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Rapid-Schockstarre nach dem 0:6-Mestalla-Albtraum

Erinnerungen wurden wach. Rapid versagte auf vielen Linien und suchte Gründe:

Rapid-Schockstarre nach dem 0:6-Mestalla-Albtraum

Erinnerungen wurden wach.

An den 27. März 1999, einen schwarzen Tag in der Geschichte des rot-weiß-roten Fußballs, als es für das ÖFB-Team in Valencia ein 0:9 setzte.

Dass das Mestalla-Stadion kein guter Boden ist, musste auch der SK Rapid im Sechzehntelfinal-Hinspiel der Europa League am eigenen Leib verspüren – und das in voller Härte.

0:6 - ein Drama in sechs Akten und gleichzeitig die höchste Europacup-Niederlage der Vereinsgeschichte (bisher ein 2:7 gegen AC Milan 1956). 90 Minuten ohne Ausweg für die bisher so bravourös im Europacup aufgetretenen Grün-Weißen.

Desaströs! „Das war einfach zu wenig“

Nach dem 3:0-Derbysieg gegen die Austria war noch von einer vorverlegten Rapid-Viertelstunde die Rede, diesmal war die Beschreibung „Fehlstart“ fast untertrieben.



Nach 45 Minuten stand jenes Ergebnis auf den Anzeigetafeln, wie vor 17 Jahren beim ÖFB-Team: 0:5. Desaströs, wie sich die Barisic-Truppe von den Fledermäusen regelrecht auseinandernehmen ließ.

„Es ist natürlich vom Psychologischen her ziemlich schwer. Generell, was die erste Halbzeit betrifft, war ich sehr enttäuscht, wie wir die Duelle geführt haben, wie wir unseren Strafraum verteidigt haben. Das war einfach zu wenig“, wusste Trainer Zoran Barisic.

Valencia Rapid
Ballbesitz 51,2% 48,8%
Zweikämpfe 53,77% 46,23%
Eckbälle 5 2
Torschüsse 13 11
Torschüsse außerhalb Strafraum 2 6
Torschüsse innerhalb Strafraum 11 5
Kopfballchancen 1 2
Abseits 0 2
Fouls 15 19

In der 4., 10., 25., 29. und 35. Minute schlug es im Kasten von Torhüter Richard Strebinger ein – obwohl dieser an keinem Gegentreffer eine Mitschuld trug.

„Wir sind alle sehr enttäuscht. Wir wollten das Spiel offen gestalten, aber das ist nach hinten losgegangen. Wir sind dann irgendwie in einer Schockstarre gewesen und leider unter die Räder gekommen“, rang Mario Sonnleiter gegenüber LAOLA1 nach Worten.

Immer nach demselben Prinzip

Entscheidend war der überfallsartige Offensivfußball der Hausherren über die Außenbahnen – immer nach demselben Prinzip.

Das abwartende, lasche und fehlerhafte Auftreten der Gäste wurde beinhart bestraft.

„Wir sind dann gut, wenn wir alles beherzigen, was uns in der Gruppenphase ausgezeichnet hat. Nicht nur, dass wir nach vorne spielen und Fußball zeigen wollen. Es geht nicht nur mit diesen Mitteln“, wusste auch Sportdirektor Andreas Müller.

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Balleroberung, schnelles Umschalten und eine fast hundertprozentige Chancenauswirkung spielte Valencia in die Karten.

Dabei nicht im Bilde waren beim ersten und dritten Gegentor der defensiv immer wieder nachlässige Philipp Schobesberger und dahinter Mario Pavelic auf links, die ihre Gegenspieler nicht an der Hereingabe hindern konnten.

Dem standen jedoch die Kollegen auf rechts – Florian Kainz und Hintermann Stefan Stangl – bei den Stanglpässen zum 4:0 und 5:0 um nichts nach.

„Wie wir den Strafraum verteidigt haben, als die Bälle zwischen Abwehrlinie und Tormann von der Seite gekommen sind, haben wir uns einfach nicht gut genug angestellt. Egal, auf welchem Niveau wir spielen, darf uns das einfach nicht passieren“, analysierte Barisic.

Nur beim dritten Tor wählte Valencia eine andere Methode nach einem Lochpass durch die Mitte, den Parejo im Tor unterbrachte.

