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"Müssen einen Plan B in der Hinterhand haben"

Provozierte Unruhe in Basel. Plan B im ÖFB-Team? Alaba als Sündenbock? Marc Janko im LAOLA1-Talk:

2016 war für Marc Janko ein Jahr zwischen Vereins-Lust und Nationalteam-Frust.

Mit dem FC Basel wurde er Meister, der nächste Titel sollte nach dem dominanten Herbst folgen (15 Siege in 18 Liga-Spielen). Die Enttäuschungen des ÖFB-Teams sind allgemein bekannt.

Im LAOLA1-Interview spricht der Goalgetter über Erfolg und provozierte Unruhe in Basel, die Notwendigkeit eines Plan B im Nationalteam und den Umstand, dass der jüngste Gegenwind positiv für die Entwicklung von David Alaba ist.

Janko über die Sündenbock-Rolle von David Alaba:

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)


LAOLA1: Hast du den Jahreswechsel eher mit dem guten Gefühl, mit dem FC Basel auf Meisterkurs zu sein gefeiert, oder überwiegt der schale Nachgeschmack des Nationalteam-Jahres?

Marc Janko: Man muss ganz klar und ehrlich konstatieren, dass das Jahr nicht so verlaufen ist, wie wir uns das gewünscht hätten. Wir hätten uns alle eine viel bessere EURO erhofft. Deswegen ist beim Gedanken an 2016 natürlich ein bitterer Beigeschmack dabei. Wir haben alle sehr große Hoffnungen in dieses Jahr gesetzt – nicht nur wir als Mannschaft, sondern das ganze Land. Wir konnten es leider nicht so umsetzen, wie wir wollten. Wenn man zurückblickt, bleibt das natürlich schon hängen.

LAOLA1: Und das sticht auch die Vereinserfolge aus?

Janko: Die EM war ohne Frage das Highlight für uns alle – egal ob man im Klub sehr gut da steht oder eher weiter unten mitspielt. Und es war nicht so zur Zufriedenheit, wie wir uns das gewünscht haben.

"In einigen Medien wird es so dargestellt, dass unser Trainer den internationalen Ansprüchen nicht genügt. Das verstehe ich nicht."

Janko über Urs Fischer

LAOLA1: Lass uns trotzdem mit dem Positiven anfangen. Ihr habt in Basel in der Meisterschaft einen unglaublichen Lauf hingelegt. Du spielst und triffst relativ regelmäßig. Die Zwischenbilanz fällt positiv aus, oder?

Janko: Absolut. Der Trainer hat sich von Anfang an klar deklariert, dass er sehr viel durchrotieren möchte. Das hat er dann auch in die Tat umgesetzt. Er gibt uns immer wieder mal Pausen und lässt dann andere Leute spielen. Wir haben einen riesigen Kader, da ist schon einiges los in der Kabine, jeder kämpft um seinen Platz. Aber ich bin zu meinen Einsätzen gekommen und sehr zufrieden mit der Bilanz des letzten halben Jahres beim FC Basel.

LAOLA1: Ihr gewinnt fast jedes Meisterschafts-Spiel. Wird das irgendwann langweilig?

Janko: Gewinnen wird nie langweilig! Gegen schwächere Mannschaften zu gewinnen, ist das vermeintlich Normalste der Welt. Aber man muss immer bodenständig und demütig bleiben und jeden Sieg schätzen. Man darf nie hochnäsig werden und glauben, dass es von alleine geht, sonst bekommst du irgendwann eine auf die Mütze. Deswegen ist für mich die Challenge mit dem FC Basel, jedes Spiel – auch wenn es abgedroschen klingt – sehr ernst zu nehmen. Jedes Spiel ist das Wichtigste. Das können viele Leute nicht mehr hören, weil es die ultimative Fußballer-Floskel ist, aber es ist im wahrsten Sinne des Wortes wirklich so. Darin besteht auch unser Erfolgsgeheimnis, dass wir es schaffen, jedes Spiel hundertprozentig ernst zu nehmen und dementsprechend seriös anzugehen, damit keine Zweifel bestehen, wer als Sieger vom Platz geht.

Im Herbst bejubelte Janko sieben Liga-Tore

LAOLA1: Trotzdem gab es eine Trainer-Diskussion um Urs Fischer. Ist das verständlich, nur weil es in der Champions League nicht nach Wunsch gelaufen ist? Oder sind die Ansprüche inzwischen so hoch, dass das legitim ist?

