Wenn heute (ab 16:30 Uhr) das 322. Wiener Derby über die Bühne geht, steht für den SK Rapid und Austria Wien einmal mehr sehr viel auf dem Spiel.
Die Hütteldorfer könnten den Erzrivalen, der noch bei null Punkten hält, tiefer in die Krise stürzen. Der Turnaround hingegen würde Rapids Liga-Start in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Dabei könnte es zu einem Jubiläum kommen: Die Austria steht vor ihrem 100. Bundesliga-Sieg in einem Wiener Derby, während die Grün-Weißen bei 121 Siegen halten.
Derby-Heimkomplex in den letzten Jahren
Unwahrscheinlich ist ein positiver Ausgang für die Violetten aus Favoriten nicht. Denn beide Teams plagen im großen Duell um die Nummer 1 von Wien seit Jahren ein Heimkomplex.
In den letzten acht Derbys - also seit 12. August 2015 - ging nur einmal die Heimmannschaft als Sieger vom Platz. Dieser Coup gelang Rapid mit einem 1:0-Erfolg, ausgerechnet in der ungeliebten Ausweich-Arena, dem Ernst-Happel-Stadion.
Zu dieser Statistik passt auch die Tatsache, dass der SK Rapid trotz großer Erwartungen die ersten beiden Heimspiele in der neuen Wirkungsstätte, dem Allianz Stadion, verloren hat.
Gleich zwei Mal gingen die Violetten, die insgesamt seit drei Derbys ungeschlagen sind, mit 2:0 vom Hütteldorfer Rasen. Ohne Gegentor in Rapids neuem Schmuckkästchen zu bleiben, gelang sonst nur Double-Gewinner RB Salzburg.
Rapids Vorzeichen sind diesmal ganz anders
Doch Rapid will diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen und die unter Fans "Weststadion" genannte Heimat in dieser Saison endlich zur Festung machen.
"Wir haben letztes Jahr nicht viele Derbys gewinnen können", ärgert sich Mario Sonnleitner. "Aber die Voraussetzungen sind diesmal ganz andere. Wir wollen zum ersten Mal ein Derby im Allianz Stadion gewinnen."
Austrias Fehlstart wurde natürlich wahrgenommen. "Die Austria hatte einen sehr schwierigen Anfang und hält noch bei null Punkten. Das nagt am Selbstvertrauen. Wir können das nach dem letzten Jahr gut nachvollziehen", zieht Trainer Goran Djuricin Parallelen. Sie haben jetzt im Europacup aber einen Sieg errungen, da müssen wir aufpassen. Wir wissen, wie ein angeschlagener Gegner ist. Austria wird nicht viel für das Spiel tun, sie werden auf Konter spielen."
Auch vergangene Saison gab es in der 3. Runde ein Derby, dieses konnte Rapid mit 4:1 bei der Austria für sich entscheiden - es blieb bei diesem einzigen Derby-Erfolg in der Saison 2016/17.
Bickel über Entwicklung positiv erfreut
Auch Sportchef Fredy Bickel blickt zuversichtlich Richtung dem brisanten Stadtvergleich. Ob die Austria in der derzeitigen Form genau zur richtigen Zeit kommt?
"Die Vorzeichen sind gegeben. Das Derby kommt für die Austria zur richtigen Zeit, um den Saisonstart vergessen zu machen. Wir könnten aber den guten Start unterstreichen", weiß der Schweizer, dass es auch in Österreich im Derby keinen Favoriten gibt.
Prinzipiell zeigt sich der 52-Jährige aber über die Entwicklung Rapids in den letzten Wochen und Monaten sehr erfreut: "Seit Trainingsbeginn habe ich ein sehr gutes Gefühl, ich bin zufrieden und erfreut. Die Resultate warena uch sehr gut. Für mich persönlich war es wichtig, dass der Weg in eine gute Richtung zeigt. Ich bin zufrieden, wie es in den letzten zwei Monaten gelaufen ist, dass alle mitziehen und helfen wollen - auf und abseits des Platzes. Auch das Resultat am Sonntag kann nicht trüben, dass der Weg ein guter ist."
Was noch für Rapid spricht? "Wir sind reifer geworden", ist sich Djuricin, der die Nummer eins in Wien bleiben will, sicher. Und Sonnleitner ergänzt: "Da wir nicht im Europacup dabei sind, sind das die vier wichtigen Spiele in diesem Jahr. Wir wissen, welche Bedeutung das Derby hat und welchen Schub es einem geben kann."
Erfolgserlebnis soll die Austria beflügeln
Die Austria hofft im Derby vor allem auf einen Formanstieg. Der Aufstieg gegen AEL Limassol in der Europa League soll zur Initialzündung werden, um auch in der Bundesliga zurück in die Erfolgsspur zu finden - auch wenn die Leistung gegen die Zyprer alles andere als zufriedenstellend war.
"Die Mannschaft hat verunsichert gespielt, das hat man gesehen. Ich hoffe, dass das Erfolgserlebnis gut getan hat", glaubt Sportdirektor Franz Wohlfahrt auf den Turnaround. Der ehemalige Torhüter sieht Rapid sogar in der Favoritenrolle.
Psychologische Spielchen vor dem direkten Duell? Möglich. Wohlfahrt bezieht sich aber vor allem auf die bereits gesammelten vier Punkte der Hütteldorfer. Eine weitere Niederlage könnte für die Violetten schon unangenehme Folgen haben.
"Momentan ist Rapid besser gestartet. Aber wir wollen das Spiel gewinnen und uns nicht verstecken. Es gibt keinen Ersatz für Siege, auch wenn man vielleicht nicht so gut gespielt hat. Wir gehen mit einem Sieg im Rücken ins Derby. Das tut gut", ist sich auch Trainer Thorsten Fink sicher.
Fink: "Das kann psychologisch helfen"
Ebenfalls positiv mitnehmen können die Violetten die bisherigen Erfahrungen und Erfolge im Allianz Stadion. "Das steckt in den Köpfen fest und kann in entscheidenden Momenten psychologisch helfen. Aber das Derby ist in jedem Spiel neu."
Mit dem 100. Derby-Sieg wieder in die Saison zurück zu kommen, wäre ganz nach dem Geschmack des Austria-Trainers. Für ihn wird es das 99. Pflichtspiel auf der Bank der Veilchen sein.
Dafür spricht, dass alle drei Derby-Siege unter Fink auswärts gelangen. Wurde auf fremdem Derby-Terrain unter Fink getroffen, ging die Austria auch als Sieger vom Platz (3 Siege). Zudem erzielten Raphael Holzhauser und Co. bei den letzten 10 Derby-Siegen immer mehr als einen Treffer. Der letzte Erfolg bei nur einem erzielten Treffer datiert bereits vom 12. September 2010.
Das Derby bleibt also etwas ganz Spezielles, das unterstreichen alle Beteiligten. Nach den 90 Minuten wird aber nur eine Mannschaft den Rasen strahlend verlassen. Entweder, indem Austrias Krise abgewendet oder aber Rapids positiver Saisonstart prolongiert wurde.