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Die Kraft der (Selbst-)Kritik

Österreich gewinnt und trotzdem wird gemotzt. Eine gute Entwicklung.

Die Kraft der (Selbst-)Kritik

Österreich gewinnt und trotzdem wird – zumindest ein bisschen – gemotzt. Ich kann nicht verleugnen, dass mir diese Entwicklung gefällt.

Und nein, hier geht es definitiv nicht darum, den Raunzer-Fetischismus in diesem Land zu befriedigen, das Jammern um des Jammerns willen.

Aber es ist noch nicht so lange her, dass nach Siegen des Nationalteams – weil damals eh viel zu selten – zum kollektiven und zumeist unreflektierten Hurra angesetzt wurde. Ungeachtet der Tatsache, dass im ÖFB-Spiel vielleicht nicht alles in Ordnung war.

Selbiges gilt im Umkehrschluss übrigens auch für Niederlagen, nach denen nicht zwingend immer alles ganz katastrophal-furchtbar-schlimm sein muss.

Ein gewisses Mittelmaß in der Einordnung ist bisweilen kein Fehler, und diesbezüglich tat der viereinhalbjährige Nachhilfe-Unterricht von Marcel Koller Fußball-Österreich definitiv gut.

Nach dem Malta-Spiel hat der Teamchef schon recht mit seiner Kalt-Warm-Botschaft an seine Spieler.

Natürlich gibt es keinen Grund, ausgerechnet jetzt an Selbstvertrauen zu verlieren – manche Dinge, die nicht funktionierten, sind sehr wohl mit dem Zeitpunkt des Spiels unmittelbar nach einem Trainingslager und dem auf Mitte Juni hingetimten Formaufbau erklärbar.

Andererseits fordert er von seinen Schützlingen, ab sofort mit dem Kopf voll und ganz bei der EURO zu sein. Der 55-Jährige kennt seine Spieler gut genug, um zu wissen, wann ein derartiges Signal in der Öffentlichkeit angebracht ist.

Mein subjektiver Eindruck in der Vergangenheit war, dass man in Österreich mehrheitlich nicht verstanden hat, warum etwa in Deutschland das DFB-Team trotz Siegen bisweilen heftig kritisiert wurde oder auch von innen der Eindruck der Unzufriedenheit entstand.

Dies mag für die Beteiligten zeitweise unangenehm sein und überschreitet manchmal auch gewisse Grenzen (man erinnere sich an Per Mertesackers durchaus verständliche Wutrede am Weg zum WM-Titel), alles in allem setzt diese Herangehensweise kombiniert mit der in Deutschland weit verbreiteten Fähigkeit zur Selbstkritik jedoch die Kraft frei, nicht in Stillstand zu verharren.

Diese Kräfte gibt es auch ÖFB-intern. Nicht nur, weil der Teamchef ein nüchterner Analytiker aus der Schweiz ist, auch die überwiegend im Ausland tätigen Spieler haben ihr Talent zur Selbsteinschätzung längst geschärft.

Und vor allem symbolisiert es auch die Entwicklung, die das ÖFB-Team hingelegt hat, wenn man auch nach Siegen nicht alles bedingungslos super findet.

Denn bei allem Fortschritt: Es geht immer mehr.

Rein grundsätzlich, und im konkreten Fall vor allem in Testspielen, die nach wie vor nicht gerade eine Stärke des Nationalteams sind.

Dabei kann sich auch in diesen schnell einmal ein Schlendrian einschleichen, den man im Ernstfall nur schwer loswird. Wohl auch deshalb Kollers Hinweis an seine Kicker, den Knopf im Kopf nicht erst kurz vor dem Ungarn-Spiel zu drücken.


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