleten ins Ziel laufen, sind sie klassiert. Das macht die Nordische Kombination spannend. In der Vergangenheit hat man sich mit diversen Versuchen verzettelt, seit der Reform 2010 sind wir auf einem guten Weg." Ins selbe Horn bläst Gottwald, der die Fortschritte im Vergleich zu seinen Anfangszeiten verdeutlicht.

Damals wurde dreimal gesprungen, wovon zwei Durchgänge in die Wertung kamen. Der Bewerb zog sich über zwei Tage. Inzwischen ist alles deutlich kompakter und Zuschauer-freundlicher aufbereitet.

Zuspruch für das Nordic Combined Triple in Seefeld

Einstimmig positiv wird indes das Seefeld-Triple bewertet, das - analog zu einer Tour de Ski oder Vierschanzen-Tournee - als zusätzliches Saison-Highlight etabliert werden soll. "Wir alle sind sehr angetan", erklärt Csar und erntet Zustimmung. "Was mir getaugt hat, war der letzte Tag in Seefeld", verrät Gottwald. "Die Aufholjagd von (Eric) Frenzel habe ich gern gesehen. Das ist es, was bei mir (in dieser Saison) hängen blieb."

Das Um und Auf, um in Österreich auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der Medienlandschaft zu spielen, ist der Erfolg der heimischen Athleten. "Das hat man bei uns gesehen", weiß Stecher, wovon er spricht. Die aktuelle Generation wird an den Erfolgen der letzten 20 Jahre gemessen. "Vierte bis 20. Plätze interessieren keinen, oft ist der dritte zu wenig. Es ist immens wichtig, dass die eigenen Leute ganz vorne sind, sonst wird man zur Randnotiz", befürchtet der zehnfache Medaillengewinner bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.

Sie waren jahrelang ein eingespieltes Team: Felix Gottwald und Günther Chromecek

Csar verteidigt die Mannschaft, die in dieser Saison immerhin einen Weltcupsieg durch Gruber einfahren konnte. "Gottwald und Stecher waren sicher sehr prägende Figuren. Sie haben sich da aber auch reinarbeiten müssen und sind im Laufe der Jahre gewachsen. Wir haben jetzt einen Gruber, einen Klapfer, einen Denifl."

Günther Chromecek führt die Jugend heran

Alle drei haben den 30er bereits hinter sich, sodass der Fokus in Zukunft auf die nächste Generation gerichtet sein wird. "Wichtig ist, dass auch von den Sportlern selbst was kommt", gibt Stecher den Jungen einen Rat. "Man muss sich ständig positionieren, als Typ herausheben." Als Positiv-Beispiel nennt er den vierfachen Junioren-Weltmeister Philipp Orter. "Wenn der sich nach oben entwickelt, was das Sportliche anbelangt, wäre das einer, der was darstellt. Er ist einer, der eine Meinung hat und sie auch sagt. Das ist wichtig, damit man kein Spielball wird."

Dahingehend lobt Csar den ehemaligen Chef- und nunmehrigen Nachwuchstrainer Günter Chromecek, der exzellente Arbeit leistet. "Er ist einer der renommiertesten Trainer. In den letzten fünf Jahren haben wir viermal Team-Gold bei der Junioren-WM gewonnen". Hinzu kommen Einzel-Titel für Orter und Bernhard Flaschberger.

Der Kombi-Nachwuchs ist vielversprechend und lässt auf eine rosige Zukunft hoffen. Das nötige Potenzial hat die Sportart zweifelsohne, wie man im letzten Jahrzehnt eindrucksvoll erkennen konnte. "An sich ist der Bewerb mit der spannendste, den es im Wintersport-Zirkus gibt", schwärmt Stecher. Davon hat der Sport allerdings nichts, wenn wochenlang keine Wettkämpfe stattfinden können.

Insofern fasst Csar zusammen: "Der Race-Director ist verantwortlich. Es liegt in seinem Aufgabenbereich, mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Absagen können passieren, so eine lange Pause in einem professionellen Umfeld aber nicht."

Christoph Nister

 

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