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Italienische Scheinheiligkeit

Tattoo als Stein des Anstoßes. Kommunist Lucarelli steht hinter Faschist di Canio.

Italienische Scheinheiligkeit

Paolo di Canio ist ein Faschist.

Wer das bisher nicht wusste, der kannte den Italiener noch nicht.

Der mittlerweile 48-jährige hat seine Tore vor der Lazio-Kurve mit dem römischen Gruß gefeiert und auch sonst nie einen Hehl aus seinen politischen Ansichten gemacht.

Und trotzdem hat er vor rund einer Woche seinen Job wegen seiner politischen Einstellung verloren. Ein Akt italienischer Scheinheiligkeit, in dessen Folge sich sogar di Canios ewiger Rivale an seine Seite gestellt hat.

Di Canio ist in den vergangenen Jahren eher mit langen Ärmeln und auch politisch zugeknöpft unterwegs gewesen. Als Trainer von Swindon Town (Juli 2011 bis Februar 2013) und Sunderland (März bis September 2013) sprach er plötzlich nicht mehr so gerne vom Faschismus. Er wolle über Fußball sprechen und basta.

Der frühere englische Außenminister David Miliband trat dennoch öffentlichkeitswirksam von seinem Posten als Sunderland-Vorstandsmitglied zurück, als di Canio Trainer wurde.

Die moralischen Standards bei Sky Italia

Miliband lebt mittlerweile in New York und di Canio wieder in Italien, wo er das tut, was man als arbeitsloser Fußballtrainer eben so tut – er arbeitet als TV-Experte bei Sky Italia. Dass der Sender keine allzu hohen moralischen Standards bei der Besetzung seiner Experten hat, beweist der Umstand, dass der lebenslang wegen Betrugs gesperrte ehemalige Juventus-Macher Luciano Moggi ebenfalls dort tätig ist.

Mitte September brach plötzlich Hektik in der Geschäftsführung von Sky Italia aus. Ein Foto von di Canio, aufgenommen hinter den Kulissen, tauchte auf. Ein völlig harmloses Foto. Di Canio trägt ein kurzärmeliges Polo-Hemd. Doch es hagelte Kritik in den sozialen Medien.

Stein des Anstoßes: Das Tattoo, das der Italiener auf seinem rechten Bizeps trägt. „DUX“ steht da, Latein für „Duce“, so wurde Benito Mussolini, der Diktator an der Spitze des faschistischen Regimes in Italien (1922-1943).

Sky Italia beendete die Zusammenarbeit mit di Canio mit sofortiger Wirkung und entschuldigte sich öffentlich. Ein absurder Akt. Sowohl die politische Einstellung des Trainers als auch sämtliche seiner Tattoos sind seit Jahren bestens dokumentiert.

"Das war Arschkriecherei"

Nun hat sich Cristiano Lucarelli zu Wort gemeldet. Der Ex-Stürmer ist so etwas wie der Gegenspieler di Canios. Legende von AS Livorno, dessen Ultras ideologisch irgendwo zwischen Stalin, Lenin und Marx angesiedelt sind. Er hat seine Tore immer mit in die Luft gereckter Faust gefeiert und ein Tattoo von Che Guevara auf der Wade. Kurzum, Lucarelli steht so weit links wie di Canio rechts steht.

„Das ist grottesk, wir kennen di Canios Ideen, ich verstehe die Entscheidung von Sky nicht: ihn abzusetzen war Arschkriecherei. Die Auffassungen von Paolo di Canio sind bestens bekannt, ich stehe da auf seiner Seite“, sagt Lucarelli gegenüber „cittaceleste“.

Sein Verhältnis zu di Canio erklärt er so: „Wir haben uns immer die Hand gegeben und respektiert, ich finde es gut, wenn Menschen für ihre Überzeugungen einstehen. Unabhängig von den Idealen hat er den Mut gehabt, zu seinen Ideen zu stehen und dafür gebühren ihm Respekt und Anerkennung. Anstatt gehirnamputierten Fußballern bevorzuge ich die offene Auseinandersetzung mit Menschen, die hinter ihren Überzeugungen stehen.“

Di Canio hat nun angekündigt, seinen bisherigen Arbeitgeber verklagen zu wollen.


Harald Prantl


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