news

Ein Turnier, stärker als Olympia

Judo-Damen nur mit Rumpftruppe in Paris. Größtes Olympia-Aufgebot seit 1996 winkt.

Ein Turnier, stärker als Olympia

Auf die Frage, wie viele österreichische Judoka sich für die Olympischen Spiele in Rio qualifizieren werden, kommt bei Sabrina Filzmoser die Antwort wie aus der Pistole geschossen.

„Sechs!“

Dass aus den Worten der 35-Jährigen ein Stück weit der Optimismus spricht, versteht sich von selbst. Doch wie ein Blick auf die bereinigten (nur der/die Beste jeder Nation) Weltranglisten belegt, dürfte die Welserin mit ihrer Schätzung nicht allzu weit weg liegen. Würde die seit Frühjahr 2014 laufende Qualifikation heute enden, wären es nämlich deren fünf, was das größte ÖJV-Aufgebot seit 1996 bedeuten würde.

So gesehen würde Filzmoser (bis 57 kg) gemeinsam mit Bernadette Graf (bis 70), Ludwig Paischer (bis 60), Daniel Allerstorfer (über 100) und Kathrin Unterwurzacher (bis 63) die Reise an den Zuckerhut antreten. Zwar erfüllt mit Hilde Drexler eine zweite 63-kg-Kämpferin die internationalen Quali-Normen, aufgrund der besseren Weltranglisten-Platzierung würde im Moment aber wohl Unterwurzacher den einen möglichen Quali-Platz bekommen. Die Entscheidungshoheit darüber liegt beim ÖJV.

Aber nicht so voreilig, denn noch ist nicht aller Tage Abend. Die Qualifikations-Phase läuft noch bis zum World-Tour-Masters Ende Mai und die meisten der besagten ÖJV-Judoka liegen derzeit so im Rennen, dass ein In-Sicherheit-Wiegen fatal wäre.

Brand-Geruch

Die Jagd um die Olympia-Tickets geht in die Entscheidung. Der Wind, der den Athleten auf der World Tour ins Gesicht weht, wird rauer. Die Nennlisten des am kommenden Wochenende in Paris stattfindenden Grand Slams spiegeln das eindrucksvoll wider.

ÖJV-Starter in Paris WRL-Position
-57 kg Sabrina Filzmoser* 10.
-63 kg Magda Krssakova 56.
-60 kg Ludwig Paischer* 32.
-81 kg Marcel Ott 53.
-100 kg Christoph Kronberger 53.
+100 kg Daniel Allerstorfer* 25.

*...wären im Augenblick für Olympia qualifiziert

Der traditionsreiche Event im Palais Omnisport wird in einigen Gewichtsklassen sogar stärker besetzt sein als das olympische Judo-Turnier im August. Beispielsweise ist Allerstorfer im Olympic Race derzeit die Nummer 15, in der Entrylist für Paris jedoch nur an der 19. Stelle. Bei Paischer verhält es sich ähnlich.

Oder um eine beliebte Redewendung von Österreichs Damen-Trainer Marko Spittka zu zitieren: „In Paris wird die Luft brennen!“

Damen-Trio lässt den ersten Gradmesser aus

Da überrascht es auf den ersten Blick, dass Österreichs Damen, die sich in der jüngeren Vergangenheit als das für Rio aussichtsreichere Geschlecht positionierten, nur mit einer Rumpf-Truppe antreten. Während sich Filzmoser ihr Lieblings-Turnier, das sie schon zweimal (2006, 2008) gewinnen konnte, nicht entgehen lässt, bekommt bis 63 kg Nachwuchs-Hoffnung Magda Krssakova eine Chance. Die 21-jährige Wienerin nutzte im Herbst die einmalige Gelegenheit, für drei Monate bei Komatsu, einem der besten Firmen-Teams Japans, in Tokio zu trainieren.

Bernadette Graf muss seit ihrem 5. Platz bei der WM im Sommer pausieren

Mit Kathrin Unterwurzacher (Weltranglisten-5.), Bernadette Graf und Hilde Drexler (17.) werden jedoch drei der vier bestgerankten ÖJV-Judoka Paris auslassen.

Unterwurzacher benötigt nach ihrer Lungen-Erkrankung Ende des vergangenen Jahres ebenso noch einige Trainings-Einheiten wie Graf nach deren Knie-Verletzung von der WM. Insbesondere bei Letzterer soll das Comeback aber kurz bevorstehen. Was sich gut trifft: Das Tiroler Duo hat aufgrund seiner bereits hervorragenden Punktzahl den geringsten Quali-Druck aller Österreicher. Ein Überstürzen macht somit wenig Sinn.

Drexler, die Unterwurzacher noch gefährlich werden könnte, ist in der Saison-Vorbereitung noch nicht soweit, da sie als einzige ÖJV-Dame bei der Golden League im Dezember im Einsatz war. „Mein späterer Einstieg gibt mir die Möglichkeit, bei der Literatur-Lesung in Kassel teilzunehmen“, berichtet die Wienerin. Die 32-Jährige schnitt im Herbst beim größten deutschsprachigen Nachwuchs-Literaturbewerb in Berlin, dem „Open Mike“ (LAOLA1 berichtete), gut ab und schickt sich seither an, sich ein zweites Standbein zu schaffen. Die Olympia-Starterin von London wird zwei Wochen später mit dem Grand Prix in Düsseldorf einsteigen.

Mit dem richtigen Rhythmus gegen Verletzungen

Da den vier ÖJV-Herren (Paischer, Marcel Ott, Christoph Kronberger, Allerstorfer) in Paris nur Außenseiter-Chancen zukommen, bleibt Filzmoser als die einzige ernstzunehmende Anwärterin auf einen Spitzenplatz.

Sabrina Filzmoser wird in Paris als Nummer acht gesetzt sein

Die zweifache Europameisterin ist gut durch die Vorbereitung gekommen. „Ohne Verletzungen und Krankheit“, bestätigt sie, dass das in der Vergangenheit bei ihr keine Selbstverständlichkeit war.

Filzmoser weiß, was es braucht, sich für Olympia zu qualifizieren, bereits 2008 und 2012 gelang ihr dieses Kunststück. Ohne ein kleineres Vorbereitungs-Turnier gleich direkt mit einem Grand Slam in die Saison zu starten, ist aus ihrer Erfahrung heraus keineswegs verkehrt, sondern sogar sinnvoll.

„Von den Punkten her würde es mir nichts bringen, bei kleineren Wettkämpfen wie etwa European Open zu starten“, verweist sie auf die geschlechter-spezifischen Unterschiede des Quali-Modus. Denn obwohl sie derzeit an elfter Stelle des Olympic Race geführt wird, sei die Gefahr, Rio zu verpassen, bei ihr schlagender als etwa bei Allerstorfer (15.). Während sich bei den Herren nämlich die besten 22 direkt qualifizieren, sind es bei den Damen nur 14.

„Bei den Damen braucht eigentlich jede, die da vorne drinnen ist, Platzierungen bei den großen Turnieren. Anders geht es nicht“, weiß Filzmoser, die nach Paris und Düsseldorf einen längeren Trainingsblock in Japan plant. „Dieser Rhythmus mit zwei Turnieren hat sich auf der World Tour bewährt. Insbesondere wenn du Gewicht machen (Abnehmen; Anm.) musst, sind längere Turnier-Serien einfach zu zehrend.“ Neben der nachlassenden Leistungsfähigkeit steige das Risiko für Verletzungen oder Erkrankungen.

Und auf das hat Filzmoser keine Lust. Schon gar nicht in einer Olympia-Saison.

 

Reinhold Pühringer

Kommentare