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"Ein absolutes Novum im internationalen Eishockey"

Bernd Freimüller über die Playoff-Duelle und für welches Novum die EBEL sorgt:

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Orli Znojmo – Black Wings Linz

Was für ein Spiel gestern – Tore rechts und links, kein Team konnte sich bis zum Schluss vom anderen entscheidend absetzen. Dazu kamen noch einige umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, die vor allem die Linzer fast in den Wahnsinn trieben. Allerdings: Andrew Kozeks Hit gegen Roman Tomas war zwar kein Check gegen den Kopf, aber sicher ahndungswürdig, da weitab der Scheibe. Die 5 + Spieldauer waren schon hart, weitere Konsequenzen sollte es für den Linzer Topscorer aber keine geben.

Zum ersten Mal in diesen Play-Offs sahen sich die Znaimer wirklich harten Attacken ausgesetzt, die Spiele zuvor gegen Dornbirn und Linz wiesen kaum physische Momente auf. Die Adler konnten diese Gangart im Powerplay (trotz zweier 5:3-Situationen) nicht bestrafen, das Spiel am Dienstag wird zeigen, ob Spieler wie Roman Tomas oder Ondrej Sedivy bleibende Schäden davongetragen haben oder in Zukunft vorsichtiger agieren werden. Gerade Tomas, der im Gegensatz zum Vorjahr den Slot weit öfters betritt, ist ein Key Player in den restlichen Spielen.

Apropos Key Player: Andre Lakos war ein Top-Zuzug für die Adler. Nicht nur, dass er seinen Part ruhig und risikolos runterspielt und auch viel Eiszeit verträgt. Obwohl nie ein Fighter, gibt er den Znaimern durch seine Größe Rückgrat und mehr Mut. Nicht umsonst jammerte Ex-Coach Martin Stloukal nach einer verlorenen Serie vor Jahren: „Meine jungen Spieler haben vor den Lakos-Brüdern Riesen-Angst gehabt.

Znojmo ist durch den Heimvorteil weiterhin im Fahrersitz in dieser Serie, es bleibt abzuwarten, wie das Team diese Schlacht weggesteckt hat. Es würde nicht überraschen, wenn Coach Jiri Reznar, der bei seinen Goalies schnell zu Wechseln tendiert, morgen wieder Jan Lukas in den Kasten stellt, Patrik Nechvatal war alles andere als ein Rückhalt. Das wäre dann bereits der vierte Goaliewechsel in den Play-Offs für die Adler.

Was den Linzern Hoffnung geben sollte? Sie finden nun mehr Tore in ihrem Lineup außerhalb ihrer Toplinie um den überragenden Brett McLean: Olivier Latendresse etwa macht seine durchwachsenen Leistungen des Grunddurchgangs vergessen, Daniel Oberkofler belohnte sich endlich wieder mit einem Treffer.

 

Der fünfte Mann:

Seit dem Halbfinale rücken die Refs zu jedem Spiel mit sechs Mann aus. Zu den vier Mann auf dem Eis kommen noch ein Standby-Linesman und –Head. Letzterer hält sich während des Spiels auf der Strafbank auf. Seine Aufgaben skizziert Ref-Boss Lyle Seitz: „Er soll die Spieluhr im Auge behalten und hat auch die Möglichkeit, das Spiel stoppen zu lassen, wenn die Scheibe nach seiner Ansicht unbemerkt im Tor war.“

Nun, dies funktionierte gestern in Linz beim ersten Treffer durch Olivier Latendresse nicht, das Spiel lief weiter. Kein Wunder: Auch der Standby-Ref sieht nur die TV-Bilder in Realzeit, Wiederholungen folgen erst in der nächsten Unterbrechung. Die Möglichkeit, dass ein Tor übersehen wird, wird so immer größer sein als umgekehrt – die Liga will aber einen Phantom-Treffer wie vor Jahren bei Wien gegen Linz endgültig ausschließen.

Allerdings: Die EBEL hat mit dem vierten Mann in der Box einen Präzedenzfall kreiert. Ich kenne nur Standby-Refs, die entweder auf der Tribüne oder in der Kabine (mit TV-Anschluss) auf ihren Einsatz warten sowie Video-Goaljudges, die aus einer abgeschotteten Kammer bei Torentscheidungen mit den Refs auf dem Eis mittels Telefon oder Headphones kommunizieren.

Das EBEL-System ist daher ein Misch-Masch dieser beiden Varianten und ein absolutes Novum im internationalen Eishockey. Wichtig: Der vierte Mann ist nur bei Torentscheidungen einzubinden, die weiter dem bisherigen Protokoll folgen müssen und, wie Seitz betont: „Die Letztentscheidung liegt weiter bei den beiden Headreferees am Eis.“

Aber spielen wir einen Fall durch: Ein Spieler liegt blutend am Eis, der Gegner erzielt daraufhin ein Tor. Das Team reklamiert heftig ein Foul, keiner der vier Refs auf dem Eis hat aber etwas gesehen und zieht sich in den Schiedsrichterkreis zurück. Bei Fouls gibt es ja keinen Videobeweis, daher ist ein Besuch in der Strafbank nicht zulässig. Aber: Wäre es da nicht nur allzu menschlich, mit dem fünften Mann irgendwie Kontakt aufzunehmen? Bei ihm kann man ja davon ausgehen, dass er die TV-Bilder gesehen hat und weiß, was los war. Dazu ist er noch unparteiisch und fachkundig. Die Lösung für diese Szene steht also nur einen Meter hinter den Refs, ist von ihnen gerade durch das Plexiglas getrennt. Wäre es da nicht allzu menschlich, wenn sich ein Linesman in die Bank lehnt – etwa eine Wasserflasche oder ein Handtuch verlangend – und nachfragt: „Was war da los?“ Die Antwort: „Stockschlag von Nr. 5 vor dem Tor, 5 & Spieldauer“ dauert zwei Sekunden und der Linesman könnte diese Auskunft dann als seine Ansicht der Dinge verkaufen. Menschlich verständlich, auch die richtige Entscheidung, aber vom Protokoll her nicht zulässig.

Nimmt die Liga also einen Shortcut auf dem Weg, den der Fußball derzeit bespricht: „Steht Wahrheitsfindung über allen und wenn ja - wie sieht da das Videoprotokoll aus?“  Klar, niemand – die Liga, die Vereine und als letztes die Refs – wollen ein Spiel durch einen Fehler entschieden sehen. Doch „Missed Calls“ – das wäre die Beschreibung der oben genannten Szene – gehören weiter zum Spiel. Ist der fünfte Mann in der Box daher Erleichterung oder eher Belastung für die Refs auf dem Eis?

Übrigens: In den Finalspielen kommt dann noch ein weiterer Ref im Servus-TV-Aufnahmewagen dazu…

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