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Zehn Gründe für das Scheitern des ÖFB-Teams

Nach dem Ausscheiden ist vor der Ursachenforschung. Warum es in Frankreich nicht klappte:

Zehn Gründe für das Scheitern des ÖFB-Teams

Nach dem Ausscheiden ist vor der Ursachenforschung.

Man darf gespannt sein, wie die Analyse der ÖFB-Verantwortlichen für das Scheitern bei der EURO ausfällt, welche Begründungen für die Öffentlichkeit gefunden werden.

Nur sie kennen alle Interna, nur sie wissen, was wirklich auf dem Weg von der erfolgreichen Qualifikation bis zur Reise nach Frankreich schief gelaufen ist, sodass Österreich nicht Österreich war und das ÖFB-Team ein mittlerweile derart ungewohntes Bild abgab.

LAOLA1 nennt zehn Faktoren, die auch für die Öffentlichkeit erkennbar nicht funktioniert haben:

TURNIERERFAHRUNG: Man kann sich wohl darauf einigen, dass dieses Thema sträflichst unterschätzt wurde. Vor der EURO hieß es, dass das Nationalteam ausschließlich über in internationalen Ligen abgehärtete Profis verfügt. Nach dem Ausscheiden musste man zugeben, dass diese Bühne sogar für Champions-League-Sieger David Alaba Neuland war. So inflationär wie der Begriff „Nervosität“ in den vergangenen eineinhalb Wochen verwendet wurde, muss in der mentalen Vorbereitung einiges schiefgelaufen sein (siehe unten). Teamchef Marcel Koller sollte um die Erfahrung reicher sein, dass die Plätze in Frankreich zwar vielleicht gleich groß und der Rasen gleich grün wie in Wien sein mögen, das Feeling aber dennoch ein ganz anderes ist. Und so mancher Spieler, der sich auf Vereinsebene in beachtliche Sphären vorgearbeitet hat, muss sich hinterfragen, ob er die Belastung für das eigene Nervenkostüm im Vorfeld richtig eingeschätzt hat. Es gibt Strategien, um damit besser zurechtzukommen. Was für die Zukunft definitiv hilft: Man hat es nun ein Mal selbst am eigenen Leib verspürt und kennt es nicht nur vom Hörensagen. Das ist Gold wert.

FAVORITENROLLE: Ein absolut berechtigter Einwand an dieser Stelle ist, dass Ungarn und Island über noch weniger Turniererfahrung verfügten und dennoch ein ganz anderes Bild abgeliefert haben. Dem kann man nichts entgegensetzen, sondern nur über die Gründe mutmaßen. Offenkundig macht es einen Unterschied, ob man als Underdog, der vermeintlich nur gewinnen kann, ins Turnier startet, oder als Geheimfavorit, der vermeintlich nur verlieren kann. Auch in internationalen Medien wurde Österreichs Team im Vorfeld in den höchsten Tönen gelobt. Die Beurteilung der Qualität erfolgte also nicht zu sehr durch die rot-weiß-rote Brille. Objektiv bleibt es dabei, dass das ÖFB-Team über die besseren Einzelspieler als Ungarn oder Island verfügt. An der Qualität ist es also nicht gescheitert, sehr wohl jedoch am Kopf.

LAOLA1 spielt schon länger mit Dreierkette. Hier ihre Analyse des ÖFB-Scheiterns:


DIE (EIGENE) ERWARTUNGSHALTUNG: Man hatte nicht das Gefühl, dass das Nationalteam an der Erwartungshaltung der Öffentlichkeit zerbricht. Die Grundstimmung im Land war eine unglaublich positive und auch nach dem Out hat man – rein subjektiv – das Gefühl, dass die Mehrheit der Fans weiterhin an die Zukunft dieser Mannschaft glaubt, und das zurecht. Durchaus ein Problem waren offenbar die Ansprüche der Spieler an sich selbst. Das Wort „übermotiviert“ fiel immer wieder. Julian Baumgartlinger sprach nach dem Portugal-Spiel offen aus, dass etwa David Alaba nicht im Alleingang alles zerreißen müsse. Es ehrt den Bayern-Star, dass er als bester Spieler die Last schultern wollte – besser, als dass er sich versteckt. Deswegen sollte man dies weniger als Kritik, sondern mehr als Erkenntnis verstehen. Denn wenn Koller nach dem Turnier meinte, dass man nicht mehr verlangt hätte als sonst und das Abrufen des normalen Niveaus gereicht hätte, spricht das Bände.

