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Zlatans emotionale Rückkehr zu seinem Jugendklub

PSG-Star gastiert bei Jugendklub Malmö. Wie seine Welt-Karriere startete:

Zlatans emotionale Rückkehr zu seinem Jugendklub

„Du kannst einen Typen aus dem Ghetto holen, aber du holst niemals das Ghetto aus einem Typen.“

Dieser vielsagende Satz prangt an der Annelundsbron-Brücke in Malmö, präziser ausgedrückt im Stadtteil Rosengard. Gesagt wurde er von einem der berühmtesten Söhne der Stadt: Zlatan Ibrahimovic.

Der schwedische Superstar wuchs nicht nur in der nach der Hauptstadt Stockholm und Göteborg drittgrößten Stadt des Landes auf, sondern verdiente sich beim ansässigen Verein Malmö FF auch seine ersten Sporen als Fußballprofi. Es sollte den Grundstein seiner späteren Weltkarriere legen.

16 Jahre später kehrt „Ibra“ nun erstmals zu einem Vereins-Pflichtspiel in seine Heimatstadt zurück (2011 hatte er mit dem AC Milan nur ein Freundschaftsspiel), wenn er mit Paris St. Germain in der Champions League bei seinem Jugendklub im Swedbank Stadion zu Gast ist (heute, ab 20.45 im LIVE im LAOLA1-Ticker).

Grund genug für LAOLA1, einen Sprung in Zlatans Vergangenheit zu machen.

Problemviertel Rosengard

Über 310.000 Einwohner zählt das an Schwedens Südspitze liegende Malmö, rund 25.000 davon entfallen auf Rosengard. Der Stadtteil im Zentrum gilt als sogenanntes Problemviertel.

Die Stimmung zwischen den Plattenbauten ist geprägt von rund 60 Prozent Arbeitslosigkeit und dem hohen Immigrantenanteil von über 80 Prozent. Soziale Spannungen in dieser Multi-Kulti-Gesellschaft gehören zum Alltag, rauere Umgangstöne ebenso.

„Bei uns zu Hause gab es kein schwedisches Süßholzraspel wie `Liebling, sei so nett und reich mir die Butter`, sondern eher: `Hol die Milch, du Idiot!`“, beschreibt Zlatan in seiner Biographie „Ich bin Zlatan Ibrahimovic“ seine Kindheit in den dortigen Begebenheiten.

Turbulente Kindheit

Auch „Ibra“, am 3. Oktober 1981, geboren, stammt aus einer Einwandererfamilie. Sein Vater zog Ende der 70er aus Bosnien in das skandinavische Land, seine Mutter aus Kroatien. Als Ibrahimovic zwei Jahre alt war, trennten sich die Eltern.

Die Mutter verlor Jahre später das Sorgerecht, sein Vater – unter anderem durch die Kriegswirren in seiner Heimatstadt Bijeljina beeinträchtigt – begann zu trinken, seine Halbschwester verfiel der Drogensucht.

Zlatan kam ebenfalls mit dem Gesetz in Konflikt. Der damals noch (heute vielleicht schwer vorstellbar) „kleine und schmächtige“ Junge entdeckte kleinere Diebstähle für sich. Besonders Fahrräder hatten es ihm angetan.

Lichtblick Fußball

Doch eine Leidenschaft überragte: Die Liebe zum Fußball.

„In Rosengard hatten wir verschiedene Höfe. Ich hasste es zu verlieren. Dennoch war es nicht das Wichtigste, zu gewinnen. Es waren die Finten und die schönen Sachen.“ Ronaldo diente ihm als Vorbild.

"Ich hasste es zu verlieren. Dennoch war nicht das Wichtigste zu gewinnen. Es waren die Finten und die schönen Sachen"

Via FBK Balkan landete er mit 13 Jahren auf Verlangen seines Vaters bei einem „großen Klub“: Malmö FF. Beim Traditionsklub kamen seine Dribbelkünste, sein zügelloses Temperament sowie Reibereien mit Gegenspielern, Mitspielern und Schiedsrichtern jedoch nicht überall gleichermaßen gut an.

„Die schwedischen Eltern wollten mich aus der Mannschaft haben. Irgendein Idiot von Vater von einem in der Mannschaft ging mit einer Liste herum. `Zlatan muss den Klub verlassen` stand da, und alle möglichen Figuren unterschrieben es.“

Der Aufruf blieb unerhört.

Rising star

Zlatan kämpfte sich in der Folge durch alle Jugendmannschaften.

1999 wurde der Stürmer schließlich in die erste Mannschaft aufgenommen: „Mir war, als wäre ich zehn Meter in die Luft gehoben worden, und ich nehme an, ich ging raus und klaute ein neues Fahrrad und kam mir vor wie der coolste Junge der Stadt.“

Da störte Zlatan bis auf weiteres nicht, dass der schwedische Rekordmeister in dieser Saison eine Krise durchlebte. Was für den Klub eine Katastrophe darstellte, bedeutete für die Jugend eine Chance.

