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So tickt BVB-Trainer Peter Bosz

Cruyff-Verehrer, Intrigen und Jugendförderer. LAOLA1 stellt BVB-Coach Peter Bosz vor:

So tickt BVB-Trainer Peter Bosz

Peter Bosz führt Borussia Dortmund als Trainer in die sportliche Zukunft!

Auf seiner Antritts-Pressekonferenz beim Bundesligisten war aber größtenteils die Vergangenheit Thema. Sowohl die Schwarzgelben (von Thomas Tuchel) als auch ihr neuer Coach haben unsaubere Trennungen hinter sich.

So verlässt der Niederländer Ajax Amsterdam nach nur einem Jahr, nachdem er den Klub in dieser Saison sensationell bis ins Finale der Europa League (0:2 gegen Manchester United) führte.

Zwar schaute am Ende kein Titel heraus, aber die attraktiven Leistungen waren genug, um Dortmund anzulocken.

Nun stellen sich viele Fußball-Interessierte die Frage: Wer ist der Neue überhaupt?

LAOLA1 stellt Peter Bosz und seine Trainer-Vita vor und blickt auf die Gründe seines Abschieds aus Amsterdam, auf welche Spielweise sich BVB-Fans einstellen können und welche Stärken und Schwächen er mitbringt.

Warum hat er eigentlich Ajax verlassen?

„Ich habe hier für drei Jahre unterschrieben. Bei meinen bisherigen Klubs hatte ich eine Ausstiegsklausel drinnen. Bei Ajax nicht.“ Diese (vermeintlich) bekennenden Worte nach dem EL-Finale sind gerade mal zwei Wochen jung. Ajax nach 20 Jahren ins erste Europacupfinale geführt und mit einem vielversprechenden Team die Ernte einfahren, also Friede, Freude, Eierkuchen?
Das böse Erwachen in Amsterdam folgte dieses Wochenende. Es wirkte bereits befremdlich, dass Ajax - im Gegensatz zu Nizza Lucien Favre – keinerlei Einwände gegen Dortmunder Gespräche mit dem Erfolgscoach zeigte. Die geforderte Ablösesumme von drei Millionen Euro verstärkte diesen Eindruck.

Kurz vor der Trainerpräsentation in Dortmund meldete schließlich „De Telegraaf“, dass Bosz Meinungsverschiedenheiten (Ajax-Direktor Edwin van der Sar bestätigte diese mittlerweile) mit seinem Trainerteam, darunter Legende Dennis Bergkamp, hatte. Letzterer fungiert seit der Cruyff’schen Revolution als „Kulturbewacher" im Verein. Ironischerweise sucht unter ihm nach Wim Jonk (Akademie) bereits der zweite Coach das Weite, der eigentlich ganz im Sinne der Cruyff-Philosophie agieren wollte.

Ob dies der alleinige Grund für Bosz‘ Abgang war, wird wohl für immer ein Geheimnis der Beteiligten bleiben. Vereinzelt wurde dem Mann mit der markanten Glatze auch Sturheit vorgeworfen und dass er sich selbst isoliert habe. Für den 53-Jährigen, der sich erst im Februar eine Villa nahe Amsterdam zulegte, kam das Angebot aus Dortmund jedenfalls zu keinem ungünstigen Zeitpunkt.

Woher kommt er?

BVB-Sportdirektor Michael Zorc nennt es „eine klassische Trainerkarriere“, was wohl mehr über die Spielerkarriere von Peter Bosz aussagt. Die war nämlich eher unauffällig. Bei Feyenoord Rotterdam wurde er Meister (1993) und Pokalssieger (92, 94-95). Nach einem kurzen Abstecher nach Japan (JEF United) durfte er als 34-Jähriger noch mit Hansa Rostock Deutsche-Bundesliga-Luft schnuppern.

Verein Spieler von-bis Verein Trainer von-bis
Vitesse Arnheim 1981-84 AGOVV Apeldoorn 2000-02
AGOVV Apeldoorn 84-85 De Graafschap 02-03
RKC Waalwijk 85-88 Heracles Almelo 04-06
SC Toulon 88-91 Feyenoord 06-09 (als TD)
Feyenoord 91-96 Heracles 2010-13
JEF United 96-98 Vitesse Arnheim 13-16
Hansa Rostock 01/08-07/98 Maccabi Tel Aviv 01/16-05/16
NAC Breda 98-99 Ajax Amsterdam 16-17
JEF United 99-2000 Borussia Dortmund ab 1. Juli 2017

„Ich war ein Zerstörer“, erklärt der frühere Mittelfeldspieler dem „Guardian“. “Mein Team möchte ich aber nicht so sehen. Wenn ich auf der Trainerbank sitze, möchte ich zumindest einen schönen Nachmittag haben.“

In seinem Geburtsort Apeldoorn stieg der 63er-Jahrgang ins Trainergeschäft ein. Heracles Almelo führte er in seiner ersten Amtszeit in die Eredivisie, in seiner zweiten ins gesicherte Mittelfeld (8., 12., 12.) dieser. Dazwischen verdiente er sich auch Sporen als Funktionär, bei Ex-Klub Feyenoord als Technischer Direktor. Via Maccabi Tel Aviv landete er schließlich bei Ajax.

Welche Philosophie verfolgt er?