DIE MENTALE VORBEREITUNG: Die ersten drei Punkte münden direkt in diesem. Wenn man über all diese Dinge diskutieren muss, kann etwas in der mentalen Vorbereitung auf dieses Großereignis nicht gestimmt haben. Es ist natürlich zu billig, den Sportpsychologen Thomas Graw als Sündenbock hinzustellen. Aber diverse Spieler nehmen seine Dienste nicht in Anspruch, Martin Hinteregger und Alessandro Schöpf gaben dies auch offen zu – es wäre eine Überraschung, wenn sie die einzigen wären. Die Psyche ist im Sport das Um und Auf, dafür gibt es Strategien. Wie man diesen Bereich in Zukunft optimiert und nie mehr eine auf diesem Gebiet ganz offenkundig unvorbereitete Mannschaft ins Rennen schickt, muss weit oben auf der Prio-Liste des ÖFB stehen.

FORMSCHWÄCHE: Die Spieler diesbezüglich komplett aus der Verantwortung zu entlassen, würde natürlich auch zu kurz greifen. Dass der eine oder andere Spieler seiner Form hinterherlief, war augenscheinlich. Die Gründe waren unterschiedlicher Natur. Marc Janko und Aleksandar Dragovic kamen aus Verletzungen und waren leider ein Schatten ihrer selbst – Janko so sehr, dass Koller ihn nach dem Ungarn-Spiel fallen ließ und erst mit dem Rücken zur Wand in der zweiten Halbzeit gegen Island wieder auf das Feld schickte. Martin Harnik und Florian Klein steckte der Abstieg mit dem VfB Stuttgart noch in den Knochen, so richtig auf Touren kam auch sie nicht. Alaba wurde bereits besprochen. Das sind einfach zu viele Schlüsselkräfte, die nicht ihr Leistungspotenzial abrufen konnten. Das kann sich Österreich nicht leisten. Akteure wie Marko Arnautovic oder Christian Fuchs fielen im Vergleich nicht ab, auftrumpfen geht jedoch auch anders.

So begründet Teamchef Koller das Ausscheiden:


VERSUCHTE EIGENWERBUNG: Grundsätzlich wirkten also zu viele ÖFB-Kicker mit sich selbst beschäftigt. Ein wenig mag diese Verkrampfung beim einen oder anderen auch daran gelegen haben, die Bühne EURO zu sehr in eigener Sache nutzen zu wollen. Die Vereinszukunft bei so manchem Spieler ist offen. Einige wie Harnik oder auch Vorerst-Wieder-Salzburger Martin Hinteregger stehen noch ohne neuen Arbeitgeber dar, andere spekulieren mit einem Transfer und verhehlten auch gar nicht, sich bei der EM ins Rampenlicht spielen zu wollen. Nicht falsch verstehen: Das ist völlig legitim. Diese Plattform haben schon Generationen an Profis davor genutzt und werden auch zukünftige Generationen nutzen. Ob jeder dieses persönliche Motiv richtig kanalisiert hat, können die Spieler nur für sich selbst beantworten. Auffällig war zumindest, dass mit Julian Baumgartlinger jener Akteur der beste rot-weiß-rote Feldspieler war, der schon vor der EM mit seinem Wechsel zu Bayer Leverkusen alles unter Dach und Fach gebracht hat und dementsprechend befreit aufspielen konnte. Im Interview nach dem Island-Spiel gab er folgerichtig zu Protokoll: „Bei mir war alles klar. Ich hatte eigentlich keine Baustellen in meinem Leben, meiner Karriere oder in meinem mentalen Zustand.“ Ob das jeder ÖFB-Spieler von sich behaupten kann?

MANGELNDE KONZENTRATION: Dies ist ein Sammel-Punkt für diverse Defizite auf dem Feld. Die erschreckende Effizienz hätte sich einen eigenen Punkt verdient – auf diesem Niveau muss man die wenigen sich bietenden Chancen nutzen, und die hatte das ÖFB-Team. Wer allerdings nur ein Tor in drei Begegnungen schießt, fährt verdient heim. Vor allem Marc Jankos Probleme kamen hier leider zu tragen. Auch die fehlende Präzision hätte einen eigenen Punkt verdient. Teilweise waren die Fehlpässe nicht anzuschauen und die Passquoten dementsprechend mager. Je näher man dem gegnerischen Tor rückte, desto fehleranfälliger wurde das ÖFB-Spiel, was die Chance auf eine bessere Effizienz nicht steigerte. Letztlich alles eine Frage der Konzentration und eine Folge der vielen „kopflastigen“ Begründungen zuvor – genau wie die Blackouts in wirklich entscheidenden Momenten. Zehn Beispiele von isländischen Einwürfen hat Koller seinen Schützlingen laut eigener Aussage vorgeführt – als es drauf ankam, einen solchen zu verteidigen, befand man sich im Tiefschlaf. Auch der vergebene Elfmeter von Aleksandar Dragovic fällt wohl unter diese Kategorie, wenngleich er ja tatsächlich nicht der erste Spieler ist, der einen Elfmeter vergibt. Ein wesentlich berühmterer Herr hielt Österreich mit einem vergebenen Penalty im Rennen…