Kapitän verlässt das sinkende Schiff

Von einem Aufbäumen keine Spur, obwohl spielerisch nach vorne sogar gute Ansätze zu erkennen waren. Jedoch fehlte der Nachdruck, die nötige Durchschlagskraft und die defensive Absicherung.

„Es war so, dass jeder einzelne Spieler vom Gegner in der ersten Halbzeit besser war als jeder einzelne von uns“, ärgerte sich der Chefbetreuer.




Die Spanier überließen Rapid gerne den Ball, was sich nach 45 Minuten im Ballbesitz von 50,6: 49,4 niederschlug.

Es war an diesem Abend aussichtslos, was Rapid unternahm. Sinnbildlich für die planlosen und gänzlich überforderten Hütteldorfer war die Auswechslung von Steffen Hofmann.

Der Kapitän verließ das sinkende Schiff aber natürlich nicht freiwillig. Schon in den Minuten zuvor war zu erkennen, dass der Oldie mit Problemen zu kämpfen hatte. Die Wade zwickte, wobei die Vermutung nahe liegt, dass das Ergebnis seine Auswechselgedanken noch verstärkte.

Toni Pfeffer gibt Pausen-Interview – wie damals

Der Pausenpfiff war wie eine Erlösung. Hängende Köpfe, Schuldzuweisungen, Verzweiflung war beim Abgang in die Katakomben des altehrwürdigen Stadions zu erkennen.

Die Aussage von Abwehrchef Toni Pfeffer zum 0:5 Pausenstand erreichte 1999 Kult-Status: „Hoch werd mas nimma gwinnen.“

„Sky“ erlaubte sich einen Spaß, über den Rapid kaum lachen wird und schaltete den Ex-Profi via Telefon in die Pausen-Analyse des Live-Spiels zu. Seine Conclusio: „Ich glaube auch, dass Rapid die Partie nicht mehr hoch gewinnen wird.“

Bei Barisic war die Angst, noch höher zu verlieren, durchaus vorhanden: „Na klar. Wenn du mit einem 0:5 in die Pause gehst, hast du natürlich die Befürchtung, dass es noch höher ausfallen könnte. Wir kennen spanische Vereine, wenn sie sich in einen Rausch spielen, dann ist es irrsinnig schwer.“

In der zweiten Halbzeit wurde zumindest aus grün-weißer Sicht dafür gesorgt, dass nicht alle Parallelen zu damals eingehalten wurden.

Für Valencia kam Rapid zur rechten Zeit

Von einer Krise war bei Valencia nichts zu sehen. Ein Sieg aus den letzten 13 Liga-Spielen – trotz acht Startelf-Umstellungen zum 2:1 gegen Espanyol waren sie an diesem Abend mehrere Klassen über Rapid zu stellen.

Die Entlassung des in den vergangenen Wochen heftig kritisierten Gary Neville wurde zumindest vorerst einmal aufgeschoben.



Auch die zahlreicher als erwartet ins Stadion gekommenen Fans unterstützten ihre Mannschaft, als wäre alles, was vorgefallen war vergeben und vergessen.

Gut möglich, dass mit dem Kantersieg gegen Rapid eine neue Ära eingeläutet wurde, die man am Ende der Saison als Startschuss in eine positive Zukunft bewertet.

Mit Anstand aus der Affäre ziehen

Aus Rapid-Sicht wurde in den zweiten 45 Minuten zumindest Schadensbegrenzung betrieben – auch dank der Milde der Hausherren.

Der Schock saß tief, Matej Jelic ließ in der 82. Minute per Kopf noch die beste Möglichkeit auf einen Ehrentreffer aus. Sogar dieser wäre aufgrund der Kräfteverhältnisse jedoch zu viel des Guten gewesen. Das 0:6 von Rodrigo – abermals über die rechte Seite – war nur mehr Draufgabe.

Was bleibt? Nicht nur die zweite Niederlage im Hauptbewerb der Europa League, der mit großer Sicherheit das Aus beim ersten internationalen Überwintern seit 1996 bedeutet.

Sondern auch eine Lehrstunde aus der jeder einzelne einiges mitnehmen kann.

„Am Wichtigsten ist, was wir daraus machen und wie wir mit dem Debakel umgehen“, wusste auch Müller.

Im Rückspiel in einer Woche geht abwe trotz allem nur mehr darum, sich anständig aus der Affäre zu ziehen.


Aus Valencia berichtet Alexander Karper

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