news

Unvergessene Momente mit der irren Rasselbande

Anekdoten auf dem Weg ins Europacup-Finale. Was nach 20 Jahren in Erinnerung bleibt.

Unvergessene Momente mit der irren Rasselbande

Mittwoch, 8. Mai 1996. Europacup-Finale zwischen Rapid und Paris St. Germain im König-Baudouin-Stadion von Brüssel. Besser bekannt als Heysel-Stadion.

Jener Ort, an dem am 29. Mai 1985 unmittelbar vor dem Europacup-Finale zwischen Juventus Turin und Liverpool 39 Menschen ums Leben kamen und über 400 Personen verletzt wurden. Betrunkene englische Hooligans hatten den Block der italienischen Zuseher gestürmt und die Katastrophe ausgelöst.

Ich war für die Tiroler Tageszeitung" bereits im März 1990 erstmals in der Arena, um einen Tag nach meiner Brüssel-Reise zum UEFA-Cup-Spiel Anderlecht gegen Admira (2:0) auch noch die Meistercup-Partie Mechelen gegen AC Milan (0:0) zu beobachten. Mitte der 1990er-Jahre ist das Stadion komplett umgebaut und auch umbenannt worden. Mit dem Finale Rapid gegen PSG ist das runderneuerte - aber wieder mit einer Laufbahn ausgestattete - Stadion für den Europacup quasi wieder eröffnet worden.

Mit Franz Vranitzky und Jörg Haider

Die Anspannung und Vorfreude war groß. Gänsehaut pur. Rapids Erfolgslauf ins Endspiel war sensationell, die Stimmung während des gesamten Tages ebenso. Selbst der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky zum Finale angereist. Unmittelbar vor dem Anpfiff tauchte auf der Pressetribüne zwei Plätze neben mir plötzlich Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider auf. Der Populist ließ keine Gelegenheit ungenützt, um am Erfolg anderer mitzunaschen und sich ins rechte Bild zu rücken…

Das Match war eine Enttäuschung. In Erinnerung bleibt nach Schlusspfiff der am Boden sitzende und in sich kauernde, weinende Carsten Jancker. Sowie ein handfester Eklat beim Abendessen Stunden nach der Final-Niederlage.

Mandreko zuckte völlig aus

Rapid hatte für eine mögliche Siegesfeier ein Hotel in Brüssel samt Party-Räumen reserviert. Von Party war keine Rede, dafür zuckte Sergej Mandreko völlig aus. Der Tadschike attackierte, nachdem er im Endspiel nicht zum Einsatz kam, vor versammelter Rapid-Familie Trainer Ernst Dokupil. Mandreko hatte nicht nur Mineralwasser getrunken und war dementsprechend in Fahrt. Schrei-Duelle, Anschuldigungen, Frust pur. Der eine oder andere Rapid-Funktionär verließ peinlich berührt den Saal. Mandrekos damalige Busenfreunde Kühbauer, Marasek und Barisic – besser bekannt als "die Daltons" aus der Comic-Serie Lucky Luke – versuchten vergeblich den Russen zu beruhigen, schafften es aber mit vereinten Kräften, ihn in ein Nebenzimmer zu schleppen. Die geplante Feier endete in einem unrühmlichen Fiasko.

Keinen Grund zum Fremdschämen gab es hingegen beim Siegeszug ins Endspiel von Brüssel. Carsten Jancker etablierte sich als Klassestürmer, die "Daltons" erwiesen sich als "Feierbiester" und der Rapid-Anhang beeindruckte mit seinem Support auf dem Weg durch Europa.

Eisige Kälte in Moskau - Gelage im Flieger zurück nach Wien

Anfang März bejubelte der harte Kern der Fans bei minus 20 Grad Celsius in Moskau den 1:0-Sieg mit freiem Oberkörper. Wir Journalisten konnten auf der Tribüne des Lokomotive-Stadions - das im Gegensatz zur Dinamo-Heimstätte über eine Rasenheizung verfügte - ob der arktischen Temperaturen unsere Mitschrift nicht mehr lesen. In der Halbzeitpause erwärmte uns der russische Tee, der im Stadioninneren in übergroßen Kartoffeldämpfern gekocht wurde. Beim Heimflug feierte die Mannschaft Gold-Torschütze Christian Stumpf. Der "Büffel" genoss den unvergessenen Moment im AUA-Party-Flieger mit qualmender Zigarre und viel Bier. Auch Sitznachbar Carsten Jancker war hoch über den Wolken erstmals mit Zigarre und Alkohol zum Feiern zumute.

