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Der Turmspringer, der Höhenangst hatte

Eine seekranke Seglerin gilt als unsere größte Olympia-Hoffnung. Doch es geht noch grotesker:

Der Turmspringer, der Höhenangst hatte

Hollywood-Star, Bildhauerin oder einfach nur Herrscherin der Welt.

Mit Seekrankheit und einer Links-Rechts-Schwäche kann man im Leben viele Traum-Berufe erlernen. Nur eines sollte man besser nicht werden: Seglerin.

Dumm nur, dass Jolanta Ogar genau diese beiden Eigenheiten mitbringt. Die 34-Jährige ist die Vorschoterin von Steuerfrau Lara Vadlau in jenem 470er-Boot, welches justament als größte österreichische Medaillen-Hoffnung bei den bevorstehenden Olympischen Spielen in Rio gilt.

Jolanta Ogar und Lara Vadlau (v.l.) segeln in Rio um Olympia-Gold

Kühlschrank statt Eisberg

Dass das mit der Seekrankheit – Ogar: „Dagegen nehme ich Tabletten“ – auf dem Wasser alles andere als ideal ist, leuchtet ein. Die Links-Rechts-Schwäche mag zwar auf den ersten Blick weniger verheerend wirken, ist bei genauerer Betrachtung durchaus knifflig.

Denn als Vorschoterin stemmt sich die 34-Jährige nicht nur mit dem ganzen Körper gegen den Wind, sondern ist auch das Auge für die im Heck sitzende Vadlau. „Wenn sie dann sagt: ‚Achtung, von links kommt ein Boot!‘ Dann weiß ich oft schon, dass da auf der linken Seite gar kein Boot kommt“, schmunzelt Vadlau.

In Rio kommt Ogars Rolle aber noch ein Zacken mehr Verantwortung zu als sonst. In der Kloake unterm Zuckerhut gilt es nämlich nicht nur, auf die Konkurrenz zu achten, sondern auch auf den herumtreibenden Unrat. Kühlschränke, Planen, alte Möbel.... da heißt es ausweichen, ansonsten kann der Medaillen-Traum recht schnell untergehen.

„Überall anders auf der Welt hätte ich ein ruhigeres Gefühl“, spielt Vadlau auf das russische Roulette an, das sie erwartet.

Seekrankheit hin, Links-Rechts-Schwäche her – Ogar ist beileibe nicht die einzige Weltklasse-Athletin, die sich trotz einer Schwäche durchbeißt. Um ihr auf dem Weg nach Rio noch ein bisschen Zuversicht mitzugeben, hat LAOLA1 ein paar skurrile Beispiele zusammengetragen, was in der Welt des Sports alles kompensierbar ist:


Mario Balotelli
  • Fußballer mit Rasenallergie

Mario Balotelli und Mike Hanke werden nicht oft in einem Atemzug genannt. In Sachen Rasenallergie allerdings schon. Während sich bei Hanke die allergische Reaktion in der Regel auf Pusteln und rote Flecken beschränkt, kann es bei Balotelli schon mal ausarten. Italiens Definition von Skandalnudel hatte 2011 deswegen sogar das Europa-League-Spiel ManCitys bei Dynamo Kiew nach 57 Minuten beenden müssen. Medien berichteten von Schwellungen im Gesicht des damals 20-Jährigen.

Eine Leidensgenossin der beiden ist Sabine Lisicki. Das Tennis-Ass hat es freilich etwas besser, schließlich kann die Deutsche auch auf Sand, Hartplatz oder Teppich aufschlagen. Bemerkenswert ist, dass es bei „Bum-Bum-Bine“ ausgerechnet auf Rasen so richtig gut läuft. Ihren größten Karriere-Erfolg feierte die 26-Jährige nämlich 2013 mit dem Finaleinzug in Wimbledon. Vielleicht ist das heilige Stück Grün von London ja weniger allergen.


