news

"Kann meine Physiotherapeuten nicht mehr sehen"

Jennifer Wenth über mühsame Vorbereitung, 5000m-Finalchancen und sinnlose Renntaktik:

„Ich gehe in jedes internationale Rennen, um ins Finale zu laufen“, gibt Jennifer Wenth die Marschroute vor ihrer Olympia-Premiere über 5000 Meter (Vorlauf, Dienstag, 14:30 Uhr) vor, schränkt aber gleichzeitig ein: „Es wird schwer.“

Die 15 insgesamt besten Läuferinnen aus beiden Vorläufen erreichen das Finale. Die Wienerin ist in der Rangliste „nur“ an Position 26 gesetzt. Zudem hat sie eine verletzungsverseuchte Saison hinter sich.

„Physio-Marathon“

Seit November 2015 begleitete sie eine „sehr, sehr zache“ Entzündung am Sehnenansatz im Fuß, Anfang Juli plagte sie eine Adduktorenzerrung – letztere zwang die 25-Jährige zur EM-Absage.

„Es war schade, aber ich hatte bereits beim Gehen Schmerzen. Ich wusste: So macht ein Antritt keinen Sinn“, blickt Wenth im Gespräch mit LAOLA1 zurück.

Die österreichische Langstreckenläuferin hatte sich im Jahr 2016 mit einem wahren „Physio-Marathon“ auf Rio vorbereitet. „Ich habe meine Physiotherapeuten gern, aber ich freue mich schon auf 2017, wenn ich sie nicht mehr sehe“, gesteht die Wienerin mit einem Augenzwinkern.

Erfolg vor Abreise

Körperliche Nachwehen für die Olympia-Premiere erwartet sich Wenth nicht. Alternatives Training wie Schwimmen oder Radfahren stand auf dem Programm.

Selbstvertrauen konnte sie bei den Staatsmeisterschaften tanken. Dort sicherte sie sich am 30. Juli, nur sechs Tage nach ihrem Geburtstag, ihren ersten Staatsmeistertitel über ihre Paradedistanz in 16:39 Minuten.

Ein wichtiger Sieg, denn Wettkampfpraxis ging ihr im letzten halben Jahr am meisten ab: „Ich brauche das Selbstvertrauen. Dann glaube ich, bin ich nicht schlechter vorbereitet als letzte Saison.“

Großes Vorbild

Da schaffte sie bei der WM in Peking einen Meilenstein, ihr gelang der erste österreichische Finaleinzug seit 2008 (Gerhard Mayer, Diskus). Ihr dortiger 15. Platz als drittbeste Europäerin brachte ihr die Auszeichnung als österreichische Leichtathletin des Jahres 2015.

Die 25-jährige fühlt sich also auf großer Bühne wohl. Der Grund, warum sie 2005 ins Vereinstraining einstieg: „Ich habe den Olympiasieg von Haile Gebrselassie 2000 in Sydney (10.000m) gesehen. Ich habe das volle Stadion gesehen und mir gedacht: Cool, das möchte ich auch einmal erleben.“

2012 klappte dies noch nicht, weil sie sich mit Verletzungen herumplagte. „Ich wollte schon fast aufhören, deshalb bin ich jetzt umso dankbarer.“

Afrika dominiert

Renntaktik hat sie keine im Kopf. Aus einem speziellen Grund: „Wenn das Rennen taktisch wird und die Kenianerinnen laufen langsam, ist es für mich immer noch schnell, also es ist für mich sowieso schnell“, lacht sie.

Favoritin ist aber eine Äthiopierin. Almaz Ayana pulverisierte bei ihrem Goldlauf über die 10.000 Meter am Freitag den 23 Jahre alten Weltrekord um mehr als sagenhafte 14 Sekunden.

„Was da in der Weltspitze abgegangen ist, war so was von absurd. Wie wenn es als Vergleich in Europa über der Champions League noch etwas anderes gibt. Außerordentliches Talent, jahrelanges Training, verletzungsfrei geblieben - ich hoffe, das ist so", sagt Wenths Trainer Karl Sander der APA.

Tokio im Blick

Die Wienerin wird sich aber ohnehin nur auf sich konzentrieren: „Ich will für mich ein Rennen machen, mit dem ich zufrieden bin. Wenn sich dann das Finale nicht ausgeht, ist es in Ordnung.“

Zumal langfristige Ziele anstehen: „Ich habe gemerkt, dass mir noch internationale Erfahrung abgeht. Rio wird mir dabei helfen. Ich will ja auch 2020 in Tokio am Start stehen.“

Vielleicht ja dann bereits mit einem Olympia-Finale in den Laufschuhen.

 

Andreas Gstaltmeyr


Kommentare