Bild 1 von 42
Bild 2 von 42
Bild 3 von 42
Bild 4 von 42
Bild 5 von 42
Bild 6 von 42
Bild 7 von 42
Bild 8 von 42
Bild 9 von 42
Bild 10 von 42
Bild 11 von 42
Bild 12 von 42
Bild 13 von 42
Bild 14 von 42
Bild 15 von 42
Bild 16 von 42
Bild 17 von 42
Bild 18 von 42
Bild 19 von 42
Bild 20 von 42
Bild 21 von 42
Bild 22 von 42
Bild 23 von 42
Bild 24 von 42
Bild 25 von 42
Bild 26 von 42
Bild 27 von 42
Bild 28 von 42
Bild 29 von 42
Bild 30 von 42
Bild 31 von 42
Bild 32 von 42
Bild 33 von 42
Bild 34 von 42
Bild 35 von 42
Bild 36 von 42
Bild 37 von 42
Bild 38 von 42
Bild 39 von 42
Bild 40 von 42
Bild 41 von 42
Bild 42 von 42

Der Hüne aus Mecklenburg-Vorpommern hatte beim Europacup-Erfolgslauf längst sein Maskottchen ausgemacht. Seine Mutter, eine ehemalige DDR-Handballerin, reiste zu jedem Heimspiel an und fieberte hinter der Pressetribüne mit ihrem Carsten mit.

Tanz-Einlagen nach Gala-Vorstellungen

Die "Daltons" wiederum hatten längst ihr Feierlokal nach den sensationellen Heimsiegen gefunden. Auch eingeweihte Journalisten wurden bei den Feierlichkeiten in der Bar nahe des Pratersterns geduldet. Wobei, so schnell konnten wir gar nicht dort sein, tanzten Kühbauer, Barisic, Marasek und Mandreko auf Tischen und Bühnen bereits ihren Siegeswalzer. Gut für die Spieler, aber auch ewig schade für uns Berichterstatter, dass es damals noch keine Smartphones gab...

Die Viererbande ließ es auf und abseits des Platzes krachen, Rapid 1996 war eine geile Truppe, die sich nach der Enttäuschung von Brüssel mit dem Meistertitel und der Champions-League-Gruppenphase belohnte.

Rapid, Rapido, Rapidissimo!

Rapid, Rapido, Rapidissimo - Mit 3:0 ins Europacup-Finale! Als Redakteur der Tageszeitung "Täglich Alles" musste ich damals vor der Fahrt ins Happel-Stadion mögliche Titelseiten-Schlagzeilen abliefern. Rapid, Rapido, Rapidissimo ließ ich mir vor dem Heimspiel gegen Feyenoord Rotterdam ausdrucken und nahm die Makulatur mit in den Prater. Wie üblich traf ich vor dem Match Ernst Dokupil im Presseraum. Der Rapid-Coach hatte die Angewohnheit nach der Spielerbesprechung noch einen Kaffee an der Theke zu sich zu nehmen, um erst dann zur Trainerbank zu gehen. Als ich ihm die mögliche Schlagzeile unter die Nase hielt, zeigte er mir den Vogel. 90 Minuten später war Rapid mit 3:0 über Feyenoord hinweggefegt, die Makulatur wurde zur Titelseite und Rapid stand im Endspiel von Brüssel.

Mit einer Truppe mit vielen coolen Typen und Charakteren von Trifon Ivanov bis Peter Stöger. Eine Mannschaft die Spaß machte, Klasseleistungen zeigte und in ihrer Entwicklung durchaus dem aktuellen ÖFB-Team nicht unähnlich war. Dass mit Zoki Barisic und Carsten Jancker zwei dieser Persönlichkeiten 20 Jahre später auf Rapids Kommandobrücke stehen, war 1996 nicht absehbar.

Auch nicht, dass Österreich seit 20 Jahren vergeblich auf ein weiteres Europacup-Finale wartet. Wobei, das ist wieder eine andere Geschichte.

Kommentare