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Warum die Tschechen die Nase vorne haben

Der EBEL-Scout nimmt Tschechien und die Slowakei unter die Lupe. Mit interessanten Erkenntnissen:

Warum die Tschechen die Nase vorne haben

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Nicht nur bei älteren Semestern ist die „Tschechoslowakei“ als Einheit noch in den Gehirnen verankert. Doch gerade im Eishockey ist der Unterschied zwischen den beiden Staaten eklatant. Ein Blick auf die beiden Extraligen, die oft nur der gleiche Name verbindet:

Teilnehmer und Modus:

CZE (Tipsport Extraliga): 14 Teams, 6 direkt in den Playoffs, 4 in Pre-Playoffs. Die letzten vier Teams spielen zwei Teams aus, die (ebenfalls im Turnierformat) gegen die beiden Finalisten der 1. Liga Relegation spielen.

SVK (Tipsport Liga): 10 Teams, bis Weihnachten spielt zusätzlich das U20-Nationalteam außer Konkurrenz mit. Acht in den Playoffs, der Letzte spielt gegen den Sieger der 1. Liga Relegation. Der Meister könnte erst am 28. April (!) feststehen.

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Spielstärke:

Beide Ligen leiden natürlich unter dem gleichen Problem: Die einheimischen Topspieler sind im Ausland im Einsatz. Von Nordamerika abgesehen, saugt vor allem die KHL die Topcracks auf, wobei in der Slowakei mit Slovan Bratislava ohnehin ein eigenes Team mitspielt. In Tschechien können wenigstens Topklubs wie Sparta Prag, die Stahlstadt Trinec oder Vorjahresmeister Liberec einige gute Cracks halten oder zurückholen, die 26 in der KHL engagierten Tschechen wären in ihrer Heimat aber fast alle Top-Spieler.

Grundsätzlich gilt: Gute slowakische Spieler spielen oft jahrelang in Tschechien (derzeit 53), umgekehrt wandern nur Cracks in die Slowakei, die zuhause keinen Job mehr finden. Das ist auch ein Indiz dafür, dass die slowakische Liga eher mit der zweithöchsten Spielklasse im Nachbarland zu vergleichen ist. Einzig die drei Topklubs Nitra, Banska Bystrica und Kosice weisen höheres Niveau auf.

Die CZE-Liga wird im internationalen Vergleich hinter der KHL, SHL und NLA eingestuft, die Ergebnisse über die Jahre in der Champions Hockey League lassen sie auch hinter der finnischen Liga zurückfallen. Danach kämen wohl die DEL, EBEL und danach erst die slowakische Extraliga.

Zusammensetzung der Teams:

Von den Grenzgängern abgesehen, die sich aufgrund der sehr ähnlichen Sprache natürlich ohne Probleme verständigen können, setzen beide Ligen immer mehr auf Legionäre, um so die Abgänge der eigenen Stars auffangen zu können. Vor allem die nordamerikanische Karte wird hier immer mehr ausgespielt: In Tschechien sind diese Cracks ziemlich gleich über die Liga verstreut, Teams wie Plzen (mit dem derzeit verletzten Liga-Terroristen Ryan Hollweg), Pardubice oder Chomutov setzen schon seit Jahren auf Kanadier. 15 Nordamerikanern stehen lediglich zwölf Legionäre aus anderen Ländern gegenüber.

Wie in Tschechien gibt es auch in der Slowakei kein Legionärslimit: Neben 25 Tschechen finden sich gleich 16 Nordamerikaner und 17 Spielern aus anderen Ländern wieder. Das macht im Schnitt fast sechs Legionäre pro Team. Vor allem die Vorjahresfinalisten aus Nitra und Banska Bystrica leisten sich jeweils sechs Übersee-Cracks, Banska Bystrica sogar ein Goalie-Duo mit Jason Bacashihua und Ex-Cap Nathan Lawson (weiterhin in desolatem physischen Zustand). Aufsteiger Nove Zamky, nahe der ungarischen Grenze gelegen, setzt wiederum auf ein billiges Gemisch aus Nordmerika, Schweden, Finnland und Lettland.


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Gehälter:

Die Zeiten, als tschechische Spieler für einen Apfel und ein Ei in die Nachbarländer abwanderten, sind schon lange vorbei. Klar, Spieler die aus Leistungs- oder Altersgründen aus der tschechischen Liga purzeln, sind für EBEL- oder DEL2-Teams leistbar, setze hier einmal einen Nettobetrag zwischen 30 und 40.000 Euro an. Doch vor allem bei den Topteams werden oft Gehälter gezahlt, bei denen einem schwummrig werden kann. Knapp sechsstellige Eurozahlen sind keine Seltenheit, kein Wunder, dass etwa ein Spieler wie Nick Schaus (in Pardubice einer der wenigen Lichtblicke) an einer Vertragsverlängerung in Innsbruck kein Interesse zeigte und auch Colton Yellow Horn bei seinem Kurzgastspiel in Plzen sein Znojmo-Gehalt knapp verdoppelte.

In der Slowakei dagegen herrscht schon seit Jahren finanzieller Notstand, Gehälter zwischen 20.000 und 30.000 Euro sind dort die Norm. Und selbst diese werden oft nicht pünktlich ausbezahlt, kein Wunder, dass fast jeder bessere Crack eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag hat und deshalb verabschieden sich auch oft Topscorer mitten unter der Saison. Grundsätzlich gilt: Die tschechischen Gehälter machen im Schnitt etwa das Dreifache von denen im Nachbarland aus.