Janko: Ich habe es unlängst auch in den Schweizer Medien erwähnt: Ich kann es akzeptieren, aber nicht nachvollziehen. In einigen Medien wird es so dargestellt, dass unser Trainer den internationalen Ansprüchen nicht genügt. Das verstehe ich nicht. Letzte Saison sind wir im Achtelfinale der Europa League am FC Sevilla gescheitert – eine Mannschaft, gegen die man ausscheiden kann. Das einzige Spiel, das man uns in der diesjährigen Champions League ankreiden kann, ist das Heimspiel gegen Ludogorets, das wir nicht gewinnen konnten. Ansonsten kann ich der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Wir haben auch international ganz gute Auftritte gezeigt. Natürlich lügt die Statistik nicht und im Endeffekt schaut relativ wenig heraus. Aber das muss man immer ein bisschen differenzierter sehen. Denn in einer Gruppe mit PSG und Arsenal, die in ihren Ligen Meisterschafts-Kandidaten sind, ist es verdammt schwer, als Sieger vom Platz zu gehen. Gegen solche Mannschaften brauchst du als Mittelständler-Klub, der wir als FC Basel sind, einen richtig guten Tag, um etwas mitnehmen zu können, und die großen Klubs brauchen einen mäßigen bis schlechten Tag. Das war leider in dieser CL-Saison nicht der Fall. Sie haben alle Spiele verdammt ernst genommen und ohne Ende gefightet.

LAOLA1: Wie geht man mit solchen Trainer-Gerüchten um? Mit Marcel Koller und Adi Hütter wurden ja auch zwei hierzulande bekannte Namen ins Spiel gebracht.

Janko: Ich glaube, man muss nicht immer alles so ernst nehmen, was kolportiert und geschrieben wird. Am Ende des Tages probiert man vielleicht von außen ein bisschen Unruhe in den Verein zu bringen, um möglicherweise die Meisterschaft wieder ein bisschen spannender zu machen oder die eine oder andere Aussage eines Spielers oder Funktionärs zu provozieren. Ich denke, der FC Basel hat das in den letzten Jahren überragend gemacht, diese Störfeuer nicht wirklich zu beantworten. Ruhe bei der Arbeit ist in Basel ein ganz großes Thema. Der Trainer bekommt das sehr wohl mit – logisch, wenn er darauf angesprochen wird, aber man muss nicht immer alles so heiß essen, wie es gekocht wird. Ich bin zum Beispiel vor der Winterpause auch gefragt worden, ob jetzt mein Vertrag aufgelöst wird, denn man muss ja den Kader reduzieren. Also es waren schon kuriose Fragen dabei.

Auch bezüglich Janko gab es zuletzt Gerüchte: Seine Zukunft ist unklar:

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)


LAOLA1: Kommen wir zum Nationalteam. Du hast inzwischen ein paar Wochen Abstand zum verkorksten Auftakt in die WM-Qualifikation. Ich nehme an, diese Thematik wird trotzdem in dir arbeiten. Was ist da schief gegangen?

Janko: Wir haben in unzähligen Sitzungen mannschaftsintern probiert zu analysieren, woran es gelegen haben könnte oder wo es ein bisschen hakt. Fakt ist, dass wir eine EURO gespielt haben, die leider nicht unseren Erwartungen entsprochen hat. Fakt ist auch, dass wir auf der linken Seite mit Christian Fuchs einen wichtigen Spieler verloren haben, der die Balance zwischen Offensive und Defensive sehr gut gehalten hat. Er ist ein sehr verdienstvoller und erfahrener Spieler, der eine Riesen-Lücke hinterlassen hat. Es ist nicht einfach, einen Nachfolger zu finden. Auf der anderen Seite bin ich nach wie vor der Meinung, dass in vielen Spielen der EM-Qualifikation Kleinigkeiten für uns entschieden haben, so wie bei der EURO gegen uns. Auf diesem Niveau geht es mit der Qualität, die Österreich hat, einmal in diese Richtung und einmal in die andere. Momentan kommt es mir so vor, dass wir echt vom Pech verfolgt sind. Das Glück, dass wir in der EM-Quali mit Stangenschüssen oder überragenden Paraden von Robert Almer hatten, ist momentan nicht mehr da. Das muss man sich wieder erarbeiten. Dann dreht sich der Wind wieder.

LAOLA1: Julian Baumgartlinger nach dem Irland-Spiel und Sportdirektor Willi Ruttensteiner bei seiner Jahresanalyse haben gemeint, dass man die Gegner nicht mehr überraschen würde. Kannst du diese Ansicht nachvollziehen? Ist Österreich zu ausrechenbar geworden?