Mit der Lederhose nach Rio:

(Unter dem Video wird die kuriose Liste fortgesetzt)


  • Turmspringer mit Höhenangst

Jeder, der schon mal auf einem 10m-Turm gestanden hat, weiß: Das ist sauhoch. Als David Boudia noch ein Kind war, war das ein Horror-Szenario für ihn. Der US-Amerikaner litt an Akrophobie – besser bekannt als Höhenangst. Das hielt ihn aber nicht davon ab, mit dem Wasserspringen zu beginnen und seine Angst Schritt für Schritt – oder halt Meter für Meter – zu überwinden. Das vorläufig dicke Ende: 2012 holte er in London Olympia-Gold vom 10m-Turm.


  • Tormann mit neun Fingern

Der Versuch, einen Ball vom Schuldach zu holen, kostete Diederik Boer im Kindesalter den kleinen Finger der rechten Hand. Dennoch schlug der Niederländer eine Karriere als Profi-Torwart ein. Heute hat der 35-Jährige mehr als 200-Zweitliga- und 50 Erstliga-Spiele auf dem Buckel. „Es war nie eine Behinderung“, erklärt der nunmehrige Ersatz-Tormann von Ajax-Amsterdam. Mit einem fehlenden Daumen wäre es problematischer gewesen, meint Boer, der mit einem Spezial-Handschuh das Tor hütet.


Thibaut Pinot
  • Radfahrer mit Angst vor Geschwindigkeit

Um es gerade heraus zu sagen: Thibaut Pinot ist ein armes Schwein. Der Franzose gilt als einer der begabtesten Rad-Profis seiner Generation. 2014 holte er sich bei der Tour de France das weiße Trikot des besten Nachwuchs-Fahrers. Der 26-Jährige gewann auch schon zwei Tour-de-France-Etappen, darunter die 21 Teufelskehren hinauf nach L’Alpe d’Huez. Aber es könnten schon ein paar mehr Renn-Siege sein, hätte er nicht Angst vor hohen Geschwindigkeiten. Bei den oft lebensmüden Abfahrten mit über 100 Stundenkilometern bekommt Pinot Panik.

Grund ist ein traumatischer Unfall in jungen Jahren. Seither kämpft er zwar aktiv dagegen an, setzte sich sogar als Beifahrer in Rallye-Autos, um sich abzuhärten. In Interviews weist er explizit darauf hin, dass keine Fragen zum Thema Abfahrten gestellt werden dürfen. Bergab reißt der FDJ-Profi nicht selten gleich mehrere Minuten Rückstand auf. Auch, weil die Konkurrenten von Pinots Schwäche wissen und deshalb in seiner Gegenwart noch ein bisschen mehr ans Limit gehen als sonst. Und genau deshalb ist Pinot so ein armes Schwein.


  • Allergisch auf den eigenen Schweiß

Zugegeben, Caitlin McComish passt nicht in eine Aufzählung neben Olympiasiegern, Fußball- oder Tennis-Assen. Die College-Fußballerin ist kein bekannter Sport-Star, jedoch ist der Fall der jungen Dame derart bizarr, sodass er nicht unerwähnt bleiben soll. Ein anaphylaktischer Schock verursacht durch ihren eigenen Schweiß und Hitze hätte der Torfrau beinahe das Leben gekostet.

Reaktionen auf derartige Reize sind an und für sich nichts Seltenes, jedoch beschränkt sich das im Normalfall auf gerötete Hautstellen. Nicht aber bei McComish. Die angehende Krankenpflegerin versuchte, sich ihren Traum mithilfe von Medikamenten und Coolpacks trotzdem zu erfüllen. Mehrere Male verließ sie das Trainingsgelände in einem Krankenwagen, bis sie schließlich ihre Handschuhe an den Nagel hängte. Doch die Leidensbereitschaft von McComish ist imponierend.

So sehr setzte der anaphylaktische Schock McComish zu:


Reinhold Pühringer

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