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Über das Streben nach Glück

Phelps verabschiedet sich nicht mit Gold. Dennoch hat er, wonach er lange Zeit suchte.

Über das Streben nach Glück

Wenn es um Superlative zu Michael Phelps geht, ist der Pool wahrlich leergefischt. Alleine das Auflisten all seiner Rekorde sowie seiner 27 Olympia-Medaillen ist formatfüllend.

Trotz seiner bereits 22 Goldenen blieb ihm in der Nacht von Freitag auf Samstag ein goldener Abschied verwehrt. 

Über 100m Schmetterling musste sich der 31-Jährige um 75 Hundertstel-Sekunden hinter Michael Schooling aus Singapur mit Silber begnügen.

Auch wenn seine Siegesserie über diese Strecke nach 16 Jahren doch noch gerissen ist, wähnt sich Phelps nun endlich an seinem Ziel angekommen zu sein. Dabei sind aber weniger die Unmengen an Olympia-Medaillen gemeint. Auch nicht die 26 WM-Titel. Oder die sieben Weltrekorde, die er aktuell hält.

Wenn der Wert des Goldes sinkt

Phelps ist ein ewig Getriebener. Eine an und für sich gute Eigenschaft für einen Sportler, eine sogar hervorragende für einen Schwimmer, der täglich sechs Stunden lang seine Längen Zieht. Allerdings ist es eine schlechte, wenn es darum geht, sein Glück zu finden.

Dabei war es just die Suche nach Glück, die Phelps in die allseits bekannten Höhen getrieben hat. Sein Meisterstück: Die acht Goldenen in Peking 2008, mit denen er den großen Mark Spitz toppte.

Am Gipfel des Olymps angekommen, musste der damals 23-Jährige jedoch feststellen, dass ihn das nicht erfüllte. Die erlangte Unsterblichkeit gab ihm nicht jenes Maß an Zufriedenheit, das er sich eigentlich davon erhofft hatte.

Die späte Pubertät

In den Jahren nach Peking tauchten die ersten Gerüchte über einen möglichen Rücktritt des menschgewordenen Fisches auf. Doch Phelps machte weiter, holte 2012 in London viermal Gold. Vier Plaketten, die ihm jedoch endgültig klar werden ließen, dass ihm die Medaillen-Jagd keine Genugtuung verschaffte. Als Konsequenz daraus erklärte er seinen Rücktritt.

Das Loslassen vom Schwimm-Sport wirkte wie ein verspätetes Ausleben der Pubertät, etwaige Exzesse mitinbegriffen. Trauriger Höhepunkt seine Alkohol-Fahrt 2014 mit 1,4 Promille und viel zu hoher Geschwindigkeit. Vormalige Fehltritte waren dem als Muster-Profi geltenden Phelps von der Öfffentlichkeit stets verziehen worden, diesmal stellten die Medien ihn schonungslos an den Pranger.

Ein Gericht verurteilte ihn zu 18 Monaten Bewährungsstrafe. Der ihn umgebende Glanz bekam mit einem Mal massive Risse.

Drastischer Schritt

Am Tiefpunkt seines Erwachsenseins angelangt, setzte bei Phelps jedoch ein Umdenkprozess ein. Diesen zog er mit einer ähnlichen Konsequenz durch wie sein Training, welches er 2014 wieder aufgenommen hatte. Er lieferte sich selbst in eine Klinik für psychisch labile Menschen in Arizona ein. Was auf den ersten Blick drastisch erschien, entpuppte sich als Schlüssel für einen Turnaround.

In der Therapie gelang es Phelps, seine schwierige Beziehung zu seinem Vater aufzuarbeiten, der die Familie verlassen hatte, als der heutige Superstar gerade einmal acht war. Michael, der mit elf seinem nunmehrigen Trainer Bob Bowman über den Weg gelaufen war, sah seinen Vater oft nur als Zuschauer bei seinen Schwimm-Wettkämpfen.

Für den an ADS leidenden Sohn bot sich durch den Sport die Möglichkeit, Anerkennung seines alten Herren zu erlangen. Eine verhängnisvolle Konstellation, da das Interesse des Vaters an den Plantschereien alsbald nachließ. Zwar fand Phelps in Bowman eine neue Vaterfigur, doch der konnte den leibhaftigen nicht gänzlich ersetzen.

Medaillen sind kein Heilmittel

2000 qualifizierte sich Phelps für seine ersten Spiele. Mit gerade einmal 15 Jahren war er der jüngste Olympia-Schwimmer der Geschichte.

Was dem Bürschchen in Sydney noch verwehrt blieb - nämlich eine Medaille - holt er vier Jahre nach. Nach sechsmal Gold in Athen war klar, dass ein neuer Superstar geboren war.

Doch all das noch folgende Gold konnte den Mechanismus zwischen Schwimmen und der fehlenden Anerkennung von seinem Vater nicht kitten.


Er will es besser machen

In der Therapie gelang es, diese Problematik aufzubrechen. Schließlich nahm er sogar Kontakt zu seinem Vater auf. So etwas wie eine Freundschaft entstand und es scheint, als hätte der Ewig-Getriebene nach so vielen Trainings-Längen, so vielen Wettkämpfen und 23 Olympia-Siegen sein eigentliches Ziel nun endlich erreicht.

Phelps ist mittlerweile selbst Vater. Die von ihm geposteten Fotos der Jung-Familie in den sozialen Medien erwecken den Anschein, dass er für Boomer - so heißt der Junior - ein anderer Vater sein möchte. So einen, wie er ihn sich gewünscht hätte.

Doch gerade, als Phelps endlich angekommen zu sein scheint, wird es für ihn Zeit, seine Bühne wieder zu verlassen - und zwar für immer. "Ich bin müde, mein ganzer Körper schmerzt", ist der Zahn der Zeit an ihm nicht spurlos vorübergegangen.

Nicht einmal am Unsterblichen.

 



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