Janko: Es ist mühselig, erstens irgendwelche Anschuldigungen zu machen oder zweitens mit dem Finger auf andere zu zeigen. Jeder muss vor seiner eigenen Haustüre kehren und probieren, seine eigenen Sachen noch einen Tick besser und konzentrierter zu machen, seine Arbeit besser zu erledigen. Dann finden wir wieder in die Spur und zurück zu jenem Selbstverständnis, dass du ins Spiel gehst und dir denkst: Das gewinnen wir ohne Wenn und Aber. Die EM-Quali war in dem Sinn auch kein Selbstläufer, wie es teilweise kolportiert wurde, sondern wir haben es ähnlich wie beim FC Basel gemacht: Wir sind jedes Spiel wirklich 100 Prozent konzentriert angegangen und haben probiert, unsere Sachen umzusetzen, wie wir es vom Trainer mitbekommen haben. Aber natürlich, ein Stückchen Wahrheit ist da schon dabei, was Jules und Willi gesagt haben.

"Es ist ein absoluter Dialog und kein Monolog des Trainers. Er geht sehr wohl auf die Mannschaft zu, stellt Fragen und wir probieren es gemeinsam zu erarbeiten."

Janko über Marcel Koller

LAOLA1: Inwiefern?

Janko: Ich finde es sehr gut und sehr positiv, dass wir unser Ding durchziehen wollen. Auf der anderen Seite probieren wir, wenn wir auf dem Platz merken, es funktioniert nicht – Stichwort erstes EM-Spiel gegen Ungarn – beinhart, das weiterzumachen. In solchen Situationen müssen wir einfach einen Plan B in der Hinterhand haben, wenn wir sehen, das hohe Pressing nützt nichts. Wir müssen uns dann besser organisieren können. Nehmen wir das Ungarn-Spiel. Wenn der Stangenschuss von David reingeht, wird es ein ganz anderes Spiel. So war einfach die Erwartungshaltung enorm, wir sind in Rückstand geraten – das spielt einer Mannschaft wie Ungarn in die Karten. Wir haben probiert, alles nach vorne zu werfen, Aleksandar Dragovic sieht die Rote Karte, die Ereignisse haben sich nur so überschlagen. Wir müssen probieren, in solchen Spielen einen Plan B in der Hinterhand zu haben, wie wir dann agieren sollen, und den wir auch wirklich gut umsetzen.

LAOLA1: Wie funktioniert diesbezüglich der Austausch zwischen Teamchef Marcel Koller und der Mannschaft? Von außen wirkt es so, als wärt ihr ein Team, das sich extrem viele Gedanken macht. Stichwort Arbeitsgruppen.

Janko: Es ist ein absoluter Dialog und kein Monolog des Trainers. Er geht sehr wohl auf die Mannschaft zu, stellt Fragen und wir probieren es gemeinsam zu erarbeiten. Denn es ist eine Sache, den Spielern etwas auf dem Whiteboard vorzugeben und eine ganz andere, das auf dem Platz umzusetzen. Wir probieren das natürlich in den wenigen Trainingseinheiten vor Länderspielen zu erarbeiten, aber meistens ist die Zeit sehr begrenzt. Nach den Regenerations-Trainings kann man meistens erst in der dritten, vierten Einheit taktisch trainieren. Das macht es für den Teamchef wahnsinnig schwierig, etwas Neues in die Mannschaft zu bringen. Deswegen wiederholt er auch gebetsmühlenartig, dass er nicht allzu viele neue Spieler dazunehmen möchte, weil es Zeit braucht, diese Automatismen einzustudieren. Aber nochmal: Vieles, was davor gut war und gut geschrieben wurde, war vielleicht nicht so gut. Momentan ist aber auch nicht alles so schlecht, wie es dargestellt wird. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Die Mannschaft hat nach wie vor enormes Potenzial.

LAOLA1: Wie viel Potenzial David Alaba hat, weiß man. Konzentriert sich in der aktuellen Debatte rund ums ÖFB-Team zu viel auf seine Person? Wird er als Sündenbock rausgepickt?

