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Rummenigges Schicksal

Bayern-Boss beschwört Notwendigkeit von Setzlisten, um „Unplanbarkeit“ Schnippchen zu schlagen.

Rummenigges Schicksal

"Mir reicht es langsam mit dem Schicksal", ließ FC Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge nach dem Champions League-Thriller gegen Juventus Turin am Mittwoch wissen. Die UEFA solle über Setzlisten nachdenken, damit Vorjahresfinalisten nicht in einer frühen Phase rausfliegen könnten und der Fußball solle sich andere Sportarten wie Tennis zum Vorbild nehmen, wo das gang und gäbe sei. „Wir sprechen über Image, über Geld, über Meriten“, sagt Rummenigge.

In erster Linie spricht der Bayern-Präsident wohl über Geld. Um vorab eine kurze Einordnung vorzunehmen: Mit dem Erreichen des Viertelfinales hat der FC Bayern heuer bereits fix 79 Millionen Euro in der Elite-Liga eingenommen. Punkteprämien, Antrittsgeld und Zuschauereinahmen sind dabei die eine Sache, der Anteil aus dem sogenannten Marktpool die andere. Der beträgt über 20 Millionen von den oben genannten 79 und setzt sich aus der Höhe des TV-Vertrags des jeweiligen Landes und dem bisherigen Erfolg des Klubs und des Verbandes in der Champions League zusammen. Ein Teil des Kuchens, der die großen Ligen bevorzugt. Dazu kommt natürlich die ungleich größere Anzahl an Startern im Bewerb aus der Premier League, der Primera Division oder der Bundesliga. Zusammenfassend: Das Schicksal des Karl-Heinz Rummenigge als Boss des deutschen Meisters ist also ein durchaus verträgliches.

"Ein Fußball-Wettbewerb ist aber noch immer kein Businessplan, auch wenn das viele Klub-Chefs mittlerweile so interpretieren. Ich würde nicht wollen, wenn die ohnehin schon sehr einzementierte Vorhersehbarkeit des internationalen Fußballs mit (weiteren) Setzlisten noch erhöht wird."

Die Ausgestaltung und der Habitus der Fußballvereine wie bei international agierenden Großkonzernen ist der Urheber solcher Forderungen wie jener nach Setzlisten, um so viele „Große“ wie möglich so lang als möglich im Bewerb zu halten. Man will schließlich mit einem Halbfinale mehr oder weniger planen können, wenn man der FC Bayern ist. Und nicht, dass einem das Schicksal einen Vorjahresfinalisten im Achtelfinale beschert, wo man eventuell ja glatt auch ausscheiden könnte. Folgt man Rummenigges Argument, ist es also der naturgegebene Anspruch der wirtschaftlich Stärksten, den leichtesten Weg gehen zu dürfen.

Ein Fußball-Wettbewerb ist aber noch immer kein Businessplan, auch wenn das viele Klub-Chefs mittlerweile so interpretieren. Ich würde nicht wollen, wenn die ohnehin schon sehr einzementierte Vorhersehbarkeit des internationalen Fußballs mit (weiteren) Setzlisten noch erhöht wird. Es gibt aufgrund der auseinanderklaffenden Schere zwischen reich und arm ohnehin kaum noch Überraschungen. Die Komfortzone der Großklubs ist größer denn je, die absolute Dominanz einiger weniger steigt und steigt. Rummenigges Forderung ist aus dieser Perspektive einigermaßen verwegen.

Ich weiß schon, man soll nicht so naiv sein. Geld regiert die Welt, also auch den Fußball. Wo mehr zu holen ist, wollen die Beteiligten mehr holen, wenn sich eine Möglichkeit ergibt – und so weiter und so fort. Blöd finden darf man es aber noch, oder? „Ich habe in diesem Achtelfinale Spiele gesehen, da habe ich fast abgeschaltet“, erklärt Karl-Heinz Rummenigge empört. Dass man in einer lähmend langen Gruppenphase (bei der es Setzlisten gibt), etliche Male nahezu unbesiegbar gegen fast chancenlos anschauen muss, beständig gegen das selige Einnicken vor dem Fernseher ankämpft und das „Spitzenspiel“ oft nur noch den Zweck hat, zwischen den beiden Aufsteigern die ersten beiden Plätze auszuschnapsen, sagt er nicht, der Vorstandschef der Münchner.

Es ist Balsam auf die Fußballseele, wenn es danach in einer früheren Phase des Bewerbs schon zu einem Spektakel wie Bayern – Juventus in der abgelaufenen Achtelfinalrunde kommt. Und nicht erst im Halbfinale oder Finale. Jeder spricht über die Partie und die zähe Fadesse der Champions League wird zumindest kurz ein wenig durchbrochen. Ein bisschen darf man hoffentlich noch die Fan-Brille aufhaben, bei allen wirtschaftlichen Superlativen rund um König Fußball. Der Europacup ist ein K.o.-Bewerb. Das heißt, irgendwann fliegen alle bis auf einen raus. Das macht die Würze des Bewerbs aus, das ist das Salz in der Suppe, das ist der letzte Rest des alten Spirits eines Meistercups oder UEFA-Pokals. Und egal, ob der FC Bayern im Achtelfinale oder im Halbfinale ausscheidet, um das wirtschaftliche Schicksal von David Alaba und Co. muss man sich eher wenig Sorgen machen.

 

Jürgen Pucher war Gründungsmitglied der Plattform „sturm12.at“ und hat dort über Jahre hinweg mit seiner Kolumne „12 Meter“ die Diskussionen rund um den Grazer Verein und den österreichischen Fußball extrem bereichert. Nun beschäftigt er sich als Betreiber der Podcast-Plattform "blackfm.at" mit den Geschehnissen bei den Schwarz-Weißen. Bei LAOLA1 verfasst er in regelmäßigen Abständen Gastkommentare zum Geschehen im heimischen Kick.



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