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Warum Franz Beckenbauer ein Ringer-Idol ist

Die sagenhafte Geschichte, wie Franz Beckenbauer den Ringsport rettete.

Warum Franz Beckenbauer ein Ringer-Idol ist

Wusstest du, dass Österreichs Ringsport-Verband (ÖRSV) verhindert hat, dass Ringen aus dem Olympischen Programm rausgefallen ist?

Zugegeben, die von uns implizierte Behauptung klingt recht abenteuerlich. Schließlich stiegen nach der ersten IOC-Entscheidung Anfang 2013 Politik-Schwergewichte wie Barack Obama und Vladimir Putin in den verbalen Ring, um den Exodus der ältesten aller Olympischen Kampfsportarten zu verhindern.

Wie soll da also bitte ausgerechnet der kleine ÖRSV es geschafft haben, dass das IOC seine Entscheidung ein knappes halbes Jahr später revidierte?

In der Tat abenteuerlich. Oder besser gesagt: sagenhaft. Denn inwieweit die folgende Geschichte tatsächlich der Wahrheit entspricht, ließ sich nicht immer nachprüfen, doch einen wahren Kern hat sie bestimmt. Sie ist es jedenfalls wert, erzählt zu werden.

Akt I: Der Auftritt des "Kaisers"

Uns wurde sie von Toni Marchl zugetragen. Einem dieser Funktionäre, bei dem die Leidenschaft für seinen Sport aus jeder Pore quillt. Das ist wichtig zu wissen, denn genau so erzählt er die Geschichte auch.

Marchl ist Vize-Präsident im ÖRSV und entstammt einer Ringer-Dynastie. Sein Bruder rang 1984 in Los Angeles, er selbst war 1992 in Barcelona beachtlicher Sechster. Alles griechisch-römisch und aus Wals. Wobei man letzteres als Außenstehender fast schon als Selbstverständlichkeit versteht, feierten die Salzburger vergangenes Jahr doch bereits ihren 50. (!) Meistertitel.

Doch zurück zu Marchl. Als Anfang 2013 besagte IOC-Bombe platzte, wollte der ÖRSV nicht bloß die Hände in den Schoß legen, sondern etwas tun. Nur eben was?

„Ich musste sofort an Karl Reyer denken, der schon seit 40 Jahren bei uns in Wals beim Verein ist“, erinnert sich Marchl. „Der hat nämlich seit jeher gesagt, dass er der beste Freund von Franz Beckenbauer sei und wir es sagen sollen, würden wir mal irgendwas von ihm benötigen.“


Zum „Kaiser“ ist zu wissen, dass dieser in München-Giesing aufgewachsen ist, wo er mit dem Ringen in Berührung kam und seit jeher ein großer Sympathisant ist. Dieser Zweikampfsport sei ihm aber zu brutal gewesen, weshalb er sich letztendlich für Fußball entschieden habe.

„Na vielleicht kann uns der Beckenbauer helfen“, dachte jedenfalls Marchl und fragte bei Reyer an. Nur zehn Minuten später läutete schon das Handy des ÖRSV-Vize-Präsidenten. „Ich bin ja ein cooler Hund, aber als dann tatsächlich der Beckenbauer dran war, ist mir fast das Telefon aus der Hand gefallen.“

Die Ikone sagte sofort seine Unterstützung zu, weshalb er infolge zum ÖRSV-Ehrenmitglied erklärt wurde. Allerdings nicht ganz friktionsfrei. „Kaum war die Presse-Aussendung draußen, meldete sich der deutsche Ringer-Verband bei mir, dass der Franz ihnen gehöre“, so Marchl. Die Lösung war eine salomonische: Beckenbauer wurde kurzerhand zum ersten länderübergreifenden Ehrenmitglied der beiden Föderationen erklärt.

Akt II: Das Oje im IOC

Dass ein Ehrentitel auf oder ab noch keine olympische Sportart rettet, liegt freilich auf der Hand. Doch die Lichtgestalt des deutschen Fußballs verfügte über einen einzigartigen Hebel.

Um das besser zu verstehen, bedarf es eines kurzen Blicks in das IOC des Jahres 2013. Präsident Jacques Rogge sah dem Ende seiner zwölfjährigen Amtszeit an der Spitze entgegen. Der Ruf von außen nach Reformen war unüberhörbar, doch gerade beim Verschlanken des Sportarten-Programms schien der Belgier möglicherweise nicht ganz unbefangen vorgehen zu können. Den von Experten als wahrscheinlichsten Streichkandidaten gehandelten Modernen Fünfkampf ließ er unangetastet.

Womöglich, weil in diesem mit Juan Antonio Samaranch jr. der Sohn des vormaligen IOC-Präsidenten im Weltverband sitzt. Der Filius ist bereits seit 2001 IOC-Mitglied.

Franz Beckenbauer und Thomas Bach

Akt III: Als es nicht den Bach runterging

Um Rogges Nachfolge buhlten bei der IOC-Vollversammlung im September 2013 neben Thomas Bach fünf weitere Kandidaten.

Der Wahlkampf im Vorfeld spielte den Ringern in die Karten. Es ist wohl müßig zu erwähnen, dass Beckenbauer über ein riesiges Netzwerk im Weltsport verfügt. Eines, das – durchaus vorstellbar – auch bis tief in das IOC reichen könnte.

Um die Sache abzukürzen: Beckenbauers Landsmann Bach setzte sich bei der Wahl letztlich klar durch und Ringen blieb olympisch.

Sequel: Eine kleine Draufgabe

Auch wenn die Geschichte hier eigentlich endet, wollen wir ein wenig ausschweifen. Denn als der ÖRSV seinem Heilsbringer mit einer Gala im Casino Kleßheim danken wollte, kündigte aus dem Nichts der neue Präsident des Ringer-Weltverbandes (FILA) Nenad Lalovic sein Kommen an. Der Serbe wollte sich dankbar für die so wichtige Unterstützung zeigen. „Ich habe ihm zuerst erklärt, dass das nicht gehe, weil wir keine Karten mehr hätten“, scherzt Marchl, der sich über das Erscheinen von Lalovic freilich freute.

Nach London 2012 qualifiziert sich Amer Hrustanovic auch für Rio 2016

Der Draht zum neuen starken Mann an der Spitze war seither ein ausgezeichneter. 2015 gelang es Reformer Lalovic als ersten FILA-Präsidenten seit 1988, Mitglied im IOC zu werden.

Um den Sprung in die Gegenwart zu schaffen: Als ÖRSV-Aushängeschild Amer Hrustanovic einen Quotenplatz für Rio um einen einzigen Kampfgewinn verpasste, schien es zunächst, als ob das olympische Ringer-Turnier ohne Österreich über die Bühne gehen würde.

Als Gastgeber Brasilien aber aus Mangel an wettbewerbsfähigen Ringern einige Startplätze zurückgab, soll sich laut Marchl Lalovic dafür eingesetzt haben, dass diese nicht wie eigentlich erwartet als weitere Wildcards sondern als zusätzliche Quotenplätze ausgeschrieben werden. So einen bekam dann auch 86-kg-Ass Hrustanovic.

Es drängt sich die Frage auf: Ist dieser Quotenplatz gar als der Dank von Lalovic zu deuten? „Blödsinn, Amer hat sich wegen seiner Weltklasse-Leistungen qualifiziert“, schüttelt Marchl entschieden den Kopf.

Alles klar.

 

Reinhold Pühringer


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