Infrastruktur und Zuschauerzahlen:

Tschechien hat hier in den letzten Jahren einen großen Sprung gemacht – die Hallen in Liberec, Prag, Chomutov, Trinec und Karlovy Vary wurden im diesem Jahrtausend erbaut oder wie in Pardubice zumindest auf den letzten Stand gebracht. Alles wunderschöne Arenen, vor allem die in Liberec mit ihren knapp 6.000 Plätzen sollte als Musterbeispiel für alle Städte herhalten, die mittelgroße Arenen bauen wollen. Andere „Zimny Stadions“ wie die in Plzen, Litvinov, Zlin oder Hradec Kralove sind altehrwürdige Bauten mit sehr guten Sightlines. Einzig die kleine Halle in Mlada Boleslav (3200 Plätze) oder die ziemlich versiffte Arena in Olomouc machen Besuche eher zu zweifelhaften Vergnügen.

In der Slowakei entsprechen (neben der Arena in Bratislava) lediglich die WM-Halle in Kosice und mit Abstrichen die zu KHL-Zeiten renovierte Halle in Poprad höheren Ansprüchen, der Rest ist sehr klein (Nitra, Banska Bystrica, L. Mikulas) oder seit Jahren nicht mehr renoviert (Trencin). Die teuerste Karte kostet dafür in der Slowakei auch nur acht Euro, schon ab drei Euro kann man mit dabei sein. Toptickets in Tschechien kosten dagegen an die 15 Euro.

Kometa Brno ist sicher das heißeste Ticket dieser beiden Ligen, die Halle mit knapp 7700 Plätzen ist immer proppenvoll. Sonst sind Karten in beiden Ländern meist kein Problem. Angenehmer Nebeneffekt: Die Bierpreise (zwischen einem und zwei Euro) werden schon seit Jahren klein gehalten.

Scouting:

Nach Jahren der sportlichen Talfahrt hat sich das tschechische Eishockey zuletzt wieder erfangen, der Turniersieg beim U18-Ivan-Hlinka-Turnier im Sommer ist der beste Beweis dafür. Es kommen auch wieder mehr junge Spieler zum Einsatz, ein potentieller Top-10-Pick wie Martin Necas kam bei Kometa Brno zumindest zu Saisonbeginn in der Toplinie zum Einsatz. Die wenigen übriggebliebenen tschechischen NHL-Scouts (wurden über die Jahre sukzessive abgebaut) können ihr Dasein heuer besser rechtfertigen als in den letzten Jahren. Ein Problem besteht aber weiter: Viele der Talente wandern schon vor oder nach einem Jahr an Kampfmannschaftseinsätzen in die CHL ab.

Die Slowakei ist dagegen im Juniorenbereich schon seit Jahren scheintot – NHL-Scouts besuchen schon seit Jahren keine Spiele mehr und selbst die kanadischen Juniorenteams sind an slowakischen Imports kaum mehr interessiert. Der Einbau jüngerer Spieler in die Kampfmannschaft geht aufgrund der mangelnden Qualität nur sehr stockend über die Bühne, bezeichnend auch: Fast jedes Team leistet sich einen Spieler, der die 40 Jahre schon überschritten hat, so etwa die 44-jährigen Josef Stümpel (Liptovsky Mikulas) oder Arne Krotak (Poprad). Beide Länder kommen ihren Senioren aber auch sehr entgegen: Lange Pausen (18 Minuten) und die völlige Absenz von „Quick Whistles“ (=schnell ausgeführte Faceoffs) lassen Spiele oft endlos erscheinen.

Für europäische Scouts hat natürlich auch die tschechische Extraliga weit mehr Relevanz, Preis und Leistung in der Slowakei passen am ehesten zur DEL2.

Eine Verzahnung der Ligen untereinander oder mit der EBEL?

Kosice und Slovan Bratislava (noch vor dem KHL-Einstieg) wollten unbedingt in der tschechischen Extraliga mitspielen. Das stieß aber auf keinerlei Gegenliebe, kein Wunder: Mit Ceske Budejovice, Kladno und Slavia Prag (allerdings knapp am Konkurs vorbeigeschlittert) klopfen einige Traditionsklubs seit Jahren vergebens an das Tor zur Extraliga.

Der Slowakei gehen dagegen immer mehr die Teams aus, einstmals gute Märke wie Skalica oder Dubnica vegetieren dahin. Ein Besuch bei einem Traditionsverein und Spielerproduzenten wie Dukla Trencin kann einem Eishockeyfan überhaupt die Tränen in die Augen steigen lassen. Der Ausstieg von Slovan Bratislava hat der Extraliga viel an Attraktion gekostet, kein Wunder, dass dreistellige Zuschauerzahlen nicht selten vorkommen. Gespräche über eine Ligaaufnahme von polnischen Teams verliefen im Sande, zehn Teams für die oberste Spielklasse sind aber weiter das Maximum. Allerdings wackelt Slovans KHL-Teilnahme Jahr für Jahr, bei einem Ausstieg würde aber der slowakische Verband Slovan sicher keine Freigabe für die EBEL erteilen, selbst wenn diese Interesse hätten.

Also: Tschechien hat an einer Teilnahme ausländischer Teams kein Interesse, sie verfügen immer noch über genug traditionelle Märkte. Auch wenn sich die slowakische Extraliga und die EBEL in puncto Spielniveau über die Jahre angenähert haben (auch in der Anzahl der Legionäre), haben sie keine gemeinsame Zukunft. Die Suche nach einem zwölften gesunden Team für die EBEL muss daher woanders durchgeführt werden…

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