plus-video

Was kann Kollers neue Waffe?

Der Teamchef schaut von Guardiola ab. Was kann das neue ÖFB-System?

Was kann Kollers neue Waffe?

Marcel Koller lässt sich nicht gerne in die Karten schauen.

Über taktische Varianten spricht er nur selten, schließlich will er der Konkurrenz keinen Einblick in seine Strategien für die nächsten Spiele gewähren.

Deswegen betrieb der Schweizer auch nach dem 14:0-Sieg gegen den Sechstligisten US Schluein Ilanz Understatement. Das dabei getestete Offensiv-System mit Dreierkette sei vorher nicht trainiert worden. „Ich wollte einfach mal schauen, ob wir es können“, so Koller.

Alles also nur eine einmalige Sache für einen unbedeutenden Test? Vielleicht. Gut möglich, dass der Teamchef aber wieder einmal blufft, um seine neue Waffe nicht an die große Glocke zu hängen. Denn diese neue Formation passt ausgezeichnet zum vorhanden Spielermaterial der österreichischen Nationalmannschaft.

Riskant, aber wertvoll

In Zahlen kann das System am besten mit der Kombination 3-6-1 beschrieben werden. Gegenüber dem sonst üblichen 4-2-3-1 gibt es zwei große Unterschiede: Erstens dürfen damit drei statt zwei Innenverteidiger ran und zweitens sind die Flügel jeweils mit nur einem statt zwei Spielern besetzt.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Mit mehr Spielern im Mittelfeld kann der Gegner vorne besser unter Druck gesetzt werden. Die vier Leute im Zentrum können im Raum vor der gegnerischen Abwehr Überzahlsituationen für Kombinationen herstellen. Dazu funktioniert auch das Gegenpressing umso besser, je mehr Spieler sich beim Ballverlust in der gegnerischen Hälfte befinden.

Braucht Österreich bei der EURO in einem Spiel um jeden Preis ein Tor, stellt dieses riskante Offensiv-System für Koller eine interessante Option dar. Gerade gegen defensiv eingestellte Mannschaften wie Island oder Ungarn könnte diese auf viel Ballbesitz ausgelegte Formation äußerst wertvoll sein.

Koller schaut von Guardiola ab

Nicht umsonst setzte auch Pep Guardiola beim FC Bayern immer wieder auf ähnliche Varianten mit einer Dreierkette. David Alaba nahm dabei meistens die Rolle des linken Innenverteidigers ein. Dort agierte er nicht in einer klassischen Abwehrrolle, sondern als „Hybridspieler“ zwischen Verteidigung und Mittelfeld.

Ähnlich gingen beim Test gegen Schluein Ilanz auch Martin Hinteregger und Aleksandar Dragovic vor. Die beiden interpretierten ihre Rolle in der Dreierkette (halblinks bzw. halbrechts) sehr offensiv und fungierten in der gegnerische Hälfte teilweise als zusätzliche Sechser neben Julian Baumgartlinger bzw. Stefan Ilsanker.

Den beiden spielerisch starken Innenverteidiger lag die von Koller zugedachte Rolle perfekt. Hinteregger bewies dies nicht zuletzt mit seinem Traumtor aus 30 Metern.

Hier der Treffer im Video:


Fuchs als Gefahrenherd?

Nicht nur in der Dreierkette, in der neben den gegen Schluein Ilanz eingesetzten Hinteregger, Dragovic, Prödl und Wimmer auch Ilsanker und Alaba theoretisch zum Einsatz kommen könnten, stehen Koller für das 3-6-1 die geeigneten Spieler zur Verfügung. Auch auf den Flügelpositionen ist dies der Fall.

Mit Christian Fuchs und Florian Klein verfügt das ÖFB-Team über zwei Außenverteidiger, die ihre Stärken vornehmlich in der Offensive haben. Im 3-6-1 haben sie mehr Freiheiten nach vorne, vor allem Kapitän Fuchs könnte dadurch mit seinen Flanken zu einem Gefahrenherd avancieren.

Zumal Österreich mit Marc Janko und Rubin Okotie im Sturmzentrum über zwei Strafraum-Panzer verfügt, die diese Hereingaben verwerten können.

Unberechenbares ÖFB-Team

Auch Österreichs offensive Mittelfeldspieler profitieren vom 3-6-1. Die drei Kicker hinter der Solospitze dürfen in diesem System flexibel ihre Positionen tauschen.

Marko Arnautovic, Zlatko Junuzovic, David Alaba oder auch Alessandro Schöpf können mit ihren technischen Fähigkeiten den Ball auf engstem Raum behaupten. Sie sind im Stande, im engen Zentrum den gegnerischen Defensiv-Verbund mit Kombinationen auseinander zu ziehen.

Gegen den Sechstligisten aus der Schweiz hat das gut funktioniert. Fraglich bleibt, wie sich das ÖFB-Team gegen stärkere Mannschaften anstellt. Vielleicht bleibt die Formation aber auch wirklich nur ein einmaliger Test.

Egal, ob das 3-6-1 eine Zukunft hat oder nicht - eines hat Koller mit diesem Experiment jedenfalls erreicht: Das ÖFB-Team ist noch unberechenbarer geworden. Die kommenden EURO-Gegner können sich nicht mehr sicher sein, dass Österreich mit dem gewohnten 4-2-3-1 antritt. Koller hat nun eine neue Waffe parat.

 

Jakob Faber

Kommentare