„Ich fühl' mich gut!“, lachte Marcel Koller.
Man darf die Grundstimmung des ÖFB-Teamchefs nach der Auslosung für die EM-Endrunde als locker und gelöst bezeichnen.
Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen betrat er die Mixed Zone – vielleicht weil die Ungewissheit bezüglich der EURO-Gegner ein Ende hat. Eine allzu bösartige Unterstellung ist es jedoch wohl nicht, wenn man behauptet, dass auch die zugelosten Kontrahenten selbst ihren fairen Anteil an Kollers guter Laune hatten.
Portugal, Ungarn und Island also.
"Ich bin ruhig geblieben"
Der Satz „Es hätte schlimmer kommen können“ entglitt Mitgliedern der rot-weiß-roten Fußball-Familie an diesem Auslosungs-Abend tendenziell mehr als ein Mal.
Präsident Leo Windtner verriet, dass die österreichische Delegation auf Nadeln gesessen sei, als die schweren Gruppen C (mit Deutschland und Polen) beziehungsweise D (mit Spanien, Tschechien und Türkei) an der Reihe waren.
„Hinter und neben mir war schon sehr viel Nervosität spürbar. Ich bin ruhig geblieben, so wie sich das mit der Erfahrung der Spiele, wenn man unten an der Linie steht, gehört“, spielte Koller den Coolen.
Nicht nur sein schelmischer Blick verriet, dass er bestens damit leben konnte, nicht in einer der besagten beiden Gruppen gelandet zu sein: „Ich war dann auch froh. So hat es zumindest gut gepasst.“
Die erste Gegner-Analyse
Seine erste Analyse der Gruppe F fiel wiefolgt aus: „Portugal ist natürlich der Topfavorit, mit Cristiano Ronaldo verfügen sie über einen Weltklassespieler. Gegen Island haben wir schon gespielt, sie sind unangenehm und schwierig zu bespielen. Ungarn kennen wir noch nicht. Sie sind erstmals seit x Jahren qualifiziert, bringen sehr viel Euphorie und Begeisterung mit. Aber ich muss das alles erst einmal auseinandernehmen, filtern und dann dem Team dementsprechend vermitteln.“
Diese Detailarbeit prägt nun auch die ersten Schritte nach der Ermittlung der Kontrahenten. Koller betonte, dass er rund um Weihnachten zwar auch einen Urlaub brauchen würde. Aber davor wolle er sich noch nächste Woche die Qualifikations-Spiele der EM-Gegner herunterladen: „Vielleicht ziehe ich mir im Urlaub bei schlechtem Wetter mal ein Spiel rein.“
Was | Wie, Wo, Wann |
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EM-Endrunde |
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Orte | Bordeaux, Lens, Lille, Lyon, Marseille, Nizza, Paris, St. Denis, Etienne, Toulouse |
Teilnehmer | FRA, ENG, CZE, ISL, AUT, NIR, POR, ESP, SUI, ITA, BEL, WAL, ROU, ALB, GER, POL, RUS, SVK, HUN, IRL, SWE, UKR |
Aufsteiger | Beide Gruppenersten plus die vier besten Dritten |
K.o.-Runde | Achtelfinale startet ab 25. Juni 2016 |
Tickets | Die nächste Verkaufsphase beginnt am Montag via ÖFB |
ÖFB-Lehrgang |
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Bundesliga | Start 2016: Frühjahrsstart: 6.2., Meisterschaftsende am 15.5. |
Cup-Finale | 21./22.5. |
EM-Vorbereitung | Ende Mai, Abstellungspflicht: 30. Mai 2016 |
EM-Kader | Bekanntgabe des 23-Mann-Kaders am 31. Mai 2016 |
Dies bedingt alleine schon die Neugier: „Es ist ja auch wichtig, Informationen zu bekommen. Je besser du informiert bist, desto besser ist es für das Team.“
Mehr Turniererfahrung als Ungarn und Island
Der 55-Jährige gestand freimütig ein, dass bezüglich Ungarn der größte Aufholbedarf besteht: „Da haben wir sicher aktuell die wenigsten Informationen.“
136 Mal hat Österreich in der langen gemeinsamen Fußball-Geschichte bereits gegen den Nachbarn gespielt, das letzte Aufeinandertreffen ging jedoch 2006 über die Bühne – lange vor dem Beginn der Koller-Ära. Island bezeichnete der Eidgenosse als „gefährliche Mannschaft“, die zusätzliches Selbstvertrauen aus der ersten Turnier-Teilnahme generiere.
Ein ÖFB-Schwachpunkt im Hinblick auf die EM sollte indessen in der Gruppenphase weniger als befürchtet zum Tragen kommen. Denn wie Island verfügt auch Ungarn (letztmals bei der WM 1986 qualifiziert) über weniger Turniererfahrung als Österreich, wo zumindest das eine oder andere Kadermitglied bereits bei der Heim-EURO 2008 mit von der Partie war.
„Es ist so, dass uns diese Erfahrung fehlt, aber wir sind froh, dass wir zwei haben, die noch weniger haben als wir“, schmunzelte Koller, warnte jedoch gleichzeitig: „Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass du locker durch diese Gruppe gehst.“
"Können nicht drei Spieler für Ronaldo abstellen"
Dafür könnte alleine schon Portugal sorgen, dass über umso mehr Routine bei Großereignissen verfügt.
„Ich habe Portugal das eine oder andere Mal gesehen. Sie haben individuell sehr hohe Klasse, Schnelligkeit, sind bei Turnieren immer wieder mit dabei. Zudem haben sie einen Weltklassespieler in ihren Reihen, der aus nichts sehr viel machen kann. Das ist natürlich eine Gefahr“, betonte der ÖFB-Coach.
Dass sich die Portugiesen analog zu Schweden mit Zlatan Ibrahimovic zu sehr auf ihren Superstar verlassen, glaubt Koller nicht. In der Qualifikation hat die ÖFB-Elf gute Erfahrungen damit gemacht, den größten Gefahrenherd der Skandinavier einzudämmen.
„Wir können jetzt nicht drei Spieler für Ronaldo abstellen“, gibt Koller eine ähnliche Marschroute wie gegen Ibrahimovic vor, „ich denke auch, dass Portugal von der individuellen Qualität noch eine Klasse höher als Schweden einzuschätzen ist.“
"Die Gegner werden ja auch froh sein"
So zufrieden man im ÖFB-Lager mit dem Los ist, allzu große Euphorie möchte man wie gehabt nicht aufkommen lassen.
Auch Koller konnte sich diesbezüglich einen möglicherweise treffenden Hinweis nicht verkneifen: „Die Gegner werden sich ja auch froh sein, dass sie Österreich bekommen haben und nicht irgendeine andere Mannschaft. Die Journalisten in Island oder Ungarn werden nicht viel anders als in Östereich denken.“
Peter Altmann