JUNUZOVIC-VERLETZUNG: Dragovic fällt auch unter die Kategorie Formschwäche nach Blessur. Dass der Innenverteidiger mit den Nachwirkungen seiner Knöchelverletzung zu kämpfen hat, war allzu offensichtlich. Richtig bitter war zudem die Verletzung von Zlatko Junuzovic. Gegen Ungarn wurde er bereits früh im Spiel „kaputtgetreten“, irgendwann ging es nicht mehr. Nicht wenige halten die „Pressing-Maschine“ für den unersetzbarsten Spieler im – gewohnten - System von Koller. Sein Fehlen brachte Österreich ins Schleudern, auch in taktischer Hinsicht. Mit dem Werder-Legionär auf dem Feld wäre Alaba nie in die Verlegenheit gekommen, Zehner spielen zu müssen. Vielleicht hätte sich der Teamchef auch die eine oder andere taktische Variante erspart, wenn ihm der 28-Jährige zur Verfügung gestanden wäre. Über die Lösung Alessandro Schöpf traute sich Koller nur halbherzig drüber. Es gilt schon länger als wichtig, einen guten Backup für Junuzovic zu finden. Vielleicht ist es eine der wenigen positiven Erkenntnisse dieses Turniers, dass man selbigen mit dem Schalke-Legionär gefunden haben könnte.


TAKTIK: Dieser Bereich wurde schon intensiv diskutiert, aber der Vollständigkeit halber muss er natürlich angeführt werden. Gegen Ungarn war Österreich das taktisch unterlegene Team, und das mit der Einser-Garnitur. Diese Erkenntnis wiederum brachte offenkundig Koller aus dem Konzept, was eine äußerst unattraktive Not-Variante gegen Portugal und seinen Ausflug in die Welt der Dreierkette gegen Island zur Folge hatte. Tendenziell sticht im konkreten Fall das Kopfproblem jenes der Taktik – mental auf der Höhe, hätten sich die ÖFB-Kicker vermutlich leichter getan, die Vorgaben umzusetzen. Das ändert jedoch nichts daran, dass man im Profi-Fußball taktisch sowieso auf der Höhe sein muss, und bei einem Turnier umso mehr. Das war Österreich im Vergleich nicht.

DER VERSPÄTETE WECKRUF: Zu schlechter Letzt, und das ist wirklich ärgerlich, tappte man blindlings in die Falle des fehlenden Problem-Bewusstseins. Spätestens jetzt weiß man, dass der Flow der erfolgreichen Quali schon lange vor dem Ankick der EURO verloren ging. Wahr haben wollte man das nicht. Stattdessen übte man sich nach schlechten Testspielen selbstbewusst in der Beruhigung der Öffentlichkeit, dass man – ganz Quali-like – schon den Schalter umlegen könne, wenn es drauf ankommt. Leider, leider, leider falsch gedacht. Das böse Erwachen kam gegen Ungarn und mit ihm der Panik-Modus. Von dieser Kritik kann man Koller zum Teil ausnehmen. Denn wenn man sich genau erinnert, hat er nach Malta und Holland sehr wohl von seinen Spielern gefordert, rechtzeitig den Knopf im Hirn auf Turnier-Modus zu drücken. Offenbar hat er intern nicht eindringlich genug gewarnt oder seine Spieler nicht erreicht. Stattdessen beruhigten die Kicker die Öffentlichkeit und meckerten über kritische Berichte in den Medien. Man darf annehmen, dass sie wirklich glaubten, es rechtzeitig hinzukriegen. Haben sie nicht. Ihr Pech ist, dass es daher im Nachhinein wie Schönrederei rüberkommt. Ein entschlossener und rechtzeitiger Weckruf hat gefehlt. Eine Erkenntnis ist daher, dass es auch die ÖFB-Familie ertragen sollte, wenn jemand einmal um der Sache Willen auf den Tisch haut und die Probleme klar beim Namen nennt.

Die Hoffnung: Wenn man die richtigen Schlüsse aus diesem Scheitern zieht, sollte es früher als später die Gelegenheit geben, es besser zu machen. Das Vertrauen in das grundsätzliche Können dieser Mannschaft zu verlieren, wäre nämlich ein Fehler. Es gilt nur, wirklich aus dieser Erfahrung zu lernen. Der Ball liegt beim ÖFB-Team.

Gratulation an Island! So hätten wir uns auch freuen können:


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