Die beiden letztgenannten Stationen wirken wenig überraschend, wenn man sein großes Vorbild kennt: Johan Cruyff. „Ich wusste bereits mit 16, dass ich eines Tages Trainer sein werde. Mit Freunden habe ich ein ganzes Buch voller Zeitungsartikel und Interviews von Johan gefüllt. Geordnet nach Offensive, Defensive, Taktik.“


Cruyff-Sohn Jordi lockte als Sportdirektor Bosz nach Israel. Kurz vor dessen Tod bekam der Coach auch noch Besuch von Cruyff senior höchstpersönlich. Ein prägendes Erlebnis: „In einer Woche habe ich mehr als in zehn Jahren gelernt.“

Diese angeeignete Philosophie zog er bei all seinen Klubs bedingungslos durch, egal ob beim Mittelständer Heracles, Europacupstarter Vitesse oder eben zuletzt Ajax.

Wo liegen seine Stärken?

Wer Cruyff sagt, muss auch Ballbesitz sagen. Entwickelte sich Ajax unter Vorgänger Frank de Boer zur Schlaftablette, sorgte Bosz wieder für Würze im Positionsspiel. Eine Weiterentwicklung, an der auch Tuchel zuletzt gegen tiefstehende Teams zu kämpfen hatte.

Der zweite prägende Faktor ist das fulminante Gegenpressing, das der Guardiola-Fan wie folgt erklärt: „Barcelona wollte den Ball in drei Sekunden zurückerobern. Ich dachte mir, wir sind nicht Barca, also habe ich zwei Sekunden draufgepackt.“ Nicht umsonst wird Bosz also als Mischung der beiden letzten BVB-Trainer Tuchel (vermehrt Ballbesitz) und Jürgen Klopp (Pressing) gesehen.

Was ebenso auf Ajax wie auf Dortmund zutrifft: Beide Teams setzen (teils notgedrungen) auf die Jugend. Neun der zehn jüngsten Startelf-Formationen (rund 22 Jahre) der vergangenen EL-Saison gingen auf das Konto von Ajax. Matthijs De Ligt (17), Justin Kluivert (18) und Kasper Dolberg (19) verhalf Bosz zum Durchbruch, Abdelhak Nouri (20) und Carel Eiting (19) zum Debüt. Kurzum: Er verhilft Spielern zum nächsten Schritt, ohne ihnen etwas zu schenken: Das Leistungsprinzip gilt. Dass sich der 28-jährige Nick Viergever in die Startelf spielte, war überraschend. Ebenso jedoch, dass das hochgejubelte Talent Riechedly Bazoer den Stammplatz endgültig verlor und dann nach Wolfsburg flüchtete.

Bosz gilt also durchaus als strikt, aber gerade für die jungen Spieler auch als Vaterfigur. Verständigungsprobleme sollte es dabei in Dortmund nicht geben, nicht einmal mit Shinji Kagawa: Neben Japanisch spricht der Weitgereiste auch Niederländisch, Deutsch, Englisch und Französisch.

Welchen BVB-Fan dieses Profil nicht überzeugt, dem sei noch gesagt: Bosz eliminierte mit Ajax in der Europa League Erzrivale Schalke 04.

Wo liegen seine Schwächen?

Kein Trainer ohne Schwächen. Dass Bosz als Trainer bisher noch keinen Titel in der Vitrine stehen hat, kann man durchaus noch mit der Vereinswahl zu Beginn der Karriere erklären. Mit Maccabi und Ajax scheiterte er knapp in der Meisterschaft, in Amsterdam konnte er nach Punktverlusten in der Eingewöhnungsphase und mit der EL-Doppelbelastung den Rückstand auf das überragende Feyenoord trotz am Ende starker 81 Punkte nicht mehr aufholen. Ein Fragezeichen bleibt aber in diesem Zusammenhang stehen: Wie kommt der 53-Jährige erstmals in einer Top-Liga zurecht? Gerade stark auf Pressing setzende Mannschaften wurden die letzten Jahre immer öfters entschlüsselt. Der achtfache niederländische Nationalspieler (darunter zwei Minuten beim Testsieg gegen Österreich 1992/3:2) beharrt gerne auf seiner Philiosophie, die von Mourinhos United im EL-Finale pragmatisch ausgeschaltet wurde. Ein kleineres Feintuning wird Bosz wohl anwenden müssen.

Auf jeden Fall den Hebel ansetzen muss er punkto Rotation. Nach seiner Einfindungsphase setzte er bei Ajax immer auf den denselben Stamm. Vor allem Youngster Dolberg wirkte zwischenzeitlich arg überspielt. Nach dem kräftezerrenden EL-Spiel bei Schalke (2:3 n.V.) verzichtete er drei Tage später im Spitzenspiel bei PSV Eindhoven (0:1) praktisch auf jegliche Rotation. Als er diese einmal doch durchzog, übertrieb er: Mit einer „U19“ schied Ajax im Cup bei Zweitligist Cambuur (1:2) aus. Um den großen Dortmunder Kader bei Laune zu halten, muss sich Bosz hier weiterentwickeln. Die gute Nachricht: Die Schwarz-Gelben bieten wohl auch mehr Kadertiefe, die Rotation erlaubt.

Fazit: Peter Bosz gelang in den letzten Jahren ein rasanter Aufstieg. Mit der nötigen Flexibilität, sowohl taktisch als auch menschlich, bestehen gute Chancen, dass man nach der kommenden Saison sagt: Der BVB und Bosz – das passt.


Mit Schalke-Bomber Guido Burgstaller wird Peter Bosz demnächst im Revierderby Bekanntschaft machen:

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