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Die Probleme erkennen und sich ihnen auch stellen

Selbstzerstörungsmechanismus, nein Danke! Für die ÖFB-Kicker gibt es nur eine Lösung:

Die Probleme erkennen und sich ihnen auch stellen

Was für ein Stimmungskiller!

Eine Frage hat dieses 0:2 gegen Ungarn zum EM-Auftakt leider mit schonungsloser Ehrlichkeit beantwortet: Die jüngsten Warnsignale waren „for real“, der Schlendrian aus den Testspielen konnte nicht ab- und der Schalter im Kopf nicht umgelegt werden.

So gesehen muss ich meinen Irrtum eingestehen: Ich bin komplett falsch gelegen, relativ entspannt zu bleiben. Nun wissen wir’s.

Aus besagtem Kommentar nach dem Niederlande-Test hat leider folgende Passage vollinhaltlich gestochen: „Sicher ist der eine oder andere Schlüsselspieler noch nicht in Topform, natürlich kann einem die Art und Weise der Gegentore Sorgen bereiten, freilich gefällt es nicht, wenn Teamchef Marcel Koller einerseits seine Schützlinge auffordern muss, rechtzeitig vor dem EM-Start den Schalter im Kopf auf Turnier-Modus umzulegen und andererseits aufgrund aufkommender Zweifel beschwichtigen muss.

Sich selbst zu zitieren ist immer heikel, ist in diesem Fall jedoch nicht als Klugscheißerei gedacht, sondern dient zur Illustration, dass manche Probleme nicht plötzlich aufgetreten sind und – leider – auch keine Erfindung überkritischer Medien waren.

Eines muss klar sein: Nun wird die Stunde der Populisten schlagen.

Extreme Stimmungsschwankungen gehören zu einem Turnier dazu. Nach dieser Pleite wird das Pendel auf Hypernervosität ausschlagen. Österreich ist bei diesem Turnier, um zu lernen. Den Umgang mit dem Eh-schon-alles-vorbei-jetzt-hilft-uns-nur-noch-ein-Wunder-Modus werden die ÖFB-Kicker in den kommenden Tagen auf die harte Tour lernen.

Wobei dieser Selbstzerstörungsmechanismus in Wahrheit natürlich niemandem hilft. Noch ist das Nationalteam beileibe nicht ausgeschieden. Etwas flapsig ausgedrückt: Unreflektiert draufhauen könnte man nach dem endgültigen K.o. auch noch.

Konstruktive – und durchaus harte – Kritik ist jedoch mehr als angebracht. Denn die Probleme sind nicht zu übersehen. Und was macht man mit Problemen? Man versucht sie zu lösen.

Vorher muss man sie jedoch erkennen und sich ihnen stellen.

Ich hoffe, ich liege falsch, aber ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob das jeder rot-weiß-rote Akteur nach den zuletzt holprigen Leistungen gemacht hat, oder ob der eine oder andere nicht doch zu sehr dem trügerischen Gedanken verfallen ist, im Ernstfall auf Knopfdruck die Qualifikations-Leistungen abrufen zu können, und nun ein böses Erwachen erlebt hat.

Oder anders formuliert: Stimmt schon, gegen die Niederlande war nicht alles schlecht, im Gegenteil. Aber so super kann es bei einem 0:2 auch nicht gewesen sein, da haben sich schon Fehler eingeschlichen, und deren Erwähnung war keine Majestätsbeleidigung.

Die wichtigste Frage lautet nun: Lassen sich die Probleme in der kurzen Zeit bis zum Portugal-Spiel in den Griff bekommen. Die Antwort ist völlig offen.

Gerade bezüglich der viel zitierten Kopfsache, der auch von Koller festgestellten Nervosität, kann es in beide Richtungen gehen. Das Selbstvertrauens-Kartenhaus kann nun endgültig in sich zusammenstürzen. Oder, was natürlich ratsamer wäre, Ungarn war ein heilsamer Schock und eine gewisse Jetzt-erst-recht-Mentalität bringt neue Impulse.

Eine Herkulesaufgabe wird es, die formbedingten Sorgenkinder binnen vier Tagen in Schuss zu bekommen.

Martin Harnik und Marc Janko etwa sind derzeit tendenziell Wackelkandidaten. Wie sehr, muss Koller anhand der Trainings entscheiden. Das ist sein Job. Meine Ferndiagnose ist, dass ich skeptisch wäre, alles, was über Jahre aufgebaut wurde, binnen vier Tagen komplett über den Haufen zu werfen, zumal alles andere als gewiss ist, dass ihre Backups im Vergleich einen gewaltigen Qualitätssprung garantieren. So gut ist der zweite Anzug zuletzt bekanntlich nicht gesessen.

Umstellen muss der Teamchef so oder so. Wobei zumindest Sebastian Prödl anstelle des gesperrten Aleksandar Dragovic die in der aktuellen Phase dringend benötigte Erfahrung einbringen sollte. Ein Ausfall von Zlatko Junuzovic würde schwer wiegen, könnte aber mit Alessandro Schöpf wenigstens einen kaltschnäuzigen Youngster, der gut drauf ist, in die Startelf befördern.

Unabhängig davon, wer gegen Portugal zum Einsatz kommt, zählt eines: Ungarn-Teamchef Bernd Storck durfte nach Schlusspfiff jubilieren, dass jeder einzelne seiner Spieler über sich hinausgewachsen sei.

Wie viele Österreicher durften das behaupten? Eben. Maximal Julian Baumgartlinger hat Normal- und somit EURO-Form erreicht.

Also, meine Herren: Jetzt-erst-recht-Mentalität und so…!



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