Janko: David hat zum ersten Mal in seiner Karriere Gegenwind erfahren. Ich denke, das ist wichtig für seine Entwicklung gewesen. Er war ja davor nahezu unantastbar - auch in der Öffentlichkeit, bei uns Spielern sowieso. Aber das ist normal. Ab und zu werden Spieler herausgenommen und zum Sündenbock gemacht, was natürlich absoluter Schwachsinn ist. David hat mit dem EURO-Ausscheiden gleich viel zu tun wie jeder andere Spieler und das Trainer-Team auch. Aber damit muss er umgehen lernen, und bisher ist er damit auch ganz gut umgegangen. Ich denke, dass David daraus ganz viele Rückschlüsse ziehen wird, um in Zukunft vielleicht auch ein bisschen ein anderes Auftreten an den Tag zu legen. Das ist ein Reifeprozess, der in diesem Geschäft immer wieder mal stattfindet. Jetzt hat es ihn getroffen, in der Vergangenheit waren auch schon mal andere Spieler an der Reihe. Es wird gut verteilt auf jeden Rücken.

LAOLA1: Auch dich hat es in der Vergangenheit schon getroffen. Du bist ein paar Jahre länger im Geschäft als er. Welche Ratschläge kannst du ihm mitgeben?

Janko: Er ist in einer Position als absoluter Stammspieler und Leistungsträger des FC Bayern München, wo er diese Automatismen des Geschäfts tagtäglich mitbekommt. Es wird einfach mal jemand aus der Formation rausgepickt, an dem eine etwaige Negativ-Performance festgemacht wird. Wie gesagt: Ich glaube, dass es für ihn und seine Entwicklung sehr positiv war, auch wenn das jetzt ein bisschen komisch klingt. Ich hätte es ihm natürlich nicht gewünscht, so etwas wünsche ich niemandem – ich habe es auch schon öfters durchmachen müssen. Man lernt jedenfalls nie aus.


LAOLA1: Vor der EURO hast du im LAOLA1-Interview gesagt: „Wir haben nicht nur Marc Janko.“ Wie viel hat sich seither auf der Stürmer-Position getan? Mit Michael Gregoritsch ist ja ein Hoffnungsträger ins A-Team aufgerückt.

Janko: Auch die Spieler, die damals im Nationalteam waren, hatten ihre Berechtigung. Rubin Okotie hat wichtige Tore für uns erzielt. Er hat sich aus Gründen, die ich absolut respektieren kann, entschieden, nach China zu gehen. Warum er nicht mehr dabei ist, kann ich nicht sagen, diese Entscheidungen treffe ich nicht. Aktuell ist Michi Gregoritsch dabei, der in Hamburg in den letzten Spielen aufgezeigt hat, absolut über Potenzial verfügt und in der U21 sehr gute Leistungen gezeigt hat. Er ist ein junger Spieler, der noch sehr viel lernen wird. Ich habe eigentlich immer den Atem dieser Spieler hinter mir gespürt. Ich kann nur sagen, dass jeder einzelne sehr viel Qualität hat.

LAOLA1: Du kritisierst immer wieder die österreichische Schwarz-Weiß-Malerei. Nach diesem Start hat man die WM-Qualifikation vielerorts natürlich schon abgeschrieben. Erkläre uns bitte zum Abschluss, warum es das ÖFB-Team doch noch schaffen wird?

Janko: Weil wir auch in dieser Phase zusammengehalten haben und nicht anfangen, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Weil wir nach jedem Spiel enorm selbstkritisch sind. Auch bei vermeintlich guten Spielen sind wir alle so gestrickt, dass wir mehr auf das Negative schauen, das uns passiert ist, um uns ständig zu verbessern. In jeder Trainingseinheit ist nach wie vor Zug drinnen. Ich glaube, dass uns diese Phase noch mehr zusammengeschweißt hat. Wir wissen, dass wir auch durch schwierige Zeiten gemeinsam gehen können. Dazu kommt der Rückhalt der Fans. Trotz der schwierigen Situation war das Happel-Stadion in jedem Heimspiel voll, das ist nicht selbstverständlich. Alleine deswegen möchte sich jeder von uns den Arsch aufreißen, um das Ruder herumzureißen und den Fans so magische Abende bescheren, wie sie in der EM-Qualifikation stattgefunden haben.

LAOLA1: Vor allem weiß man, dass man es besser kann.

Janko: Genau. Wir verlangen ja nichts Utopisches. Wir wollen einfach nur das abrufen, was wir in der Vergangenheit schon abgerufen haben. Dazu bedarf es kleiner Feinjustierungen und in gewissen Situationen vielleicht noch mehr Konsequenz. Dann haben wir nach wie vor das Potenzial, ganz vorne mitzuspielen.

Das Gespräch führte Peter Altmann

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