Im September 1999 debütierte der 17-Jährige in der Allsvenskan. Zlatan trickste sich erstmals ins Rampenlicht, den erstmaligen Abstieg des Vereins seit 64 Jahren konnte aber auch er nicht verhindern. „Irgendwie war es krank. Ich war im Begriff, eine Marke zu werden, während mein Verein die größte Krise aller Zeiten durchmachte.“

Unsauberer Malmö-Abgang

12 Tore in der zweiten Liga, der Supereins, und einen Wiederaufstieg später, war halb Europa hinter dem schwedischen Youngster her. „Ungefähr ein Spielerberater pro Tag rief bei Sportdirektor Hasse Borg an.“

Engagements bei AS Monaco, Hellas Verona oder Arsenal kamen jedoch nicht zustande. Gegenüber der „The Sun“ sollte Zlatan ein gutes Jahrzehnt später verraten, dass er Arsene Wengers Gunners absagte, weil „Zlatan keine Probetrainings mache“.

2001 klopfte schließlich der niederländische Rekordmeister Ajax Amsterdam an. Nach einem Traumtor im Trainingslager in La Manga gegen Moss wollte ihn der für seine Nachwuchsförderung berühmte Klub umso mehr.

Einzig die finanziellen Rahmenbedingungen machten Zlatan zu schaffen: „Ich wusste nichts darüber, was Fußballer verdienen oder wie viel Steuern man in Holland zahlt. Ich war neunzehn Jahre alt und aus Rosengard. Ich wusste nichts von der Welt.“

Ibrahimovic wechselte schlussendlich für die schwedische Rekordablöse von 85 Millionen Kronen zu Ajax. „Ich stieß einen Freudenschrei aus. Es war völlig krank.“

Erst später realisierte Zlatan, dass er selbst bescheiden aus dem Deal ausstieg und der am schlechtesten verdienende Ajax-Spieler wurde: „Ich glaubte, Hasse Borg wäre mein Freund, mein Extravater eben. Ich begriff nicht, dass er nur an eins dachte: Geld für den Verein zu verdienen.“

Emotionale Rückkehr

14 Jahre später gerät dieser Groll in den Hintergrund. „Ich habe nicht vergessen, was Hasse Borg getan hat. Aber ich liebe den Klub auch.“ Mit Mino Raiola hat Zlatan ohnehin mittlerweile einen der gefürchtetsten Manager, der ihm finanzielle Benachteiligungen vom Leib hält.

Dementsprechend groß ist Zlatans Vorfreude auf die bevorstehende Rückkehr zu seinem Jugendverein, wie er uefa.com offenbart: „Das wird großartig. Dort hat alles angefangen. Dort bin ich aufgewachsen. Es könnte nichts schöner sein, als in der Champions League auf sie zu treffen.“

Der heutige Superstar honoriert den Anteil seines ersten Profiklubs an seiner Weltkarriere: „Dort habe ich mir einst gesagt: `Entweder mache ich das richtig, oder ich verschwende meine Zeit`. Sie haben mir eine Chance gegeben zu zeigen, was ich kann, und ich habe sie ergriffen.“

Als Dank ließ er unter anderem den einstigen Hartplatz, wo er als Kind aufgegeigt hatte, sanieren („Zlatan Court“) und wartete für das heutige Duell in der Champions League mit einer besonderen Idee auf: Da das Swedbank Stadion nur 21.000 Zuschauer fasst, mietete der schwedische Superstar den gesamten Marktplatz in der Innenstadt, um allen Einwohnern das LIVE-Erlebnis via Public Viewing zu ermöglichen. Weiters kündigte er „einige Überraschungen“ für den Abend an.

Hey Malmö...I’m heading your way! As promised, you’ll be able to watch the game on Wednesday at Stortorget, where lots...

Posted by Zlatan Ibrahimovic on Montag, 23. November 2015

Eine emotionale Rückkehr scheint jedenfalls garantiert zu sein, wenn es für Zlatan „back to the roots“ heißt: Zurück in die Stadt, zu seinem Jugendklub mit der Erinnerung an die sozialen wie familiären Umstände, die ihn geprägt haben. Und die vielleicht auch das eine oder andere mit einer Extra-Portion Selbstvertrauen ausgestatte Statement erklären.

„Wenn man bedenkt, wo ich herkomme, wie mein Name lautet, mein Hintergrund, hatte ich es schwierig, ich habe hart gekämpft. Ich musste besser als alle anderen sein, um erfolgreich zu sein.“

Wäre letzteres nicht gelungen, hätte Zlatan in seiner Biographie durchaus Befürchtungen für seine alternative Zukunft gehabt:

„Man hat mich gefragt, was ich getan hätte, wenn ich nicht Fußballspieler geworden wäre. Ich habe keine Ahnung. Aber vielleicht wäre ich kriminell geworden.“

Die Fußball-Feinschmecker auf dieser Welt sind ihm dankbar, dass er sich für den Sport entschieden hat. Zahlreiche Fahrradfahrer in Malmö ebenso.

 

Andreas Gstaltmeyr

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